K I N D E R Ä R Z T E. SCHWEIZ 25 01 / 2019 BERUFSPOL I T I K mit der nötigen Distanz zu sehen. Das Leben mit kleinen Kindern ist zwar sehr anstrengend und intensiv, gleichzeitig aber auch unglaublich bereichernd. HZ: Wer, was oder welches Schlüsselerlebnis hat dich auf deinem Weg zur Praxispädiaterin und in die Berufspolitik nachhaltig beeinflusst? NR: Ein prägendes Erlebnis war sicherlich der WONCAKongress (World Organisation of Family Doctors), der 2009 in Basel stattfand. Ich bin dort eher zufällig gelandet, weil das Organisationskomitee im Rahmen eines Projektes Schweizer Medizinstudenten eingeladen hatte. Der Enthusiasmus und die Begeisterung für ihren Beruf von all diesen Grundversorgern aus den verschiedensten Ländern haben mich mitgerissen. Inspiriert durch die europäischen Jungärzteorganisationen wurde dort auch der Verein der Jungen Hausärzte Schweiz gegründet, wo ich von Anfang an mit dabei war. Eine Schlüsselperson warst und bist auch du! Während der Praxisassistenz bei dir durfte ich erstmals in den Praxisalltag eintauchen; du hast mir vorgelebt, dass man Beruf, Familie und Berufspolitik tatsächlich miteinander vereinbaren kann und du hast mich immer wieder angestupst und ermutigt, selber aktiv zu werden. HZ: Was braucht es aus deiner Sicht, damit sich mehr junge Medizinstudenten vom Virus der Haus- und Kinderarztmedizin anstecken lassen? NR: Gute Vorbilder, resp. dass sie mit solchen überhaupt erst mal in Kontakt kommen! Hier können wir uns eine grosse Scheibe von den Hausärzten abschneiden: Sie haben es geschafft, dass an vielen Unis Vorlesungen von Hausärzten und die Hausarztpraktika von Anfang an zum Curriculum gehören. Das müssten wir auch für die Praxispädiatrie erreichen. HZ: Welche Rolle in der Entscheidungsfindung spielt das Praxisassistenzjahr? NR: Meiner Meinung nach ist es absolut essenziell! Es ist schwierig, seinem Berufswunsch Hausarzt/Kinderarzt treu zu bleiben, wenn man während Jahren nur im Spital arbeitet und erst noch ständig gesagt bekommt, dass die da draussen in den Praxen keine Ahnung von der richtigen Medizin hätten und man ohne klares Ziel einer Subspezialisierung sowieso nirgends hinkomme! Für mich persönlich war die Praxisassistenz bei dir in der Mitte meiner Weiterbildungszeit Gold wert, wenn sie auch aus organisatorischen Gründen nur kurz war. Ich wollte schon immer in die Praxis, war aber plötzlich verunsichert, ob denn meine Vorstellungen von Grundversorgermedizin überhaupt der Wirklichkeit entsprechen. Der Realitätsabgleich zu diesem Zeitpunkt hat mich in meinem Vorhaben bestärkt und war auch dabei hilfreich, den Rest meiner Weiterbildung am Spital entsprechend zielgerichtet zu planen. HZ: Warum denkst du, dass sich nach wie vor zu wenig Medizinstudenten für die Haus- oder Kinderarztmedizin entscheiden? NR: In dieser Hinsicht ist schon viel erreicht worden: Das Image der Grundversorger hat sich inzwischen klar verbessert, ein neues Selbstbewusstsein ist gewachsen und gemäss Umfragen entscheiden sich heute wieder deutlich mehr Medizinstudenten für die Praxismedizin als früher. In der Pädiatrie sind aber die raren Stellen an den Kinderkliniken ein grosses Problem. Ich höre von vielen, die gerne in die Pädiatrie möchten, aber keine Anstellung finden. Auch hier würde die Praxisassistenz Abhilfe schaffen! Die zweite grosse Frage ist anschliessend, ob die initial an der Grundversorgung interessierten Assistenten dieses Ziel dann auch wirklich erreichen, oder ob sie irgendwann während der Assistenzjahre doch im Spital hängenbleiben. HZ: Weshalb scheiden so viele Ärzte während oder nach der Ausbildung aus dem Beruf aus? NR: Das liegt zu einem gewichtigen Anteil an einem Thema, das auch ein grosses Anliegen von mir ist: der mangelhaften Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Besonders an den Spitälern werden einem viele Steine in den Weg gelegt. Viele geben irgendwann auf, suchen sich einen ärztlichen Bürojob oder steigen ganz aus. Auch sind die Hürden für einen Wiedereinstieg hoch. Wer einmal weg vom Fenster war, findet nur schwerlich wieder in ein klinisches Umfeld zurück. Unterstützungsprojekte auch in dieser Hinsicht wären toll. HZ: Ist der Beruf des Haus- und Kinderarztes ein Traumberuf? Warum? NR: Absolut! Ich möchte nichts anderes sein. Er ist vielseitig, herausfordernd, immer wieder und in jeglicher Hinsicht bereichernd, man ist den Menschen nahe und es ist eine Arbeit, die sinnhaft ist und eine grosse Befriedigung mit sich bringt. ■ Nora Rufener und Heidi Zinggeler Fuhrer.
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