KINDERÄRZTE.SCHWEIZ 3/2019
FORTB I LDUNG 03 / 2019 K I N D E R Ä R Z T E . SCHWEIZ 16 W eder fett noch rot, eher dünn und blass sind die jungen Athletinnen und Athleten. Sie hungern für sportlichen Erfolg, weil die Sportart mädchenhaft schlanke Sportlerinnen bevorzugt, eine tiefe Gewichts- klasse angestrebt wird oder der Trainer eine abwerten- de Bemerkung gemacht hat. 1. Einführung Female Athlete Triad (FAT) wurde 1992 erstmals vom American College of Sports Medicine beschrieben [1]. Definiert ist dieser Symptomenkomplex durch ein Ener- giedefizit mit oder ohne Essstörung, Zyklusstörungen und verminderte Knochendichte. Die Athletinnen kön- nen von einem einzigen, zwei oder allen drei Sympto- men betroffen sein [2, 3, 4]. Da sich obige Definition nur für Athletinnen eignet und ein Energiedefizit als gemeinsamer Auslöser der beobach- teten Funktionsstörungen erkannt wurde, hat das IOC 2014 den Begriff «Relative Energy Deficiency in Sports» (RED-S) eingeführt, der auch für männliche Athleten an- gewendet werden kann. Das RED-S ist definiert durch ein Energiedefizit, verursacht durch Sport, das zu vielfältigen physiologischen und psychischen Funktionsstörungen führen kann, unter anderem auch zu Zyklusstörungen und verminderter Knochendichte. Damit ist die Female Athlete Triad im RED-S mit eingeschlossen [5]. Ziel dieses Artikels ist es, Hinweise auf ein RED-S zu erkennen und das weitere Prozedere nach eigenen Fähigkeiten festzulegen. Vorgestellt werden im Folgen- den das im Zentrum stehende Energiedefizit, sei dieses ungewollt oder absichtlich herbeigeführt. Eingegangen wird auch auf Störungen von Wachstum und Entwick- lung, Zyklusstörungen und verminderte Knochendichte. In der Kinderarztpraxis sind dies die am ehesten zu be- obachtenden Folgen eines Energiedefizites. 2. Energieverbrauch im Sport Die Energiebilanz wird berechnet aus der täglichen Energieaufnahme mit der Nahrung minus dem Energie- verbrauch. Der Energieverbrauch setzt sich zusammen aus dem Grundumsatz und der körperlichen Aktivität. Der Grundumsatz ist abhängig von Alter, Geschlecht, Grösse und Gewicht. Der Goldstandard für die Berech- nung des Grundumsatzes ist die indirekte Kalorime- trie [6]. Die obige Berechnung der Energiebilanz ist für den pädiatrischen Alltag jedoch nicht praktikabel. Für den Praxisalltag empfiehlt sich, die Referenzwerte der Schweizerischen Gesellschaft für Ernährung (DACH-Re- ferenzwerte, [7]) zu nutzen oder den Grundumsatz von einer Ernährungsberaterin berechnen zu lassen. Ein pragmatischer Ansatz zur Abschätzung der Ener- giebilanz ist die Verwendung der Perzentilenkurven, vor allem der BMI-Kurven. Dafür sind regelmässige Kontrol- len von Gewicht und Länge nötig. Während des Wachs- tumsschubs sollten die Leistungssportler mit einem Trai- ningsaufwand von 10 Stunden und mehr regelmässig kontrolliert werden (s. Artikel SPU auf S. 21–25 in die- sem Heft). 2.1 Energiedefizit Wird ein Perzentilenverlust in der BMI-Kurve oder ein Defizit in der berechneten Energiebilanz festgestellt, sollen somatische und psychische Ursachen ausge- schlossen werden. Werden keine solchen Ursachen ge- funden, kann ein Energiedefizit und damit ein RED-S als Ausschlussdiagnose angenommen werden. Alle Athletinnen und Athleten können grundsätzlich ein Energiedefizit entwickeln. Gehäuft tritt dies jedoch in ästhetischen Sportarten (z.B. Eiskunstlauf, Kunsttur- nen, Rhythmische Sportgymnastik, Ballett), im Ausdauer- sport (Laufen, Schwimmen, Radsport) und in Sportarten mit Gewichtsklassen (z.B. Kampfsportarten, Rudern, Ski- springen) auf. Ein Energiedefizit kann durch erhöhten Energiever- brauch oder durch verminderte Energieaufnahme oder auch durch beides entstehen. FAT oder RED-S DR. MED. DORIS BRAUN, OBERÄRZTIN ADOLES- ZENTENMEDIZIN, UNIVERSITÄTS-KINDER- SPITAL ZÜRICH Korrespondenzadresse: doris.braun@kispi.uzh.ch Grafik 1 https://www.gots.org/blog/2018/02/04/stressreaktionen-‐frakturen/ Grafik 1: Einflussgrössen des «Relativen Energiedefizitsyndroms im Sport» (RED-S) auf verschiedene Funktionssysteme. Relative Energy Deficiency – RED-S
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