KINDERÄRZTE.SCHWEIZ 3/2019

03 / 2019 FORTB I LDUNG K I N D E R Ä R Z T E . SCHWEIZ 31  Die Übersichtsarbeiten mit Einschluss von Kindern unter 5 Jahren (vorwiegend ab dem 3. Altersjahr) zei- gen einen klaren Zusammenhang von B+S mit motori- scher, kognitiver Entwicklung sowie psychosozialer und kardio-metabolischer Gesundheit. Beobachtungsstu- dien dokumentieren, dass genügend B+S eine günsti- ge motorische Entwicklung erlaubt und die Fitness und Knochengesundheit aufrechterhält. Die Intensität spielt dabei früh eine Rolle: Es muss eine gewisse Intensität da sein, um Zusammenhänge von B+S mit den meisten Gesundheitsmerkmalen zu finden! Das heisst, die Kin- der sollten sich sobald wie möglich (üblicherweise ab 4 Jahren) so oft wie möglich mässig intensiv bis inten- siv bewegen. Was heisst das nun? Der Ruheumsatz des Körpers sollte um mindestens das Vierfache gesteigert werden und kann mit hüpfen, tanzen, rumrennen, auf dem Boden rollen, Treppen oder den Berg hinauflaufen etc. einfach erreicht werden. Es gibt gesundheitlich kein «zu viel» und kein «zu intensiv». Bewegungsinduziertes Schwitzen, Keuchen, Turboatmen und rote Backen sind gewollt und gesund!  Interessanterweise bestreitet niemand den Zusam- menhang zwischen B+S und Gesundheit oder einer gesunden Entwicklung, obwohl gewisse Aspekte der Bewegungsförderung durchaus hinterfragt werden können. So streitet man sich, ob Bewegungsförderung in jüngeren Jahren, bevor die fundamentalen Bewe- gungsmuster da sind, überhaupt Früchte trägt, da die neuromotorische Aktivierung entwicklungsmässig be- reit sein muss. Betrachten wir gehfähige Kinder, die sich frei bewegen können, tun sie genau das: üben, üben, üben ohne Ende. Und ist es nicht auch so: Sie haben un- endlich Spass daran, man muss sie nur machen lassen. Motivieren anstatt predigen – das Umfeld ändern Ihr seid die Experten für die motivierende Gesprächsfüh- rung. Für mich am wichtigsten: Die gesundheitlichen Effekte aufzeichnen (Health Literacy), motivieren, mehr machbare als ideale Aktivitäten finden, denn kleine, realistische Schritte führen zum Erfolg. Also: Raus auf den Spielplatz und in die Natur, rein ins Wasser, mög- lichst mit anderen Kindern zusammen. Zu Fuss oder «aktiv rollend» zum Einkaufen und Spielen und so oft wie möglich ohne Elektronik.  Es ist nicht nur bei Kindern, sondern auch bei uns Er- wachsenen so, dass eine Lebensstiländerung einfacher ist, wenn das Umfeld entsprechend adaptiert wird. Mit andern Worten: Ein Hund muss zwingend Gassi geführt werden, die Kinder müssen aktiv in den Kindergarten gelangen, wenn im Umkreis der Schule Autofahrver- bot herrscht, oder sie müssen eine Aktivität erfinden, wenn die elektronischen Medien «abhanden» gekom- men sind.  Die individuelle Gesundheitsförderung in der Pra- xis ist wichtig, doch aufwendig und teuer. Gesund- heitsfachleute für Vorschulkinder, die mit Kindern oder noch besser mit Gruppen von Kindern unter Umstän- den von morgens bis abends zu tun haben (z. B. Perso- nal von Kitas oder Kleinkinderbetreuung), beraten viel- leicht ebenso erfolgreich oder sogar noch besser. Dort sind die Ressourcen gut eingesetzt, da eine strukturel- le Umgebungsänderung stattfinden kann, die viele Kin- der gleichzeitig erreicht. Oder habt ihr schon mal daran gedacht, euch in den Gemeinderat wählen zu lassen, um Spielplätze bauen zu lassen, bewegungsfreund- liche Kindergärten zu initiieren oder subventionierte Krippenplätze zu konzipieren zur sprachlichen Integra- tion und gleichzeitigen (Bewegungs-) Gesundheitsförde- rung? Oder ihr gründet einen Gemeinde-Fussball- oder Tanzclub-Mini für Mädchen und Jungen mit attrakti- vem Angebot für die Kleinsten? Kinder unter sich sind wie Magnete und das kann ideal ausgenützt werden. Es genügt bereits, wenn die Mama sich auf den Spiel- platz begibt, auch wenn sie stundenlang bewegungs- los plaudert (sie wird man kaum mehr ändern!). Idealer- weise fliessen unsere Ressourcen also in die Ausbildung von Kinder-Betreuungsstrukturen. Dort können An- passungen im Sinne von regelmässigen, strukturel- len Bewegungseinheiten verankert und viele Kinder gleichzeitig erreicht werden, ohne stigmatisierend zu wirken. Instruktionsmaterial finden, um mit Spass präventiv tätig zu werden Es gibt viele exzellent gemachte Unterlagen, die in der Prävention gebraucht werden können. Das Bundesamt für Sport hat gelungene Bewegungsrichtlinien für Kin- der im Vorschulalter sowie für Kinder und Jugendliche im Schulalter publiziert, die dank einer grafischen Um- rahmung sehr attraktiv sind (https://www.hepa.ch/de/ bewegungsempfehlungen.html)  Neu sind in diesem Jahr lancierte WHO-Empfeh- lungen, die im Moment nur in Englisch abrufbar sind (https://apps.who.int/iris/handle/10665/311664 ). Sicher wird aufgrund dieser Richtlinien die Diskussion auch in der Schweiz angestossen werden. Die WHO-Empfeh- lungen gehen über die Bewegungsrichtlinien hinaus, weil die Experten erkannt haben, dass Bewegung, Inak- tivität und Schlaf eng gekoppelt sind und im Trio die Ge- sundheit beeinflussen. Durchaus glaubwürdig, dass sich die sinnvolle Kombination von genügend Bewegung und Schlaf mit wenig körperlicher Trägheit optimal auf die Gesundheit auswirkt, und sich Schlafmangel, feh- lende Bewegung und viel Inaktivität speziell schädigend auswirken! Die zweite neue Empfehlung für die Kleinen betrifft die Intensität der Bewegung. Man (ich inklusi- ve) ist heute der Meinung, dass es ab dem Alter von 4 Jahren mindestens 1 Stunde pro Tag mässig- bis hoch- intensive Bewegung braucht zur Aufrechterhaltung der Gesundheit.

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