KINDERÄRZTE.SCHWEIZ 3/2019
BERUFSPOL I T I K 03 / 2019 K I N D E R Ä R Z T E . SCHWEIZ 14 Dr. med. Rolf Temperli, Vorstandsmitglied mfe, Bern Korrespondenzadresse: temperli-rossini@bluewin.ch Drückende Steine Verbandspolitik ist herausfordernd und kann auch beschwerlich sein, wie die Politik im Allgemeinen. Viele Steine liegen im Weg. Einige können umgangen, andere überklettert, wieder andere aus dem Weg geräumt werden. Herzlichen Dank all denen, die sich engagie ren. Herzlichen Dank auch all denen, welche diese Arbeit mit ihren Verbandsbeiträgen unterstützen. Und ein Aufruf an alle anderen, die aktiven Verbände mit dem Mitgliederbeitrag zu unterstützen und nicht einfach gratis mitzurollen. Meilensteine Tardoc ist eingereicht! Ein Projekt, das von vielen längst totgesagt wurde, konnte erfolgreich abgeschlossen werden. Allen Unkenrufen zum Trotz ist die Ärzteschaft handlungs- und kompromissfähig. Ein grosses Lob gebührt der FMH, speziell der Abteilung Ambulante Versorgung und Tarife, welche mit viel Hartnäckigkeit das Projekt Tarifrevision weiter verfolgt und mit viel Geduld und Wissen die Fachgesellschaften beraten und unterstützt hat. Zusammen mit Curafutura und MTK (Unfallversicherer) ist es gelungen, partner- schaftlich einen revidierten Tarif auszuarbeiten, der nun beim Bun- desrat zur Prüfung liegt. Das Resultat seiner Evaluation soll im Früh- jahr 2020 in die Vernehmlassung gehen. Unverdaubare Steine Ganz im Gegensatz zum Scheitern des ersten Tarifprojekts fand der jetzige Erfolg der Tarifpartner in den Medien kaum ein Echo. Einzig: «Er erlaubt den Ärzten, ihre Abrechnungen noch mehr zu optimieren. Auch das schlägt wieder auf die Prämien durch. Dass so etwas überhaupt dem Bundesrat vorgelegt wird, ist ein Ärgernis.» Dies die Verlautbarung von santésuisse, desjenigen Krankenversi- cherungsverbandes, welcher sich seit Jahren der vom Bundesrat ge- forderten Tarifrevision verschliesst und jegliche Entwicklung des Ta- rifs seit 15 Jahren blockiert. Curafutura und die MTK fordern eine Normierung des neuen Tarifs und wollen damit eine Anpassung der Preise blockieren, wohlwissend, dass die Berechnungen, auf denen der aktuelle Tarif beruht, 20 Jahre alt und somit die realen Kosten längst nicht mehr korrekt erfasst sind. Medizinische Fortschritte und höhere Löhne werden schlicht ausgeblendet, ebenso die Tatsache, dass pro Patient mehr MRI und mehr Endoskopien durchgeführt, mehr Prothesen und mehr Stents eingeführt und die Ansprüche von allen Seiten gestiegen sind. Haus- und Kinderärzte bleiben effektiv und kostengünstig. Trotzdem wird die Gesprächsdauer mit den Patienten limitiert, eine Grundforderung der Versicherer. Eine Normierung nach Vorstellung der Versicherer würde zu einer deut- lichen Verschlechterung der Situation der medizinischen Grund versorger führen. Kontraproduktiv und inakzeptabel! Schwere Steine Zweifellos steht das Gesundheitswesen vor grossen Herausforde- rungen. Was soll und kann finanziert werden und von wem? Ge- spannt warten wir auf die Verordnung der ersten bundesrätlichen Massnahmen zur Kostendämpfung im Gesundheitswesen. mfe hat sich ausführlich damit beschäftigt und eine detaillierte Stellungnah- me abgegeben. Eine zweites Massnahmenpaket wird demnächst in die Vernehmlassung geschickt werden. Die Plafonierung der Ge- sundheitskosten wird von vielen Seiten gefordert, die Auswirkun- gen solcher Massnahmen aber tunlichst ausgeblendet. Gesundheit kostet! Gesundheit nützt! Rollende Steine Noch wird gerechnet. Noch wissen wir nicht, wie sich die Kranken- kassenprämien im nächsten Jahr verändern werden. Konnte das Sparziel des Bundesrates mit seinem zweiten Tarifeingriff erreicht werden? Wer bezahlt die Zeche? Bereits hat santésuisse mit dem von ihr bekannten Alarmismus vor Prämienschüben in der Grössen- ordnung von 30% in den nächsten Jahren gewarnt. Tatsächlich kosten nicht nur die Alterung der Bevölkerung, der medizinische Fortschritt und die überfällige Anpassung des ambu- lanten Ärztetarifs. Jede erbrachte Leistung kostet. Ihr Nutzen wird uns von den Krankenkassen nie vorgerechnet. In Zukunft sollen auch Psychologinnen und Pflegende selbstständig Leistungen ab- rechnen dürfen. Die Apotheker bemühen sich darum. Aktuell in der Vernehmlassung ist die «Neuregelung der psycho- logischen Psychotherapie im Rahmen der obligatorischen Kranken- pflegeversicherung (OKP) und Anpassung der Zulassungsvoraus- setzungen der Hebammen sowie der Personen, die auf ärztliche Anordnung hin Leistungen erbringen»: Die Psychotherapeutinnen sollen neu auf Anordnung des Arztes (analog der Physiotherapie) arbeiten und selbstständig abrechnen können. Auch die vom SBK (Schweizerischer Berufsverband der Pflege- fachkräfte) lancierte Pflegeinitiative, die von mfe unterstützt wird, und der Gegenvorschlag des Parlaments werden aktuell diskutiert. Artikel 117 der Bundesverfassung (ihr erinnert euch!) soll einen wei- teren Abschnitt erhalten, welcher den Bund auffordert, die Pflege als wichtigen Bestandteil der Gesundheitsversorgung anzuerkennen und zu fördern, sie in hoher Qualität allen zugänglich zu machen und eine genügende Anzahl Pflegefachpersonen sicherzustellen. Am 12. September wird die Initiative «JA zum Schutz der Kin- der und Jugendlichen vor Tabakwerbung» eingereicht werden. Eine Initiative, die es bei der Ärzteschaft leider und erstaunlicherweise ziemlich schwer hatte. Einzelne Kantone haben nicht mehr als ein Dutzend Unterschriften zusammengebracht. Warum? Die Apotheken haben lediglich im Vorfeld vollmundige Verspre- chen abgeliefert, in der Sache total versagt, gleichzeitig aber erfolg- reich für ihre Petition «auch morgen medizinisch gut versorgt» ge- sammelt. Liegt doch das eigene Portemonnaie immer am nächsten? Andere Schlussfolgerungen? Und, zu guter Letzt: Nach einem kurzen Intermezzo rollen sie wieder. Zum Beispiel am 31. August in Miami, Florida, noch kurz vor der KIS-Jahrestagung in Sursee und dem mfe-Jubiläumssymposium vom 26. September in Bern. Aber: Darf man einem 76-jährigen Sänger, der mit seiner Gesund- heit viele Jahre lang wenig sorgsam umgegangen ist, noch eine neue Herzklappe einsetzen? Damit er weiter Konzerte geben kann? Weil er immer noch ein Wirtschaftsfaktor ist? Weil er viele Kinder hat? Weil er auch in hohem Alter für gute Unterhaltung und Nos talgie sorgt? Oder weil er selber bezahlt? ■
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