01 / 2019 BERUFSPOL I T I K K I N D E R Ä R Z T E. SCHWEIZ 19 ■ Erhöhung der Tabakpreise ■ Flächendeckendes Angebot von Rauchstopp-Programmen WHO-Tabakkonvention Diese Empfehlungen entsprechen auch den Grundsätzen der WHO-Tabakkonvention (Framework Convention on Tobacco Control, FCTC: www.who.int/fctc). Die Tabakkonvention wurde von der WHO-Generalversammlung in Genf am 21. Mai 2003 verabschiedet und ist inzwischen von 181 Ländern unterzeichnet und von 168 ratifiziert worden. Die Schweiz gehört auch zu den Unterzeichnern, aber sie hat es bis heute nicht geschafft, diese Regeln durch die Gesetzgeber im Bundesparlament zu ratifizieren und im Alltag konsequent umzusetzen. In der Schweiz besteht seit Jahren ein regulatorischer Flickenteppich in den Bereichen Passivrauchschutz, Werbeverbote und Abgaberegelungen, der zur FCTC im Widerspruch steht. Die Rolle der Tabakindustrie Die Tabaklobby konnte hierzulande bisher erfolgreich die konsequente Umsetzung der WHO-Tabakkonvention verhindern [61]. Die dabei verwendeten Strategien sind auch im Buch «Lifting the smokescreen» der European Respiratory Society eindrücklich dargelegt [63]. Dazu gehört der Aufbau eines Netzwerkes von Verbündeten (Gastronomie, Kioskbetreiber usw.), die anstelle der Tabakindustrie für deren Anliegen kämpfen, sowie das «Kontrovershalten» in Debatten über das Passivrauchen und E-Zigaretten, damit die Bevölkerung den Eindruck erhält, die Wissenschaftler wären sich nicht einig und die Faktenlage sei unklar. In letzter Zeit versucht die Tabakindustrie mit dem Lancieren von «sauberen» E-Zigaretten sich ein sauberes Image zu geben. So werden E-Zigaretten mit Slogans wie «Kein Feuer», «Keine Asche» und «Kein Zigarettengeruch» als «Eine bessere Alternative zur Zigarette» beworben. Philip Morris ist mit der von ihr mit einer Milliarde Dollar finanzierten Foundation for a smoke-free world in der Täuschung noch ein Stück weiter gegangen als ihre Konkurrenz [64, 65]. Für Philip Morris besteht nämlich eine «rauchfreie Welt» in Zukunft nur noch aus Benützern ihres neusten Produktes «IQOS» – eine Abkürzung für «I Quit Ordinary Smoking» – das nach ihren eigenen Angaben keinen schädlichen Rauch, sondern nur noch «ungefährlichen Dampf» produziert. 2018 hat die European Respiratory Society all ihre Mitglieder von einer Zusammenarbeit mit dieser Stiftung ge- warnt, und der Beobachter hat die jüngsten Aktivitäten der Tabakindustrie als «Miese Masche» entlarvt und das Vorgehen mit «Neuen Tricks und alten Lügen» chrakterisiert [66]. In Wahrheit geht es den Tabakkonzernen nur um die Sicherstellung ihres Profits. Das Tabakgeschäft bleibt eine der lukrativsten Branchen der Welt [67]. So ist auch für Beverley Spencer, CEO der British American Tobacco (BAT) Schweiz, «Rauchen keine Frage der Moral», sondern ein «gigantisches Geschäft» [68]. Der BAT-Konzern hat mehr als eine halbe Milliarde Pfund in die Entwicklung der E-Zigaretten investiert, denn das Gesamtmarktpotenzial würde im Milliardenbereich liegen. Der grösste Zigarettenhersteller (Altria Group/Philip Morris) hat kürzlich für 12,8 Milliarden US-Dollar 35% Anteile der Firma «Juul» gekauft [69]. Für die Zigarettenindustrie spielt es ja keine Rolle, ob die Menschen Tabakzigaretten oder E-Zigaretten kaufen, denn ihr Business ist der Verkauf von Nikotin, einer hochpotenten, süchtig machenden Substanz [70]. Wie sonst will man die zunehmenden Aktivitäten der Zigarettenindustrie im E-Zigarettenmarkt erklären? Wohl kaum damit, dass die Tabakkonzerne einen Rauchstopp bei ihren Konsumenten fördern wollen. Schlussfolgerung Das Hauptgeschäft der Tabakindustrie ist der Verkauf von Nikotin, einer süchtig machenden Droge. Ob junge Menschen via orale Formen wie Wasserpfeife, E-Zigaretten, Cannabis oder herkömmliche Tabakzigaretten nikotinabhängig werden, spielt für das Geschäft der Tabakindustrie keine Rolle. Kinder und Jugendliche haben aber das Recht darauf, konsequent vor diesen süchtig machenden Produkten geschützt zu werden. Zu einer nachhaltigen Tabakprävention gehört die konsequente Umsetzung der WHO-Tabakkonvention – auch in der Schweiz. Um zu verhindern, dass alle bisherigen erfolgreichen Präventionsbemühungen mit neuen, an Jugendliche vermarkteten Produkten wie E-Zigaretten, Wasserpfeifen oder Snus unterlaufen werden und die Nikotinabhängigkeit wieder als «Norm» rehabilitiert wird, braucht es einen engagierten Einsatz aller Kinderärzte. Neben dem täglichen Einsatz in der Sprechstunde bzw. am Krankenbett mit der anamnestischen Erfassung einer Nikotinabhängigkeit bzw. einer Passivrauchexposition und dem Aufzeigen von effektiven Rauchstopp-Möglichkeiten, ist auch der standespolitische beherzte Einsatz zur konsequenten Umsetzung der FCTC notwendig. Dazu gehört auch die Eidgenössische Volksinitiative «Ja zum Schutz der Kinder und Jugendlichen vor Tabakwerbung» (www.kinderohnetabak.ch), die ein wichtiger Schritt in diese Richtung ist. ■ Das Literaturverzeichnis finden Sie im E-Paper dieser Ausgabe. Kinder und Jugendliche haben aber das Recht darauf, konsequent vor diesen süchtig machenden Produkten geschützt zu werden.
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