KINDERÄRZTE.SCHWEIZ 1/2019

01 / 2019 FORTB I LDUNG K I N D E R Ä R Z T E. SCHWEIZ 39 ner primären Amenorrhoe. Das bedeutet für die Praxis, dass der Zeitpunkt der Thelarche immer gut dokumentiert werden sollte und ggf. eine Amenorrhoe-Abklärung auch schon weit unter dem Alter von 15 Jahren durchgeführt werden muss. Auch das Fehlen von Pubertätszeichen im Alter von 13 Jahren gilt als unnormal und muss abgeklärt werden [4]. Neben der häufig vorkommenden konstitutionellen Verzögerung von Wachstum und Entwicklung muss bei der primären Amenorrhoe vor allem an chronische Erkrankungen und an die funktionelle hypothalamische Amenorrhoe (Gewichtsveränderungen, Essstörungen, Stress, exzessiver Sport) und an Fehlbildungen der inneren Genitalien (Hymenalatresie) gedacht werden [4, 5].  Das Ausbleiben der Monatsblutung über 90 Tage ab dem Zeitpunkt der Menarche bzw. spätestens 1 Jahr nach der Menarche wird mehrheitlich in der Literatur als sekundäre Amenorrhoe bezeichnet und ist abklärungsbedürftig. Häufige Differentialdiagnosen für die sekundäre Amenorrhoe sind neben der funktionellen hypothalamischen Amenorrhoe vor allem Schwangerschaften und das PCO-S [4, 5].  Zur initialen Diagnostik der Amenorrhoe gehört ein Schwangerschaftstest, da einige Jugendliche ihre sexuelle Aktivität verheimlichen. Auch die Kontrolle bzw. das Anlegen einer Längen- und Gewichtskurve ist hilfreich, da sich häufig eine Essstörung bzw. eine Gewichtsveränderung hinter einer Amenorrhoe verbirgt. Die System- anamnese muss Fragen nach Akne, Hirsutismus, Stuhlgewohnheiten, Bauch- und Kopfschmerzen, Gesichtsfeldveränderungen, Galaktorrhoe und vaginalem Ausfluss enthalten. Anamnestisch sollte immer auch nach sozialen Stressoren, nach der psychischen Befindlichkeit, nach Essgewohnheiten und nach der sportlichen Aktivität gefragt werden. Es lohnt sich dabei sehr, sich ausreichend Zeit für die psychosoziale Anamnese zu nehmen und allenfalls die Jugendliche mehrfach einzubestellen. So hat man bessere Chancen, auch Krankheiten zu entdecken, die sonst auf dem ersten Blick häufig verpasst werden. Eine Amenorrhoe kommt z. B. auch bei normalgewichtigen Mädchen mit einer Bulimie vor [4]. Abnormale uterine Blutung (AUB) Nach der Empfehlung der International Federation of Gynecology and Obstetrics (FIGO) werden sämtliche Abweichungen des Menstruationsvolumens, der Regelmässigkeit und der Blutungsdauer bei nicht schwangeren Frauen als abnormale uterine Blutungen bezeichnet. Begriffe wie Hypermenorrhoe, Polymenorrhoe, Metrorrhagie u.a. sollten aufgrund ihrer nicht immer eindeutigen Definitionen möglichst nicht mehr verwendet werden [3].  Die FIGO definiert die Ätiologie der AUB mithilfe der PALM-COEIN Klassifikation [7]. Dabei steht PALM für strukturelle Ursachen (Polyp, Adenomyosis, Leiomyoma, Malignancy, Hyperplasia), die im Jugendalter nur in 1,3 bis 1,7% der Fälle als Ursachen gelten. COEIN ist das Acronym für die im Jugendalter überwiegend vorkommenden nicht strukturellen Ursachen (Coagulopathy, Ovulatory dysfunction, Endometrial, Iatrogenic and Not Yet classified) [1].  Als Hauptgrund für eine AUB im Jugendalter gelten anovulatorische Zyklen (bis zu 85% der Zyklen im 1. Jahr nach der Menarche) aufgrund der Unreife der Hypothalamus-Hypophysen-Ovarachse. Dabei handelt es sich um eine Ausschlussdiagnose. Mögliche Differentialdiagnosen sind neben einer Schwangerschaft und deren Komplikationen auch Blutgerinnungsstörungen, Infektionen im Urogenitaltrakt und endokrinologische Erkrankungen wie das Polyzystische Ovarsyndrom und Schilddrüsenerkrankungen (vgl. Tabelle 2). Abklärung In der Praxis muss primär beurteilt werden, ob aufgrund einer akuten Blutung bereits eine hämodynamische Instabilität besteht oder zu befürchten ist. In dem Fall muss die Patientin unter Berücksichtigung der üblichen Notfallregeln einem Spital zugewiesen werden. Bei allen anderen Patientinnen kann wie folgt vorgegangen werden. Anamnese Neben der sorgfältigen Menstruationsanamnese sollten in Abwesenheit der Eltern Fragen zur sexuellen Aktivität bzw. zur Einnahme von Kontrazeptiva gestellt Tabelle 2: Differentialdiagnosen der AUB bei Jugendlichen (adaptiert nach 4 und 10) Schwangerschaft: Komplikationen (Abort, Ektope Schwangerschaft) Hämatologisch: Blutgerinnungsstörungen Thrombozytopenie Plättchenfunktionsstörungen Endokrinologisch: Polyzystisches Ovarsyndrom Hypo- und Hyperthyreose Hyperprolaktinämie Nebennierenerkrankungen Trauma: Sexueller Übergriff Verletzung Fremdkörper Medikamente: Kontrazeptiva Psychopharmaka Antikoagulantien Plättchenaggregationshemmer Infektionen: Pelvic inflammatory disease Chlamydien Andere: Polypen Tumore Zysten des Ovars Hämangiome Ovulationsblutung Endometriose

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