KINDERÄRZTE.SCHWEIZ 1/2019

01 / 2019 BERUFSPOL I T I K K I N D E R Ä R Z T E. SCHWEIZ 17 sondern in den Geltungsbereich des Lebensmittelgesetzes fallen [36]. Damit werden Kinder ohne ihr Wissen sehr früh der Gefahr einer Nikotinabhängigkeit ausgesetzt, von der sich später viele nicht mehr lösen können [35]. Der freiwillige Kodex der Swiss Vape Trade Association, E-Zigaretten nicht an Minderjährige zu verkaufen, ist aufgrund der bisherigen Erfahrungen mit der Tabakindustrie kaum wirksam.  Gemäss aktuellem Wissensstand enthält das Aerosol von E-Zigaretten zwar etwas weniger giftige und krebserregende Schadstoffe als diese im herkömmlichen Tabakrauch zu finden sind, aber E-Zigaretten können nicht als bedenkenlos bewertet werden [44, 46, 47]. In einer Stellungnahme meint die European Respiratory Society unmissverständlich, dass keinen Studien, die bisher durch die Tabakindustrie gemacht oder bezahlt wurden, vertraut werden kann [48]. Die Behauptung von Public Health England, dass E-Zigaretten 90–95% weniger Schadstoffe enthielten, hält einer unabhängigen Prüfung nicht stand [49, 50]. So hat beispielsweise eine Studie an der Universität Bern kürzlich nachgewiesen, dass im Aerosol von erhitztem Tabak praktisch die gleichen giftigen und krebserregenden Stoffe wie im herkömmlichen Tabakrauch nachgewiesen werden können und daraus die Schlussfolgerung gezogen, dass dieser «Dampf» nicht mit «ungefährlich» beschrieben werden kann [51]. Da es bis heute Hunderte von verschiedenen E-Zigaretten-Produkten gibt und die Herstellung in keiner Weise standardisiert ist, variieren die Aerosol-Untersuchungen beträchtlich [52, 53]. Studienresultate von unabhängigen Forschern berichten von verschiedensten Auswirkungen auf die Lunge wie zum Beispiel bronchiale Hyperreaktivität, verminderte Immunabwehr und Zytotoxizität [54]. Da E-Zigaretten erst seit wenigen Jahren auf dem Markt verfügbar sind, gibt es noch keine Studien zu möglichen gesundheitlichen Langzeitfolgen. Diese sind unabdingbar für die vergleichende Bewertung der gesundheitlichen Auswirkungen der verschiedenen Produkte. Insbesondere fehlen bisher systematische toxikologische Daten zu allen Substanzen, die mittels eines mit Propylenglykol oder Glyzerin erzeugten Nebels inhaliert werden [31]. Die bisherigen unabhängigen Studien reichten aber den Internationalen Lungenfachgesellschaften, um vor E-Zigaretten als gesundheitsschädliches Produkt zu warnen [47, 48, 55]. Insbesondere wird davor gewarnt, dass E-Zigaretten als Einstieg für das spätere Tabakrauchen zu betrachten sind, und Jugendliche ein höheres Risiko haben, lebenslang tabakabhängig zu werden. Die E-Zigaretten werden so hergestellt, dass sie besonders attraktiv für Kinder sind, was zu einer neuen Generation von Nikotinabhängigen führen werde. Aus diesem Grunde fordern die internationalen Lungenfachgesellschaften eine strenge Regelung analog den bisherigen Tabakprodukten [55]. Dazu gehört auch ein konsequentes Verkaufsverbot an Minderjährige, ein Verbot von Aromastoffen, die Anwendung gleicher Regeln beim Passivrauchschutz wie bei den Tabakzigaretten sowie ein konsequentes Werbeverbot. Wieso beginnen Kinder zu rauchen? Grundlage eines jeden Tabakkonsums ist das explorative Verhalten der Kinder und Jugendlichen, die vieles selber ausprobieren möchten, was Erwachsene machen [56, 57]. Selbstverständlich wird nicht jedes Kind, das einmal raucht, auch abhängig. Bei den meisten Jugendlichen hört der Konsum nach wenigem Probieren auf. Neben der Neugierde spielt aber auch der Gruppendruck unter Gleichaltrigen eine grosse Rolle: Rauchen «Meinungsmacher» in der Schulklasse, werden dies viele nachahmen. Nicht zu unterschätzen ist auch die Vorbildrolle der Eltern und älteren Geschwister: Raucht ein Elternteil, so ist das Risiko 3–4 Mal höher, dass das Kind auch zu rauchen beginnt [58, 59]. Daneben spielen soziale Faktoren wie die Verfügbarkeit und die Kosten des Produktes sowie die soziale Akzeptanz des Rauchens eine grosse Rolle. An diesem Punkt setzt die Tabakindustrie an, indem sie versucht mittels Werbung die Normen und das Verhalten der Jugendlichen zu beeinflussen [60, 61].  Daraus lassen sich auch die wesentlichen Punkte einer erfolgreichen Tabakprävention ableiten [1, 58, 62]: ■ Sachliche Aufklärung über die Produkte Tabakzigaretten, Wasserpfeifen, E-Zigaretten, Snus und Cannabis ■Aufklärung über die Machenschaften der Tabak- und Cannabisindustrie ■Konsequent tabakfreie Werbung (einschliesslich Sponsoring und E-Zigaretten) ■ Eindeutige Produktdeklaration ■Konsequenter Schutz vor dem Passivrauchen (einschliesslich E-Zigaretten) im öffentlichen Innen- und Aussenbereich Abbildung 3: Die neue E-Zigarette «Juul».

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