KINDERÄRZTE.SCHWEIZ 2/2018

02 / 2018 FORTB I LDUNG K I N D E R Ä R Z T E . SCHWEIZ 21 Tabelle 1: Definition von Wachstumsschmerzen – Einschluss und Ausschlusskriterien. D er Pädiater als Grundversorger steht den Familien bei allen möglichen psychischen und somatischen Problemstellungen mit gutem Rat zur Seite. Welchen Rat gibt man aber bei Beschwerden, welche nicht ein- deutig fassbar sind? Wachstumsschmerzen werden anamnestisch schnell diagnostiziert, klinisch geben sie jedoch nicht viel her. Dennoch leiden diese Kinder zum Teil jahrelang. Bisher riet man zu warten, die Beine ein- zureiben und bei Bedarf ein Schmerzmittel zu geben, was eher ein Ausdruck an Hilflosigkeit ist. Aber können wir wirklich nichts anderes tun?  Man kann nur schwer nachvollziehen, weshalb wach- sen schmerzen soll. Demzufolge müssten die Grossge- wachsenen öfter als die Kleinen an Wachstumsschmer- zen leiden oder zumindest stärker. Dem ist aber nicht so. Der typische Schmerzcharakter zeigt sich folgender- massen: Die Schmerzen treten häufig am Abend oder in der Nacht auf. Manche Kinder erwachen schreiend. Die Lokalisation wechselt bezüglich Seite und Höhe. Meist zeigen die Kinder auf die vordere Schienbeinkan- te, aber auch die Knie, Kniekehlen oder Füsse werden angegeben. Bisherige Kenntnisse über Wachstumsschmerzen Wachstumsschmerzen wurden erstmals 1823 durch den Arzt Marcel Duchamp beschrieben. Seither wur- de viel darüber geschrieben und beschäftigt unverän- dert Betroffene und Ärzte. Eine 2008 veröffentlichte Metaanalyse [7] gibt einen Überblick über 45 Artikel und fasst mit Wachstumsschmerzen auftretende Kohe­ ränze und Diagnosekriterien, mit dem Ziel, Richtlinien für den Praxisalltag aufzuzeigen, zusammen. Die Stu- die zeigt, dass Wachstumsschmerzen in durchschnittlich 3 bis 50% der Kinder von zwei bis ca. zehn Jahren und in 37% der vier- bis sechsjährigen Kinder auftreten. Die Diagnosestellung geschieht klinisch aufgrund von Aus- schlusskriterien (Tabelle 1).  Man untersuchte verschiedene mögliche körperliche Ursachen genauer: 1. Kinder mit Wachstumsschmerzen haben nicht ge- häuft Knicksenk- oder Plattfüsse. 2. Die Eltern assoziieren Wachstumsschmerzen oft mit Perioden von vermehrter körperlicher Aktivität der Kinder. 3. 37% der Kinder weisen, gemäss ihren Eltern, auch im Allgemeinen eine grosse körperliche Aktivität vor. 4. Die Eltern betroffener Kinder attestieren ihren Kin- dern eine oft negative Stimmungslage oder Gereizt- heit. 5. Die Schmerzgrenze ist signifikant vermindert im Vergleich zu Kindern in einer bezüglich Alter und Geschlecht vergleichbaren Kontrollgruppe. 6. Die mit Ultraschall gemessene Knochendichte ist im Vergleich zu Kindern ohne besagte Schmerzen sig- nifikant vermindert. 7. Die vaskuläre Perfusion erscheint unauffällig (an- ders als bei Migränekopfschmerzen). 8. Es gibt keine valide Messung, die bestätigt, dass eine Hypermobilität der Gelenke eine Rolle spiele. 9. Kinder mit Wachstumsschmerzen sind 5% schwe- rer als Kinder ohne Wachstumsschmerzen 10. Wachstumsschmerzen treten häufig zusammen mit Bauch- und Kopfschmerzen auf. Deren Ursache bleibt aber unklar. 11. In der Haaranalyse fand man erhöhte Messungen von Blei und Zink und verminderte Konzentrationen von Kupfer und Magnesium. Der Nutzen dieser Un- tersuchung bleibt etwas fraglich. 12. In 70% besteht eine familiäre Häufung. Am häufigsten angewandte Therapien waren Paraceta- mol, Einreiben der Beine und das Auflegen von Wärme. Am meisten half Stretching des Quadriceps, der ischio- kruralen Muskulatur und des Triceps surae. Wachstumsschmerzen – Was tun? Gibt es neue Erkenntnisse? DR. MED. PIA FERRAT, OBERÄRZTIN ORTHOPÄDIE, UNIVERSITÄTS-KINDER­ SPITAL BEIDER BASEL, BASEL Korrespondenzadresse: piaferrat@gmail.com Wir nennen sie Wachstumsschmerzen. Oder sind es doch eher unspezifische Beinschmerzen, welche unsere Kinder plagen? Im folgenden Artikel werden einerseits bekannte Tatsachen aufgezeigt und andererseits die seit 200 Jahren beschriebenen Schmerzen aus dem Blick- winkel der Vitamin-D-Unterversorgung betrachtet. Pain factors Inclusion criteria Exclusion criteria Nature of pain Intermittent Some pain free days and nights Persistent Increasing intensity Unilateral or bilateral Bilateral Unilateral Location of pain Anterior thigh, calf, posterior knee – in muscles Joint pain Onset of pain Late afternoon or evening Pain still present next morning Physical examination Normal Swelling, erythema, tenderness Local trauma or infection Reduced joint range of motion Limping Laboratory tests Normal Objective findings eg ESR, x-ray, bone scan abnormalities Limitation of activity Nil Reduced physical activity

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