01 / 2018 FORTB I LDUNG K I N D E R Ä R Z T E. SCHWEIZ 43 DR.MED. ARNOLD BÄCHLER, ST.GALLEN Korrespondenzadresse: arnold.baechler@hin.ch Kinder spielend fördern Schule und Pädiatrie Schule und Pädiatrie sind eng miteinander verbunden. Kinder, welche die Erwartungen der Schule nicht erfüllen, erscheinen schon bald nach dem Kindergartenstart in der kinderärztlichen Sprechstunde. Am häufigsten geht es dabei um die Frage eines Entwicklungsrückstandes oder einer Verhaltensstörung. Die beklagte Auffälligkeit ist dem Praxispädiater meistens schon lange bekannt; nur hat er diese bisher als Normvariante gewertet und den Eltern empfohlen, für eine anregende Umgebung zu sorgen und ihr Kind dort abzuholen, wo es in seiner Entwicklung gerade steht. Mit dem Schuleintritt findet diese «watch and waitStrategie» jedoch ein jähes Ende. Weil die Regelschule bei Kindern gleichen Alters den gleichen Entwicklungsstand erwartet und genau überprüft, ob sie diese Erwartung auch erfüllen, kommt es häufig zur Stigmatisierung «auffälliger» Kinder. Unsere Empfehlung einer vermehrten individuellen Förderung im Klassenverband stösst rasch an Grenzen. Es bleibt bei der imperativen Forderung nach einer Abklärung und Therapie. Auch wenn diese Forderung bei vielen Eltern anfänglich auf Skepsis stösst, möchten sie schliesslich doch nichts verpassen und wollen die Meinung ihres Kinderarztes hören, der ihr Kind von klein auf kennt. Dilemma des Kinderarztes Der Pädiater gerät in eine schwierige Situation. Er hat die Eltern schon früh auf das besondere Entwicklungsmuster hingewiesen, bisher aber keine weitere Abklärung und Therapie für nötig erachtet. Mit dem Druck der Schule bleibt nun doch ein Abklärungsauftrag an ihm hängen, den er oft nur widerstrebend übernimmt. Sein Unbehagen beruht insbesondere auf dem Wissen um die beschränkten Abklärungs- und Therapiemöglichkeiten. Jedenfalls besteht ein grosses Bedürfnis nach alternativen, niederschwelligen Förderangeboten, die wir in jedem Alter guten Gewissens und ohne Kontraindikationen empfehlen können. Spielerische Förderung kognitiver Funktionen Im September 2017 hat Dr. phil. Barbara Ritter, Neuropsychologin am Ostschweizer Kinderspital, St. Gallen eine sehr praxistaugliche Weiterbildungsreihe gestartet. «Förderung von kognitiven Funktionen mit Gesellschaftsspielen» lautet der Titel dieser gut besuchten Veranstaltung für Fachpersonen aus den Bereichen Pädiatrie, Psychologie, Logopädie, Ergotherapie und Pädagogik. Verteilt auf vier Donnerstagnachmittage werden Ge- sellschaftsspiele für Kinder und Jugendliche im Alter von 4 bis 15 Jahren vorgestellt, die geeignet sind um wichtige kognitive Funktionen wie Impulskontrolle, Arbeitsgedächtnis, Verarbeitungsgeschwindigkeit und Flexibilität auf spielerische und interaktive Weise zu fördern. Die dreieinhalbstündigen Kurse sind hälftig aufgeteilt in ein wissenschaftlich gut fundiertes und lebendig vorgetragenes Fachreferat und einen sehr vergnüglichen praktischen Teil, in welchem die Teilnehmer in 5erGruppen sechs Gesellschaftsspiele zum jeweils besprochenen Förderbereich erproben können. Die Referentin gibt Listen mit Spielempfehlungen ab und weist auf weiterführende Artikel und Bücher hin, die den Eltern empfohlen werden können. Wer fürchtet, mit dieser Spielinitiative werde ein neuer Zwang zur ausserschulischen Förderung in die Welt gesetzt, den kann ich beruhigen. Bei den Gesellschaftsspielen, die vorgestellt werden handelt es sich nicht um «Therapiespiele», sondern um achtsam ausgewählte Brett- und Kartenspiele aus dem aktuellen Sortiment der Spielwarengeschäfte. Bei der Auswahl wurde dafür gesorgt, dass sich innerhalb des anvisierten Funktionsbereiches für jede Altersgruppe und jede Zahl von Mitspielenden etwas Passendes findet. Digitale Spiele bleiben ausgeklammert. Auf eine konkrete Empfehlung, wie häufig und wie lange mit den Kindern gespielt werden soll verzichtet die Referentin, um auf Eltern und Kinder keinen Druck auszuüben. Der Spielplausch und die soziale Interaktion sollen ganz im Vordergrund stehen. Die Förderung kognitiver Funktionen ist gewissermassen eine beiläufige Rendite. ■ Wer an einem allfälligen Wiederholungskurs im Winter 2018 am Ostschweizer Kinderspital St. Gallen teilnehmen möchte, kann sich auf eine Warteliste setzen lassen: info.kerzentrum@kispisg.ch Gesellschaftsspiele stellen ein niederschwelliges, alltagstaugliches und schnell verfügbares Förderinstrument bei Kindern in jedem Entwicklungsalter dar. Sie stärken nicht nur sozial-emotionale Kompetenzen, sondern begünstigen auch die Entwicklung von kognitiven Funktionen.
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