KINDERÄRZTE.SCHWEIZ 3/2018

03 / 2018 FORTB I LDUNG K I N D E R Ä R Z T E . SCHWEIZ 39 Angst Angst um ihr Kind im Zusammenhang mit dem Imp- fen scheint ein zentraler Faktor [3, 9–16]. Die Grup- pe U hat mehr Angst als G. Zudem fürchtet die Grup- pe U sich auch speziell mehr vor unmittelbaren (Weinen etc.), kurzfristigen (Fieber, Unruhe) und langfristigen Nebenwirkungen/Folgen des Impfens. Dies scheint ein universelles Phänomen [9–14]. Ob die Gruppe U mehr Angst hat als G, weil das Kind in der letztgenannten Gruppe zum Zeitpunkt der Befragung noch jünger ist, oder ob dies durch die noch fehlende praktische Er- fahrung der Eltern mit dem Impfen kommt, bleibt un- klar. Für Letzteres spricht, dass die meisten aus Gruppe G, die angekreuzt haben, dass sie vor dem Impfvor- gang Angst hatten, antworteten, dass sie im Nachhin- ein betrachtet «zu viel Angst» vor dem Impfen gehabt hätten.  Die subjektive Wahrnehmung der Ärztin steht im Wi- derspruch zum Resultat, dass die «Hebammen» am we- nigsten häufig (<5%) als Quelle der Angst der Eltern an- gegeben wurde.  Die Tatsache, dass in beiden Gruppen mindestens 41% angaben, dass der (Kinder-)Arzt ihnen die Angst nehmen könne/konnte, und dass am häufigsten «ande- re Eltern» als Ursache für ihre Angst angegeben wur- de, spricht dafür, dass es sich lohnt, wenn die Ärztin vor den Impfungen (mehrmals) genügend Zeit einräumt, um mit den Eltern über das Impfen und insbesonde- re die damit verbundenen Ängste zu sprechen [4–19]. Bedenken und Unsicherheiten der Eltern bezüglich der Impfungen sollten als selbstverständlich angenommen und angesprochen werden [3, 4, 19], und es sollten an die Bedürfnisse und Haltung der Eltern angepasste Informationen bezüglich Impfungen gegeben werden [11, 19]. Impfvorgang Dem Halten des Kindes durch die Eltern während des Impfvorgangs wird deutlich der Vorzug gegeben. Die Option, das Kind zu stillen [18] oder mittels eines Süss- stoffes auf dem Schnuller zu beruhigen, sollte den El- tern zur Auswahl angeboten werden. Viele Eltern begrüssten dies, und Studien [19] zeigen, vor allem für die jüngsten Kinder, einen positiven Einfluss von süsser oraler Flüssigkeit bzw. Stillen auf das Schreiverhalten während des Impfens. Die Kombination mit nichtphar- makologischen, altersgemässen Ablenkungsstrategien wie zum Beispiel rhythmische Bewegungen, Lärm, Mu- sik etc. haben nachgewiesen einen zusätzlich positiven Effekt [19–22].  Da diese Interventionen eines geringen Aufwands bedürfen, das «Leid der Kinder» reduzieren und indi- rekt auch einen positiven Effekt auf die Impffreudig- keit der Eltern haben, sollten diese unbedingt angebo- ten werden. Schmerzen Dass der grösste Teil der Eltern im Nachhinein die Schmerzen während des Impfvorgangs als wenig bis fehlend beurteilt, spricht dafür, dass die Schmerzen kein Argument gegen das Impfen sein sollten. Bedeutung einer gelungenen Impfung für die Eltern Bemerkenswert ist, dass bis 12% der Eltern das Verhin- dern der geimpften Krankheit nicht als gelungene Imp- fung sehen. Die unmittelbaren (22%) und kurzfristigen (40%) Nebenwirkungen und Folgen der Impfung wer- den auch als nicht-Gelingen der Impfung interpretiert. Dies zeigt, dass die subjektive Wahrnehmung der Imp- fung durch die Eltern stark von der der Ärztin abweicht. Schlussfolgerungen Die subjektive Wahrnehmung des Impfens durch die El- tern unterscheidet sich deutlich von der des Arztes bzw. den medizinischen Fakten. Erstaunlich in dieser Hinsicht ist, dass bis 12% der Eltern das Verhindern der Krank- heit durch die Impfung nicht als gelungene Impfung betrachten.  Die Eltern gaben als häufigste Quelle ihrer Angst an- dere Eltern (G) und Medien (U) an. Im Gegensatz zur subjektiven Wahrnehmung des Arztes wurden Hebam- men von den Eltern am wenigsten als Quelle der Angst genannt (<5%).  Eine differenzierte Information der Eltern durch den Arzt vor der ersten Impfung zeigt sich als sehr wich- tig da: erstens die Angst vor unmittelbaren, kurz- und langfristigen Nebenwirkungen in beiden Elterngruppen eine zentrale Rolle spielt (U mehr als G) und die G, wel- che Angst hatten vor dem Impfen (50%), meistens das Mass ihrer Angst im Nachhinein als «zu viel Angst» be- urteilten. Zweitens die U oft noch keine genaue Vorstel- lung haben was sie wann impfen wollen. Drittens der Arzt von der Mehrheit der Eltern als wichtigster Angst- reduzierender Faktor genannt wird. Ausblick Die Impfberatung sollte fester Bestandteil der FMH-Aus- bildung der Kinder- und Hausärzte sein. ■ DANKSAGUNGEN – Ganz herzlich danke ich dem BIHAM für die Vermittlung von Frau O. Stalder zur statistischen Unterstützung und die wertvolle Kritik. – Prof. em. R. Adler danke ich für die anregenden Diskussionen. FRAGEBOGEN UND LITERATUR sind von der Autorin erhältlich.

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