01 / 2019 FORTB I LDUNG K I N D E R Ä R Z T E. SCHWEIZ pitalisationen sind bei schwangeren Teenagern häufiger nötig, vor allem, wenn die soziale Unterstützung fehlt. Präeklampsie, Frühgeburtlichkeit und Untergewicht sind in der internationalen Literatur ebenfalls signifikant gehäuft, ebenso Infektionen (Chorioamnionitis, HWI). STD, insbesondere Chlamydieninfektionen sind nicht zu unterschätzen, sodass ein wiederholtes Screening empfehlenswert ist. Die Sektiorate ist nicht erhöht, oft gebären Adoleszente spontan und problemlos. Je nach psychosozialer Situation kann sich eine prä- und postnatale Unterbringung in einer Mutter-Kind-Institution anbieten. Mutter sein im jungen Alter zieht weitere psychosoziale Konsequenzen mit sich: Nicht selten erfolgt ein Ausschluss aus der Herkunftsfamilie und Peergruppe. Die Adoleszenz wird in einer frühen Phase abrupt beendet. Gelegentlich muss die Schule oder Lehre abgebrochen werden, eine fehlende Ausbildung kann zu einem niedrigen sozioökonomischen Status, Arbeitslosigkeit und Abhängigkeit von Familie oder Staat führen. Dies wiederum erhöht das Risiko für Vernachlässigung, Kindsmisshandlung und Entwicklungsstörungen des Kindes, daher ist die Anbindung an die Kinderschutzgruppe und die Errichtung einer Beistandschaft wichtig. Heute bestehen in der Schweiz viele Unterstützungsmöglichkeiten, die frühzeitig eingeleitet werden sollen. Fazit Ungeplante Schwangerschaften können auch bei bester Prävention nicht verhindert werden, denn sexuelle Aktivität ist nicht immer planbar. Eine liberale Haltung gegenüber Sexualaufklärung in Familie und Schule und niederschwellige Beratungsangebote durch Internet, Fachstellen und Arztpraxen bieten den Jugendlichen die Möglichkeit, sich adäquat über Sexualität und wie sie gesund gelebt werden kann zu informieren. Weiter ermöglichen sie die Etablierung einer passenden Ver- hütung. Auch Knaben resp. Partner sollen ins Beratungsangebot einbezogen werden. Es lohnt sich, beide auf die gemeinsame und geteilte Verantwortung aufmerksam zu machen. Jugendliche mit einer Biografie von wiederholten Abbrüchen in Schule, Familie und Institutionen sind schwierig zu begleiten und erfordern ein proaktives Vorgehen der involvierten Fachpersonen. Ein transdisziplinärer Austausch mit Definition eines Casemanagers ist dann besonders wichtig. Kinder- und Jugendärztinnen kennen die Familie und die Patientin oft seit früher Kindheit und sind dazu prädestiniert, einen aktiven Beitrag zur Prävention von TS zu leisten, insbesondere durch die Etablierung einer Verhütung und das Erfassen des Risikos für eine Schwangerschaft. Bei Teenagern mit fehlender Unterstützung vom Elternhaus ist das Beratungsangebot in der pädiatrischen Praxis niederschwelliger, da die Jugendliche keine zusätzliche frauenärztliche Arztrechnung gegenüber den Eltern rechtfertigen muss. Fallvignette Die 13,5-jährige Sandra wird aufgeregt von ihrer Oberstufenlehrerin angemeldet. Der Lehrerin ist aufgefallen, dass die Jugendliche sich beim Treppensteigen wie eine Schwangere bewegt. Die Jugendliche ist etwas adipös, sodass die Grösse des Bauches schwierig abzuschätzen sei. Die Lehrerin spricht Sandra auf eine mögliche Schwangerschaft an, sie weiss, dass Sandra einen Freund hat. Sandra bejaht ihr gegenüber die Schwangerschaft, wünscht jedoch, dass die Mutter möglichst spät davon erfährt. Die Mutter ist alleinerziehend und vom Sozialamt abhängig, Sandra hat mehrere Halbgeschwister. Bei der ersten Konsultation zwei Wochen später ist Sandra anam- nestisch in der 32. SSW, dyspnoisch, hat eine Anämie von 8 g/dl. Die Schwangerschaft war nicht geplant, aber sekundär akzeptiert, auch von ihrem 15-jährigen Freund. Glücklicherweise hat Sandra eine Beiständin, sodass sofort konstruktive Lösungen gefunden werden. Die letzten vier Wochen vor der Geburt und drei Monate postnatal verbringt Sandra in einer Mutter-Kind-Institution. Sie beendet die Oberstufe. Sie kann aber mit ihrem Sohn nicht in der Ursprungsfamilie leben und wohnt später wieder in einer Mutter-Kind-Institution. Fallvignette Celine ist eine knapp 17-jährige Jugendliche, die sexuell aktiv ist. Sie verhütet mit der Gestagenpille wegen einer Migräne mit Aura. Celine hat einen festen gleichaltrigen Partner und hatte in der Vorgeschichte bereits eine Chlamydieninfektion. Aktuell ist sie im 2. Lehrjahr zur Detailhandelsangestellten und unglücklich wegen fehlender Wertschätzung am Arbeitsplatz. Seit Längerem erhält sie eine psychologische Unterstützung wegen der depressiven Krise. Ihr Ziel ist der Abschluss der Lehre, möglichst baldige Eigenständigkeit und Auszug aus der Familienwohnung. Celine meldet sich bei ihrer Kinderärztin wegen Nausea. Sie hat die Pille nicht mehr eingenommen, angeblich weil sie das Pillenrezept verloren hatte. Der Schwangerschaftstest ist positiv. Celine entscheidet sich gegen das Austragen der Schwangerschaft, eine medikamentöse Interruptio wird eingeleitet. Nach dem Schwangerschaftsabbruch wird eine sichere Verhütung mit dem Gestagenimplantat vereinbart. Fallvignette Eindrücklicher Dokumentarfilm über Salome, welche die junge Mutterschaft akzeptierte und mit grosser Unterstützung ihrer Familie die Schule und Ausbildung bewältigte. (https://www.srf.ch/sendungen/reporter/ salome-ein-kind-wird-mutter) Literatur bei der Verfasserin erhältlich ■ 45
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