KINDERÄRZTE.SCHWEIZ 3/2018

K I N D E R Ä R Z T E . SCHWEIZ 53 03 / 2018 FÜR S I E GELESEN dem ersten Tag anhaltende Begeisterung für den Beruf und die Verantwortung, welche in ihm noch immer re- gelmässig Schwindelgefühle auslöst. Er berichtet aber auch über die Furcht, den Herausforderungen nicht ge- wachsen zu sein, vermischt mit Stolz, im Herzen des Ge- schehens zu sein.  Ein Blick hinter die Kulissen eines erfolgreichen Arz- tes, der nicht nur Freude, Erfolg, sondern auch Furcht und Selbstzweifel kennt, verehrt aber auch gehasst wird. Herz Mit viel Bewunderung und Demut schreibt Prêtre über das Herz, das mehr als nur eine Pumpe ist. Bis heute hat er Tausende Operationen an Kinderherzen durch- geführt, dem Organ, das mehr als 80000-mal pro Tag schlägt, ohne Unterlass, Tag und Nacht.  Seine operative Tätigkeit vergleicht der Herzchirurg mit der Arbeit eines Uhrmachers: Genauigkeit, Geduld und Präzision bestimmen das filigrane Handwerk am oftmals nur walnussgrossen Säuglingsherzen. Neben medizinisch- technischen Errungenschaften, welche eine Operati- on am offenen Herzen überhaupt erst möglich machen, geht es in diesem Buch aber vor allem auch um Verant- wortung und Ethik. Der Arzt berichtet von seinen ethisch äusserst schwierigen Entscheidungen darüber, welches «Das Leben und die Liebe, unsere höchsten Güter, vereint in einem einzigen Organ.» «…ganz im Stillen, nach nicht greifbaren Mächten gesucht, die unseren Instinkt manchmal ebenso sicher leiten wie der gesunde Menschenverstand und unsere komplizierten wissenschaftlichen Schlussfolgerungen.» Kind operiert wird und welches nicht – oft ein Urteil über Leben und Tod. Dabei wird klar, dass seiner Tätigkeit eine schwer auszuhaltende Dichotomie innewohnt: Aus Sicht der Patienten und ihrer Angehörigen ist er Held und Hen- ker zugleich. Für den Autor hat das Herz, trotz der Ent- zauberung durch die Wissenschaft und trotz der trauri- gen Seiten seines Berufs, immer noch etwas Magisches an sich. Die Faszination und Prêtres Freude über jede ge- lungene Operation sind in jedem seiner Sätze spürbar. Leben Zu den besten Schülern gehörte Prêtre als Kind nie, aber er hatte auf dem elterlichen Hof früh gelernt Verant- wortung zu tragen und zu arbeiten. Er hatte Talent und den Biss, immer wieder aufs Neue zu üben, um Erfah- rung zu sammeln und Routine zu erlangen.  Als Kind war er bei jedem Wind und Wetter draus- sen. Seine Bodenständigkeit und Wurzeln hat er auch als Erwachsener nie verloren. Sein Leben ist fest in der Natur verankert.  Im Buch geht es nicht nur um Verantwortung, Selbst- vertrauen und Respekt, sondern auch um Erfolg und Misserfolg: Wie geht man mit Misserfolgen, Vorwürfen um, wenn man selbst vielleicht sein strengster Kritiker ist? Wo findet man Halt in schwierigen Stunden und wie ver- liert man nicht den Mut? Weitermachen, oder ist auf- hören, aufgeben eine Option? Aber auch darum, wie man Entscheidungen trifft: richtige und falsche, wie es sich erst im Verlauf herausstellt, und unerträgliche. Im Auf- trag von «Le Petit Coeur» muss das Team, weil die finan- ziellen, zeitlichen und personellen Ressourcen begrenzt sind, manche Kinder von der Behandlungsliste streichen – meist solche mit gravierenden Fehlbildungen, deren Pro- gnose schlecht ist und bei denen ein Eingriff wenig Erfolg verspricht. Neben solchen bedrückenden Schilderungen erzählt Prêtre aber auch von vielen Patienten, deren Leben durch eine riskante Operation gerettet wurde.  «In der Mitte schlägt das Herz» bietet angehenden Ärzten, aber auch erfahrenen Kinderärzten Inspiration respektive die Gelegenheit, sich mit dem eigenen Wer- degang auseinanderzusetzen und macht bewusst, was uns unser wunderbarer Beruf auch nach vielen Jahren Berufstätigkeit alltäglich an Verantwortung, Herausfor- derungen, Freude und Begegnungen schenkt. Dieses Buch ist eine Liebeserklärung an unseren Beruf als Arzt und ans Leben. ■

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