KINDERÄRZTE.SCHWEIZ 3/2019

FORTB I LDUNG 03 / 2019 K I N D E R Ä R Z T E . SCHWEIZ 30 D as war und ist seit eh und je eine Gretchenfrage, für deren Beantwortung immer mehr und bessere Studien zur Verfügung stehen. Ein attraktiver Hosenlupf für mich, euch auf wenigen Seiten ein paar wichtige Fragen rund um das Thema Bewegung-Fitness-Sport im Kindesalter zu beantworten und ein paar Denkanstösse zu liefern, um in der Praxis und in eurem ärztlichen Ein- flussbereich aktiv oder noch aktiver zu werden. Da ihr euch ja mehrheitlich mit jüngeren Kindern beschäftigt, werde ich mich hier vorwiegend auf diese Gruppe fokus- sieren.  Bewegungsarmut ist ein führender Risikofaktor frü- her zu sterben oder chronisch krank (inklusive fettlei- big) und/oder abhängig zu werden. Das kann verhin- dert werden – und je früher wir die Kinder erreichen, desto mehr Chancen haben wir, dass unser Einsatz Wir- kung zeigt. Während in früher Kindheit eine rasche, beeinflussbare, kognitive und motorische Entwicklung stattfindet, werden gleichzeitig kindliche und familiäre Lebensstilgewohnheiten geprägt. Also ein idealer Zeit- punkt, die Entwicklung zu beeinflussen und gesund- heitsfördernde Gewohnheiten zu etablieren. In unserer Gesellschaft ist es so, dass Bildung und sozioökonomi- scher Erfolg primär und direkt zusammenhängen mit kognitiven Fähigkeiten, mit körperlicher und seelischer Gesundheit, mit sozialem Verhalten und mit emotiona- ler Stärke. Die Basis für den Bau des optimalen Sprung- bretts wird im frühen Leben gelegt: B+S optimiert die physische Gesundheit, stabilisiert die Psyche und schult soziale und emotionale Fertigkeiten. Was sind kurzfristige Effekte von B+S: Insbesondere Ausdauerbelastungen führen kurzfris- tig zu einer transienten Erhöhung der Erregbarkeit des frontalen und präfrontalen Kortex, woraus länger an- haltende, neuroplastische Veränderungen stattfinden können. Dabei spielen verschiedenste Mechanismen mit: Neurotransmitter und Hormone (Kortisol, «Brain- derived neurotropic factor») kurbeln zerebrale Stoff- wechselleistungen an und aktivieren den gesamten Or- ganismus. Die vermehrte Erregbarkeit des präfrontalen Kortex führt direkt zu einer Verbesserung von exeku- tiven Funktionen wie Selbstkontrolle, Impulskontrolle und Regulation von Emotionen, Arbeitsgedächtnis, Aufmerksamkeitssteuerung, zielgerichtetes Handeln. Eine Ausdauerleistung aktiviert natürlich auch den mo- torischen Kortex, der sich erfahrungsbasiert, also bei re- petitiver Aktivierung, plastisch verändert. Zusätzlich ist B+S oft matchentscheidend, um eine schwierige emoti- onale Situation wie Streitigkeiten mit Eltern, Geschwis- tern oder Gspänli, aggressives oder wütendes Verhal- ten in den Griff zu bekommen durch Ablenkung und Stressabbau. Was sind mittel- und langfristige Effekte von B+S auf die Gesundheit und kindliche Entwicklung: In der Darstellung findet ihr die gesundheitlich posi- tiven Auswirkungen auf diverse essenzielle kindliche Funktionen. Fast alles ist schon mal erforscht worden, in fast jedem Alter und mit fast allen zur Verfügung stehenden Untersuchungsinstrumenten. Und ja – die Datenlage ist konsistent und spricht trotz relativ spär- licher Evidenz dafür, dass Bewegung gesundheits- erhaltend und -fördernd ist in jedem Alter. Die spär- liche Evidenz rührt daher, dass Langzeitstudien über die Lebensspanne rar, teuer und mit vielen Störfaktoren behaftet sind. Vielleicht hilft die beiliegende Grafik als Diskussionsgrundlage für Eltern, Mütterberaterinnen, Kinderbetreuerinnen und Kindertagesstätten. Macht Bewegung-Sport (B+S) gesunde und kranke Vorschulkinder gesünder? PROF. DR. MED. SUSI KRIEMLER, FACHÄRZTIN FÜR KINDER- UND JUGENDMEDIZIN FMH, FÄHIGKEITSAUSWEIS SPORT- MEDIZIN, INSTITUT FÜR EPIDEMIOLOGIE, BIO- STATISTIK UND PRÄVENTION, UNIVERSITÄT ZÜRICH Korrespondenzadresse: susi.kriemlerwiget@uzh.ch

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