KINDERÄRZTE.SCHWEIZ 1/2019

01 / 2019 FORTB I LDUNG K I N D E R Ä R Z T E. SCHWEIZ 35 Abb. 12: Hymen bifenestratus – Untersuch mit Traktionsmethode (Quelle: R. Hürlimann). Abb. 13: Hymenal- und Vaginalseptum (Quelle: R. Hürlimann). Eine Intervention ist erst nach dem Beginn der Pubertät notwendig. Mit dem Einsetzen der Thelarche bleiben 2–3 Jahre Zeit bis zur ersten Menstruationsblutung. Eine chirurgische Korrektur sollte erst bei deutlicher Östrogenisierung erfolgen, um ein optimales Resultat ohne stenotische Vernarbungen zu erreichen. • seit 2 Tagen starke Bauch- und Rückenschmerzen • seit mind. 5 Tagen kein Stuhlgang mehr, Stuhldrang • seit 7 Stunden Harnverhalt, starker Harndrang. CAVE Thelarche vor ca. 2 Jahren Isolierte Fehlbildungen der Scheide kommen selten vor. Beim Vorliegen eines Hymen bifenestratus muss aber immer daran gedacht werden. Sollte sich die Gewebebrücke in die Scheide fortsetzen, ist eine Sonografie zum Ausschluss eines longitudinalen Vaginalseptums indiziert. Letztere sind häufig mit Doppelfehlbildung des Uterus vergesellschaftet. Ätiologisch liegt diesen Fehlbildungen eine fehlende Fusion der Müller-Gänge zugrunde. Die komplexeren Fehlbildungen der Vagina oder auch die Aplasie der Vagina bilden den Übergang zu den Fehlbildungen des oberen Genitaltrakts. Abb. 14: Uterus didelphis bicollis mit nicht obstruierendem Vaginalseptum [3]. Teaching points Hymenalatresie • Pubertätsstadien bestimmen, nach Fluor fragen • Genitale Untersuchung: Inspektion/Separation/Traktion • Bei fehlender Vaginalöffnung transabdominale Sonografie • keine laborchemischen Abklärungen notwendig Seit 3 Monaten rezidivierende Unterbauch- und Rückenschmerzen CAVE Thelarche und Pubarche vor mehr als 2 Jahren 2.2 Oberer Genitaltrakt Fall II – Mädchen 13-j. mit Bauchschmerzen Das 13-jährige Mädchen stellt sich mit stärksten Bauchschmerzen auf unserer Notfallstation vor. Es wird der Verdacht auf eine Obstipation gestellt, abführende Massnahmen bringen keine Besserung. In der transabdominalen Sonografie findet sich eine grosse Raumforderung im kleinen Becken.  Es erfolgt die gynäkologische Mitbeurteilung auf der Notfallstation. Anamnestisch gibt die Patientin an, bereits seit 1½ Jahren regelmässig zu menstruieren. Zudem leidet sie an mässiger Dysmenorrhoe und ist nach der Menstruation immer auffallend verstopft. Tampons kann sie problemlos einführen. Bereits intrauterin wurde bei ihr eine Nierenagenesie rechts festgestellt. Abb 15: Hämatokolpos bei OHVIRA Syndrom (Quelle: R. Hürlimann). Bei unserer Patientin handelt es sich um ein OHVIRA- Syndrom = obstructed hemivagina ipsilateral renal agenesis/dysgenesis, nach den Erstbeschreibern auch HWW-Syndrom (Herlyn-Werner-Wunderlich) genannt. Dieser kombinierten urogenitalen Fehlbildung liegt eine inkomplette Fusion der Müller-Gänge zugrunde. Es entstehen Doppelfehlbildungen unterschiedlichen Ausmasses. Nach Einsetzen der Menarche kommt es zu einem Rückstau des Menstruationsblutes in den obstruierten Hemiuterus. Diese Mädchen menstruieren regelmässig durch den Abfluss über die nicht obstruierte Seite (Abb. 16).  Mit der Zeit entwickeln sie Bauchschmerzen infolge des Rückstaus. Das Leitsymptom Schmerz führt zur Diagnose bei den Jugendlichen. Die Schmerzen können kontinuierlich vorhanden sein oder in regelmässigen Abständen analog zu den Menstruationen. Fehlbildungen ohne Abflussstörungen werden häufig erst im Reproduktionsalter infolge von Fertilitätsproblemen entdeckt.  Es erfolgte die operative Korrektur mit einem komplikationslosen postoperativen Verlauf. Siehe Abbildung 11 Siehe Abbildung 10

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