KINDERÄRZTE.SCHWEIZ 3/2019
FORTB I LDUNG 03 / 2019 K I N D E R Ä R Z T E . SCHWEIZ 26 inklusive Boxen, Ringen, Schwingen, Rugby oder Ame- rican Football), Übernachtungen in Massenschlägen und sozialen Kontakten der Athleten neben den Wett- kampfstätten sind weitere Immunisierungen zu erwä- gen: gegen Influenza, Hepatitis (Typ A und B), Neisseria meningitides und Humane Papillomaviren [26]. Klinische Untersuchung Vitalparameter Die Kontrolle des Gewichts, der Körpergrösse, des Pul- ses und des Blutdrucks sind wesentliche Bestandteile der SPU. Gerade Gewicht und Körpergrösse können rasch Hinweise liefern für ein Über- oder Untergewicht oder übermässige Gewichtsabnahme. Im Zusammenhang mit der Körpergrösse ist die Dokumentation der Grös- se der Eltern (evtl. quantifizieren) von Nutzen, z. B. als Hinweise eines syndromal bedingten Klein- oder Hoch- wuchses. Zur Bestimmung der Pubertätsstadien sind die Tannerstadien notwendig. Da die Untersuchung der Ge- nitalien bei fehlenden anamnestischen Hinweisen nicht Bestandteil der SPU ist, ist hier orientierend der Einsatz von Abbildungstafeln hilfreich. Der Body Mass Index (BMI) ist als Screening-Wert nur bedingt brauchbar auf- grund einer möglichen erhöhten muskulären Mager- masse eines Sportlers je nach Sportart. Übergewicht (Gewicht >P. 95, bei entsprechender Grösse) ist keine Kontraindikation für Sport. Eine Iden- tifizierung eines Übergewichts ist sinnvoll, da ein erhöh- tes Risiko für gewisse Probleme bestehen: u. a. Über- belastungsbeschwerden, Epiphysiolysis capitis femoris, Hypertonie, Diabetes mellitus. Untergewicht (Gewicht < P. 5, bei entsprechender Grösse) ist auch kein Ausschlusskriterium für sportliche Aktivität. Allerdings ist das Verletzungsrisiko (z.B. für Stressfrakturen) erhöht. Zudem sollte insbesondere bei Risikosportarten eine Abklärung bezüglich RED-S erfolgen (siehe Artikel von D. Braun Seiten 16–19 in diesem Heft). Der Blutdruck sollte nach einer Pause von 5–10 Mi- nuten an beiden Armen auf Herzhöhe gemessen wer- den. Dabei ist auf die richtige Manschettengrösse zu achten. Das Vorliegen eines Bluthochdrucks ist abhän- gig von Geschlecht, Alter und Grösse des Athleten und sollte bei einem Verdacht bestätigt und weiter abgeklärt werden [27]. Die Prävalenz einer Hypertonie bei Kin- dern und Jugendlichen liegt bei etwa 3,5% [28]. Über die Prävalenz einer Hypertonie bei Athleten lassen sich nur bedingt Aussagen machen [29]. Eine Hypertonie ist keine Kontraindikation für sport- liche Aktivität, vorausgesetzt, es bestehen keine End- organschäden wie linksventrikuläre Hypertrophie oder anderweitig begleitende Herzerkrankungen. Sportarten mit statischem und hohem Impact-Charakter (wie Ge- wichtheben, Ringen, Kunstturnen) beherbergen das Ri- siko, den diastolischen Blutdruck anzuheben. Diese soll- ten bei diagnostizierter Hypertonie pausiert werden, bis die Blutdruckwerte sich durch Lifestyle-modifizierende Massnahmen oder durch medikamentöse Intervention normalisiert haben. Habitus Vor allem ist auf Stigmata des Marfan-Syndroms, aber auch Stigmata möglicher anderer Syndrome (z.B. Ehlers- Danlos-, Noonan-, Ullrich-Turner-Syndrom) zu achten. Viele dieser Syndrome können mit kardiovaskulären bzw. vaskulären Veränderungen einhergehen, wie z.B. die Dilatation und Dissektion der Aorta ascendens beim Marfan-Syndrom. Kopf, Augen, Ohren, Nase, Hals – und Zähne Die Prüfung der Augen inklusive Visusprüfung kann für den Verlauf wichtig sein, wenn es um allfällige Seh- störungen, Motilitätsstörungen (wie Nystagmus) der Augen sowie Pupillendurchmesser (Anisokorie) nach Kopftraumata geht. Des Weiteren ergeben sich Kon- sequenzen aus einer deutlichen Visusminderung von 0.5 unilateral, hinsichtlich eines besonderen Schutzes des emmetropen Auges. Bei deutlichen Unterschieden des Visus zwischen den Augen ist eine Amblyopie mög- lich und bedingt weitere ophthalmologische Abklärun- gen. Eine Hörprüfung ist faktisch nicht Bestandteil einer SPU, könnte allerdings auch als Referenz nach allfäl- ligen Kopftraumata, bei auftretenden Hörschäden bei Schiesssportarten oder Kampfsportarten dienen. Die Zahngesundheit kann selbst auch bei Eliteathleten schlecht sein. Es fanden sich Karies (15–75%), Zahnero- sionen (36–85%) und Störungen des Zahnhalteapparates (15%) bei den untersuchten Sportlern [30]. Ein schlechter Zahnstatus kann zu rezidivierenden Infekten und zu mög- licher Leistungsminderung führen. Zudem kann er Hin- weise geben auf wiederholte Kopfverletzungen (Zahn- frakturen) oder mögliche Zahnschmelzdefekte aufgrund übermässigen Konsums von Sportgetränken oder mehr noch auf rezidivierendes Erbrechen im Rahmen einer Ess- störung (Bulimia nervosa, Binge-Eating-Störung). Thorax / Lunge Die klinischen Untersuchungen des Thorax und der Lungen geben Hinweise auf Deformationen wie Pectus excavatum, Pectus carinatum, Asymmetrien, Operatio- nen (Narben), Verletzungen (z. B. flache Atmung nach Rippenkontusion, -fraktur, Hämatome), auf akute oder chronische Erkrankungen (Bronchitis, bronchiale Obst- ruktion, Asymmetrien der Belüftung). Beim Pectus ex- cavatum gibt es zunehmend mehr Hinweise, dass die- se einen einschränkenden Einfluss auf die Lungen- und Herzfunktion beim Sport haben kann [31]. Eine tech- nische Untersuchung wie eine Spirometrie ist bei en- sprechenden anamnestischen und klinischen Hinwesen (siehe Artikel von D. Trachsel in diesem Heft) zu er- wägen.
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