FORTB I LDUNG 01 / 2019 K I N D E R Ä R Z T E. SCHWEIZ 40 werden. Auch muss nach der derzeitigen Medikation, nach Gewichtsveränderungen, Akne und Hirsutismus, nach endokrinologischen Erkrankungen (Schilddrüsenerkrankungen, Hyperprolaktinämie) bzw. auch anderen chronischen Erkrankungen (z. B. Zoeliakie) ge- fragt werden [2]. Fragen nach Fieber, Unterbauchschmerzen, nach vaginalem Fluor oder auch nach Traumata müssen gestellt werden. Nach Hinweisen für eine Blutgerinnungsstörung [1] muss gesucht werden (beidseitige Epistaxis von mehr als 10 Minuten Dauer, verlängerte und starke Nachblutung nach Zahnextraktion, Hämatome von über 2 cm Durchmesser ohne Trauma, unerwartet starke Blutungen nach Bagatellverletzungen oder auch nach operativen Eingriffen, Blutungen aus dem Gastrointestinaltrakt ohne Nachweis von Läsionen). Bei der Familienanamnese sollte auch nach Gerinnungsstörungen und nach dem Zeitpunkt der Menarche der Kindsmutter gefragt werden. Klinische Untersuchung Eine allgemein-pädiatrische Untersuchung einschliesslich Tanner-Stadien sollte immer durchgeführt werden. Auf das Vorhandensein von Akne, Hirsutismus und Acanthosis nigricans (Hinweise für PCO-S) sollte geachtet und die Schilddrüse palpiert werden [4]. Die Notwendigkeit einer gynäkologischen Untersuchung richtet sich nach der Anamnese (z. B. sexuelle Aktivität, Verdacht auf Fremdkörper, Trauma, sexuell übertragbare Erkrankung) und den aktuellen Beschwerden. Aufgrund der Seltenheit von strukturellen Anomalien als Ursache der AUB bei Jugendlichen ist eine initiale Ultraschalluntersuchung nicht obligat [6], kann aber bei manchen Fragestellungen (z. B. Endometriumdicke) hilfreich sein. Labor Bei allen Jugendlichen mit einer AUB sollte immer neben einem Schwangerschaftstest ein komplettes Blutbild einschliesslich Zelldifferenzierung und Thrombozytenzahl sowie der Ferritinwert bestimmt werden. Bei Verdacht auf eine endokrinologische Ursache werden folgende weitere Abklärungen empfohlen: TSH (Ausschluss Schilddrüsenfunktionsstörung), Prolaktin (Ausschluss Hypophysenadenom), Totales und ggf. auch freies Testosteron (Totales Testosteron häufig erhöht bei einem polyzystischen Ovarsyndrom), Dehydroepiandrosteronsulfat (Ausschluss Nebennierenrindentumor) sowie frühzyklisch LH, FSH und Oestradiol (Beurteilung der Hypophysen- bzw. der Ovarfunktion). Die Abklärung einer Blutgerinnungsstörung wird empfohlen bei bereits seit der Menarche bestehender anämisierender AUB, bei bekannter Blutgerinnungsstörung in der Familie und falls sich weitere Hinweise aus der persönlichen Anamnese (s. o.) ergeben. Therapie Verschiedene nicht hormonelle und hormonelle Behandlungsmöglichkeiten stehen zur Verfügung. Ziel der Behandlung ist es, eine allfällige Blutung zu stoppen, die Periodenfrequenz zu normalisieren sowie die Blutungsstärke zu reduzieren, um so die Lebensqualität der Jugendlichen zu verbessern. Falls eine zugrundeliegende Ursache gefunden wurde, muss diese entsprechend der Richtlinien behandelt werden [2]. Ein Eisenmangel mit bzw. ohne Anämie muss behandelt werden. Neben der Schwere des Blutverlustes und des subjektiven Leidensdruckes der Jugendlichen müssen die Wünsche der Patientin und deren Eltern bei der Therapiewahl mitberücksichtigt werden (Kontrazeptionsbedarf, Angst vor Nebenwirkungen von Hormonen etc.?). In der Praxis muss bei Weitem nicht jede AUB behandelt werden. Bei normwertigem Hb und allenfalls leichtem Eisenmangel reicht häufig eine gute Aufklärung, das Führen des Menstruationskalenders sowie eine Eisensubstitution und eine Kontrolluntersuchung nach 3 Monaten aus. Zusätzlich kann die Gabe von Mönchspfeffer (1× tgl. 1 Tablette über 3 bis 6 Monate) die Normalisierung des Zyklus unterstützen. Der Wirkmechanismus ist dabei nicht geklärt. Bei Erwachsenen konnte gezeigt werden, dass die Gabe von nichtsteroidalen Entzündungshemmern (NSAR) zu einer Reduzierung der Blutungsstärke von 20 bis 50% führen kann. Daher wird auch bei Jugendlichen die Gabe von NSAR zur Reduzierung der Blutungsmenge empfohlen [5]. Die Gabe von Antifibrinolytika (Tranexamsäure) in einer Dosierung von 3 bis 4× tgl. 1000 mg während der ersten drei Tage der Menstruation ist vor allem für Jugendliche sinnvoll, die keine Hormontherapie wünschen. Es gibt Hinweise, dass Tranexamsäure die Blutungsstärke fast gleich gut wie kombinierte orale Kontrazeptiva reduziert, allerdings ohne Regulierung des Menstruationszyklus und Reduzierung der Blutungstage. Obwohl sich die Hinweise für ein erhöhtes Thromboserisiko durch die Gabe von Tranexamsäure nicht erhärten liessen [5], ist Vorsicht bei der Gabe geboten, da sich uneinheitliche bzw. widersprüchliche Empfehlungen in der Literatur finden. Ein erhöhtes Thrombose- risiko bei der Patientin ist laut [2] eine Kontraindikation für die Gabe. Kombinierte orale Kontrazeptiva (KOK) gelten weiterhin als Mittel der Wahl zur Behandlung der AUB bei Jugendlichen, insbesondere bei gleichzeitigem Kontrazeptionsbedarf, sofern keine Kontraindikationen gegen die Einnahme von oestrogenhaltigen Präparate bestehen. Häufig verschrieben und gut geeignet sind KOK mit 30 μg Ethinylestradiol und 0,15 mg Levonorgestrel. Für Jugendliche mit Kontraindikationen gegen KOK oder für diejenigen, die diese ablehnen, stehen Gesta-
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