KINDERÄRZTE.SCHWEIZ 4/2018

K I N D E R Ä R Z T E . SCHWEIZ 50 ERFAHRUNGSBER I CHT 04 / 2018 A m 7. Juni 2018 fand in Luzern das Update in pädi- atrischer ORL für die Praxis statt.  Eröffnet wurde der Tag von Frau Dr. med. Claudine Gysin. Sie widmete die erste Stunde den Neugebore- nen und Säuglingen und untermalte ihre Ausführun- gen mit prägnanten Bildern und Hörproben. Es wurde schnell klar, wie breit die Differentialdiagnose bei Atem- wegsobstruktionen beim Neugeborenen und Säugling sein kann. So nehme ich aus dem ersten Referat be- reits vieles in meinen Praxisalltag mit: Denke bei einer Atemwegsobstruktion in den ersten 6 Lebensmona- ten vor allem an kongenitale Ursachen wie bilaterale Stimmlippenparese, subglottische Stenose, Choanal­ atresie, Laryngomalazie und an ein subglottisches Häm- angiom, besonders bei einer früh (1.–3. Lebensmonat) auftretenden Pseudokrupp- Symptomatik. Die Laryngo- malazie ist die häufigste Stridor- Ursache im Neugebo- renen- und Säuglingsalter. Bei bis zu 10% der Kinder kann es zu einer Gedeihstörung kommen, was eine chi- rurgische Intervention notwendig macht. Wie so oft, sind auch bei den Kleinsten eine akkurate Anamnese und klinische Untersuchung wegweisend, wenn mög- lich auch mit Beobachten des Trinkens bzw. Breiessens. So kann zum Beispiel andauerndes Verschlucken und Husten beim Trinken ein Hinweis auf eine Larynxspalte (sehr seltene Missbildung) sein. Beruhigend: Ein Kind, das problemlos gestillt werden kann, hat keine schwer- wiegende Atemwegsobstruktion. Radiologische Unter- suchungsverfahren sind nur für wenige Fragestellungen indiziert. Goldstandart, für weiterführende Diagnostik ist die endoskopische Evaluation.  Nach einer kurzen Pause nahmen uns die beiden Re- ferentinnen, die zweite im Bunde war Frau Dr. med. Andrea Hilgenfeld, mit auf einen Streifzug durch die bedeutendsten klinischen Fragestellungen der pä­ diatrischen ORL. Zu vielen Diskussionen führte die Be- handlung der akuten Otitis media, wohl eine der von uns in der Praxis am häufigsten gestellten Diagnosen, weil die Richtlinien uneinheitlich seien. Es wurde diskutiert, ob auch bei chronisch rezidivierenden Infekten stets Anti- biotika notwendig seien und ob nicht auch lokalanti- biotische Therapien, wie sie wohl von einigen Kollegen eingesetzt werden, ausreichend wären. Zu weiteren Diskussionen gab die die Dauer der Therapie Anlass. In Anbetracht dessen, dass es zu schweren otogenen Komplikationen kommen kann, werde ich mich persön- lich weiterhin an die Empfehlungen der PIGS halten, so wie es wohl auch viele Kollegen machen. Ganz beson- ders nach der Stellungnahme, die von unserer Mode- ratorin anlässlich der Differenzen im Plenum bei Herrn Prof. Christoph Berger, Infektiologe am Kinderuniversi- tätsspital Zürich, eingeholt wurde. Kurz und bündig: bei akuter klinischer Erkrankung (Schmerzen, Rötung, Er- guss) und Persistenz der Beschwerden nach 24 bzw. 48 Stunden symptomatischer Therapie antibiotische The- rapie für 10 bzw. 5 Tage. Für lokale Antibiotika gibt es keine Evidenz. Bei rezidivierenden antibiotikapflich- tigen Otitiden stellen Paukenröhrchen eine gute Alter- native dar. Schlafbezogene Atemstörungen stellen eine wichtige Indikation zur Tonsillektomie mit oder ohne Adenotomie. Goldstandard zur Diagnosestellung für ein kindliches obstruktives Atemnotsyndrom (OSAS) ist die Polysomnografie. Beim Tubenmittelohrkatarrh, der über 3 Monate persistiert oder mit Begleitsymptomen wie Sprachentwicklungsverzögerung, Lernschwierigkei- ten und anderen verbunden ist, sollte ein Hörtest durch- geführt werden. Persistiert der Tubenmittelohrkatarrh über 4 Monate mit Begleitsymptomen oder besteht er bei einem Risikokind (zum Beispiel mit Entwicklungs- verzögerung, syndromale Erkrankung, Lippenkiefer- gaumenspalte) besteht die Indikation zur chirurgischen Intervention. Es ist nicht empfohlen, Antihistaminika, abschwellende Medikamente, Antibiotika oder Cortico- steroide zu verabreichen.  Das eintägige Update in pädiatrischer ORL wurde von Isabell Iff-Tureczek sehr gut organisiert und moderiert. Aus meiner Sicht war es ein spannender Tag, an dem es gelungen ist, einen weiten Bogen über das Gebiet der pädiatrischen ORL, wie sie uns im Praxisalltag begegnet, zu spannen. Es gab zudem ausreichend Platz für span- nende und lehrreiche Diskussionen. ■ LINKS ZU WEITERFÜHRENDEN INFORMATIONEN: http://www.pigs.ch/pigs/frames/documentsframe.html https://ssi.guidelines.ch/ DR. MED. ANGELA CHAPPATTE, FACHÄRZTIN FÜR KINDER- UND JUGENDMEDIZIN, KINDERARZTPRAXIS IM SPITAL DAVOS Korrespondenzadresse: achappatte@spitaldavos.ch KURSLEITUNG: ISABELL IFF-TURECZEK Pädiatrische ORL – Ein Update für die Praxis Kriterien für eine Antibiotikatherapie bei Akuter Otitis media

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