KINDERÄRZTE.SCHWEIZ 3/2019
FORTB I LDUNG 03 / 2019 K I N D E R Ä R Z T E . SCHWEIZ 18 Speicheldrüsen, Bradykardie, arterielle Hypotonie und Läsionen am Zahnschmelz, Russel’s sign (Haut- und Na- gelveränderungen am zweiten und dritten Finger we- gen selbstinduziertem Erbrechen). Bestehen klare Hin- weise für eine Essstörung, sind weitere Abklärungen und die Einleitung einer allfälligen Therapie durch da- für spezialisierte Fachpersonen zu empfehlen. Ein Ruhe-EKG sollte immer verordnet werden. Sind die Athleten unter sportärztlicher Betreuung, liegen in der Regel Voruntersuchungen vor, die vor allem bei einer Bradykardie hilfreich sein können. Viele Athleten mit grossen Trainingsvolumen zeigen nicht pathologische Veränderungen im EKG wie zum Beispiel eine Brady- kardie. Dies zu berücksichtigen, um nicht unnötige kar- diale Abklärungen einzuleiten, dient sowohl dem Ath- leten als auch der Ökonomie. 4. Funktionsstörungen verursacht durch RED-S Wie in der Grafik 1 dargestellt, kann ein Energiedefi- zit zu vielfältigen physiologischen, aber auch zu psychi- schen Funktionsstörungen führen. Im Folgenden wer- den jene Krankheitsbilder beschrieben, die bei jungen Athleten in der pädiatrischen Praxis am häufigsten zu beobachten sind und auf ein RED-S als deren Ursache hinweisen können. Störungen der Pubertätsentwicklung werden im Leistungssport häufig beobachtet. In den ästhetischen Sportarten wie zum Beispiel im Kunstturnen ist jedoch nicht immer klar, ob eine konstitutionelle Verzögerung von Wachstum und Entwicklung zu einem Selektions- vorteil führt und deshalb überdurchschnittlich vor- kommt oder ob der grosse Trainingsumfang ursächlich ist für die Verzögerung. Stressfrakturen sind ein Hinweis auf eine verminder- te Knochendichte. Sie kommen sowohl bei Ausdauer- sportarten mit sehr grossem Trainingsumfang als auch bei Sportarten mit hoher negativer Beschleunigung, wie zum Beispiel im Kunstturnen bei Landungen, ge- häuft vor [9]. Eine verminderte Knochendichte kann jedoch nicht nur ein Hinweis auf mechanische Über- lastung, sondern auch auf ein Energiedefizit im Sinne eines RED-S sein. Nicht sportartspezifisch sind gehäufte Infekte und Ver- letzungen, die ebenfalls auf ein RED-S hinweisen können. 4.1 Störungen der Pubertätsentwicklung Findet keine Menarche bis zum 14. Lebensjahr statt und fehlt die Entwicklung der sekundären Geschlechtsmerk- male, spricht man von einer primären Amenorrhoe. Ebenso bei Fehlen der Menarche im Alter von 16 Jah- ren unabhängig von den Pubertätsstadien. Die sekundäre Amenorrhoe beschreibt ein Ausblei- ben der Menstruation bei davor regelmässig Menstru- ierenden über mehr als 6 Monate nach dem Ausschluss einer Schwangerschaft. Liegt die Zyklusdauer über 35 Tagen, spricht man von Oligomenorrhoe [10]. Dabei ist jedoch zu beachten, dass in den ersten beiden Jahren nach der Menarche häufig unregelmässige Zyklen auftreten können. Wird eine A- oder eine Oligomenorrhoe diagnostiziert, muss wie bei allen anderen Patientinnen nach der Ur- sache dafür gesucht werden. Wird ein RED-S festgestellt, muss das Energiedefizit behoben werden. Der Trainingsumfang muss redu- ziert werden, bis die Energiezufuhr dem Energiebe- darf entspricht. Konkret kann das bedeuten, dass man der Athletin aufzeigt, wie viel von der zugeführten Energiemenge für das Training übrigbleibt, nachdem der Grundbedarf abgezogen wurde. Damit übergibt man einen Teil der Verantwortung für den Wiederauf- bau des Trainings der Athletin. Da die Berechnungen von Grundumsatz und Energiebedarf für das Training schwierig sind, ist der Einbezug einer Sporternährungs- beratung sehr zu empfehlen. Wurde eine andere Ursache als ein RED-S für die Ame- norrhoe gefunden, wird selbstverständlich entsprechend behandelt. Bei Unsicherheit ist eine Beurteilung durch eine Kinder- und Jugendgynäkologin sicher sinnvoll. 4.2 Verminderte Knochendichte In der Adoleszenz wird die maximale Knochendich- te («peak bone mass») aufgebaut, danach erfolgt ein kontinuierlicher Knochenabbau. Eine verminderte Kno- chendichte ist eine schwerwiegende Funktionsstörung und kann zu frühzeitiger Osteoporose führen. Die Knochendichte hängt von vielen Faktoren ab. So- wohl ein RED-S wie auch ein Protein-, Vitamin-D- oder Calciummangel können eine verminderte Knochendichte verursachen. Ebenso kann ein Östrogenmangel im Rah- men einer Amenorrhoe zu einer solchen führen [11]. Hinweise für eine verminderte Knochendichte können Stressfrakturen oder Frakturen ohne adäquates Trauma sein. Bei einer Ess- oder Zyklusstörung mit Östrogen- mangel von mindestens 6 Monaten Dauer soll explizit nach durchgemachten Verletzungen gefragt werden. Zur Abklärung einer Osteoporose wird die Knochen- dichte («bone mineral density»: BMD:) mittels DEXA gemessen und bei Bedarf im Labor Parameter für den Knochenstoffwechsel bestimmt (Tabelle 1). Bei einer ersten Stressfraktur ohne Hinweise für ein Energiedefizit oder eine Zyklusstörung sind keine wei- teren Abklärungen notwendig. Eine Stressfraktur kann, wie die Bezeichnung «Marschfraktur» erahnen lässt, auch durch Überlastung ohne verminderte Knochen- dichte entstehen. Wird eine verminderte Knochendichte diagnostiziert, sind je nach Laborresultat die Ursachen zu beheben. Bei nachgewiesenem Mangel von Vitamin D und Calcium
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