K I N D E R Ä R Z T E. SCHWEIZ 61 01 / 2019 ERFAHRUNGSBER I CHT Am 8. November 2018 fand in Luzern ein Fortbildungstag in Kinder- und Jugendgynäkologie für Pädiater/-innen statt. Unter der Leitung von Dr. med. Antje Hugi führten uns die beiden höchst kompetenten Referentinnen Dr. med. Irène Dingeldein (Universitässpital Bern) und Dr. med. Ruth Draths (Praxis in Sursee) durch die verschiedenen Themen. Im ersten Vortrag referierte Ruth Draths über Blutungsstörungen: Wichtig ist es, die Menstruation positiv zu besetzen und als Zeichen eines gesunden Körpers zu werten. Wie immer ist die Anamnese von grosser Bedeutung; oft erzählt die Jugendliche allein etwas anderes. Abklärungsbedürftig sind: fehlende Menarche über 3 Jahre nach Thelarche; keine Menarche bis 15 Jahre; unregelmässige Menstruation nach primär regelmässigen Zyklen; Zyklen kürzer als 21, länger als 45 Tage; fehlende Menstruation für 90 Tage; zu lange Blutung (>7 Tage); zu starke (alle 1–2 Std. Bindenwechsel) oder sehr schmerzhafte Blutungen. Die Einteilung erfolgt in akute und in chronische Blutungsstörungen (chronisch rez. Anovulation, PCO-Syndrom, Schilddrüsenkrankheiten, Gerinnungsstörung und uterine Fehlbildung). Bei Zwischenblutungen muss immer eine Chlamydien- Infektion ausgeschlossen werden. Neben der klinischen Untersuchung braucht es einen Ultraschall und eine Blutuntersuchung (an von Willebrandfaktormangel denken!). Therapeutisch werden primär zur Reduktion der Blutungsmenge Cyklokapron® (Tag 1: 3–4×1g, Tag 2 evtl. Tag 3: 3×1g) und bei Dysmenorrhoe NSEH eingesetzt, eventuell ist eine Regulation des Zyklus durch Kontrazeptiva nötig. Wichtig ist die Führung eines Zykluskalenders. Im zweiten Vortrag (Irène Dingeldein) ging es um ein sehr häufiges Praxisproblem: Entzündungen der Vulva. Ihr «Patentrezept» bei fast allen unspezifischen Vulvitiden ist fetten, Balmandolbad® und eine probatorische Oxyurenbehandlung. Infrage kommen bei den selteneren spezifischen Fällen auch Streptokokken-B-Infekte oder (meist überdiagnostiziert) Candida. Bei der Vulvasynechie kann bei Bedarf eine Behandlung mit Oestrogensalbe 2× tägl. für 14 Tage erfolgen, muss aber nicht! Nicht selten tritt der Lichen sklerosus auf (Juckreiz, weissl. Hautveränderungen, symmetrisch, Mitbeteiligung Anus, Rhagaden, Hautdefekte, Einblutungen und Hyperkeratosen), Behandlung mit Kortikosteroiden und fetten. Infrage kommen zusätzlich Ekzeme oder Psoriasis, bei Jugendlichen Herpes genitalis. In den Workshops wurde einerseits der Ablauf einer Untersuchung bei Verdacht auf sexuellen Missbrauch präsentiert: ein schwieriges Gebiet, das in die Hände von Profis gehört, denn oft sieht man nichts und es heilt bei Kindern schnell ab. Daran denken, das Kind schützen und nicht traumatisieren – Hilfe holen! Andererseits wurden verschiedenartige genitale Fehlbildungen vorgestellt (Hymenalatresien, Vaginalsepten etc.) sowie eindrücklich Jugendliche mit MRKH (Mayer-RokitanskiKüster-Hauser-Syndrom), das heisst mit kompletter Vaginal- und Uterusaplasie! Im letzten Vortrag ging es um das grosse Thema der Verhütung. Die Auswahl der Präparate ist gross, bezüglich Komplikationen (wie Thrombosen) gilt es aufzuklären. Hilfreich hierbei sind die Protokolle der SGGG sowie Expertenbriefe, in der Praxispädiatrie fehlt oft die Erfahrung damit (dies gilt sicher für mich). Fazit: Beide Referentinnen konnten uns ihre Faszination für und ihr grosses Fachwissen in der Kinder- und Jugendgynäkologie vermitteln und viel Brauchbares für die Praxis mitgeben. ■ HILFREICHE INTERNETADRESSEN: www.gynea.ch (Schweizerische Arbeitsgemeinschaft für Kinder- und Jugendgynäkologie) www.firstlove.ch (Präventionsprojekt für Jugendliche unter der Leitung von Frau Dr. Ruth Draths) www.sggg.ch (Schweizerische Gesellschaft für Geburtshilfe und Gynäkologie, insbesondere Expertenbrief 35: Orale Antikonzeption) www.sex-i.ch Aktuelle und fachlich abgestützte Informationen zu Themen der sexuellen Gesundheit in vielen Sprachen DR. MED. FRANZISKA STAEHELIN BÜRGEL, LENZBURG Korrespondenzadresse: franziska.staehelin@hin.ch Fortbildungstag Kinder- und Jugendgynäkologie für Pädiater vom 8. November 2018
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