KINDERÄRZTE.SCHWEIZ 1/2018

FORTB I LDUNG 01 / 2018 K I N D E R Ä R Z T E. SCHWEIZ 38 Einleitung Eines von 300 [Harold & Rekate, 1998] bis eines von 60 [Funke, 2010] Kindern wird mit einem Plagiocephalus (Abflachung occipital auf einer Seite [Kelly et al., 1999] [Dörhage, 2010] [Harold & Rekate, 1998], siehe Abb.1 links) geboren oder dieser manifestiert sich nach der Geburt. Von der «American Academy of Pediatrics» ging die Empfehlung aus, die Kinder als Prävention vor dem plötzlichen Kindstod zum Schlafen bevorzugt in Rückenlage zu lagern [Joganic et al., 2009]. Mit der 1992 eingeführten «Back to sleep campaign» wurde ein deutlicher Anstieg der Fälle von Säuglingen mit Plagiocephalus und Brachycephalus (Missverhältnis zwi- schen Schädellänge und -breite zugunsten der Breite [Graham et al, 2005b] siehe Abb.1 rechts) registriert. Therapie Zur Behandlung von Kopfdeformationen bei Säuglingen stehen unterschiedliche Behandlungsmöglichkeiten wie Lagerungen und diverse physiotherapeutische Massnahmen [Rosenbaum et al., 2012; Dörhage, 2010] zur Verfügung. Eine weitere Therapieform stellt die Behandlung mittels Kopforthese dar [Rosenbaum et al., 2012; Miller & Clarren, 2000]. Aufgrund der fehlenden Evidenzlage betreffend der Wirkungsweise der Kopforthese sowie der grösstenteils ungeklärten Begleiterscheinungen, wird dieser Behandlungsansatz kontrovers diskutiert [Dörhage, 2010]. Deshalb sind die Orthesen in der Schweiz bis zum jetzigen Zeitpunkt nicht auf der Mittel- und Gegenstände-Liste aufgeführt, wodurch die Kosten von den schweizerischen Krankenkassen nicht zwingend übernommen werden müssen. Idealerweise sollte die Behandlung zwischen dem vierten und sechsten Lebensmonat beginnen; spätestens jedoch bis zum 12. Lebensmonat einsetzen [Rosenbaum et al., 2012]. Einerseits sind eine sichere Kopfkontrolle und eine kräftige Schulter-Nacken-Muskulatur nötig [Yacoub et al., 2013], andererseits können vorher meist gute Erfolge mit Stimulations- und Lagerungsmassnahmen erzielt werden. Für einen optimalen Behandlungserfolg sollte die Kopforthese 22 bis 23 Stunden pro Tag getragen werden, wobei der Korrektureffekt in den ersten vier bis acht Wochen der Behandlung am grössten ist [Yacoub et al., 2013]. Ein früherer Tragebeginn (optimal zwischen dem vierten und sechsten Lebensmonat [Rosenbaum et al., 2012]) brachte signifikant bessere Ergebnisse als ein späterer Therapiebeginn [Graham et al. 2005a]. Eine Verbesserung der Schädeldeformität scheint mit dem Tragen einer Kopforthese effektiver und rascher einzutreten als mit Lagerungstherapie allein [Vles et al. 2000; Graham et al. 2005a; Graham et al. 2005b], da die Behandlung mittels Lagerungsmassnahmen bei Brachycephalus drei Mal länger dauert als die Behandlung mittels Kopforthese [Graham et al., 2005b]. Allerdings wird die Wahl eines Helmes zur Therapie der Kopfdeformationen kontrovers diskutiert. Es wird einerseits über eine Überlegenheit der Kopforthesen im Vergleich zu anderen Behandlungsansätzen berichtet [Dörhage, 2010], andererseits auch, dass mittels Lagerungstherapie und Behandlung von Dysfunktionen der Halswirbelsäule ähnliche Resultate erzielt werden. Die weiteren Wirkmechanismen der Helme, nebst der Kopforthese – Therapie der Wahl bei Schädeldeformationen von Säuglingen? BACHEM RAMONA, METZLER PATRIZIA, BLASIMANN ANGELA, BAUR HEINER BERNER FACHHOCHSCHULE, DEPARTEMENT GESUNDHEIT, BERN Korrespondenzadresse: angela.blasimann@bfh.ch Eine retrospektive Studie (November 2015) Abb. 1: Plagiocephalus (links) und Brachycephalus (rechts). Variablen zur Schädelvermessung Die Schädelproportionen können mittels verschiedener Variablen beurteilt werden. Der häufigste Parameter, der zur Beurteilung einer asymmetrischen Kopfform eingesetzt wird, ist die Diagonalendifferenz (Cranial Vault Asymmetry CVA, Normwerte <3 mm [Wilbrand et al., 2011]) = längere Schädeldiagonale A minus kürzere Schädeldiagonale B [Schaaf et al., 2010]. Der Asymmetrieindex (Cranial Vault Asymmetry Index CVAI, Normwerte ≤ 3,5% [Wilbrand et al., 2011]) beurteilt die Asymmetrie des Schädels unabhängig von der Kopfgrösse [Schaaf et al., 2010]. Er lässt sich berechnen, indem die längere Schädeldiagonale A zur kürzeren B in ein vorgegebenes Verhältnis gesetzt wird [Yacoub et al., 2013]: CVAI = (A-B) × 100 geteilt durch B. Der Schädelindex (Cranial Index CI, Normwerte 76–81% [Wilbrand et al., 2011]) berechnet sich folgendermassen [Schaaf et al., 2010]: CI = Schädelbreite × 100 geteilt durch die Schädellänge. © Copyright Ortho-Team AG, Bern

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