KINDERÄRZTE.SCHWEIZ 1/2018

FORTB I LDUNG 01 / 2018 K I N D E R Ä R Z T E. SCHWEIZ 30 Bei Säuglingen mit Schiefhals schafft eine physiotherapeutische Behandlung und Begleitung Voraussetzungen für eine symmetrische Bewegungsentwicklung und unterstützt die Spontankorrektur. Je früher die Eltern mit ihrem Kind der Physiotherapie zugewiesen werden, umso besser ist der Erfolg. Sekundärprobleme können vermieden werden. In der Regel werden mir die Kinder mit Schiefhals vom betreuenden Kinderarzt zugewiesen. Idealerweise erfolgt die Zuweisung zum frühestmöglichen Zeitpunkt. Zeigt ein Kind vier bis sechs Wochen nach der Geburt trotz abgegebener Instruktion in symmetrischem Handling weiterhin deutliche Haltungs- und Bewegungsasymmetrien, sollte mit Physiotherapie begonnen werden. Dieser frühe Behandlungsbeginn ermöglicht es, Gewohnheitsmuster einfacher zu beeinflussen. Die Wirbelgelenke des Babys sind in den ersten 10–12 Wochen noch knorpelig und flach ausgerichtet. Lernt ein Kind in diesem Alter nicht, seinen Kopf frei von einer Seite zur anderen zu drehen, beziehungsweise hat es die Möglichkeit aufgrund von muskulären Dysbalancen oder Blockierungen nicht, können sich die Kopfgelenke asymmetrisch stabilisieren. Daraus entsteht wiederum ein asymmetrisches Bewegungsausmass der Halswirbelsäule mit Sekundärfolgen wie vegetative Symptome, skoliotische Verbiegung der gesamten Wirbelsäule, Beckenschiefstellung und daraus entstehende Hüftgelenksreifungsstörungen und asymmetrische Bewegungsentwicklung. Ebenfalls können Teilmuster von primitiven Reflexen länger bestehen bleiben und die Problematik der asymmetrischen Bewegungsentwicklung verstärken. Der erste Kontakt mit den Eltern und dem Kind stellt einen wichtigen Moment dar. Oftmals sind die Eltern besorgt, wissen nicht genau, was mit ihrem Kind nicht stimmt und wieso sie zur Physiotherapie kommen sollen. Manchmal bestehen auch Zweifel, ob das Ganze denn auch hilfreich und nützlich sei. So besteht mein erster Auftrag darin, die Eltern über die Problematik des Schiefhalses und über das Vorgehen in der Physiotherapie genau aufzuklären. Ich erkläre ihnen ebenfalls den enorm wichtigen Anteil, welchen sie als Eltern beisteuern können, um ihr Kind erfolgreich bei der weiteren symmetrischen Bewegungsentwicklung zu unterstützen und damit Sekundärprobleme zu vermeiden. Ich kündige bereits an, dass ich spezifische Anleitungen geben werde und deren Umsetzung optimale Voraussetzungen für einen raschen Erfolg schaffen können. Was ist denn hier schief? Eine kurze, einfache Erklärung, welche Strukturen betroffen sein können und welche unterschiedlichen Muster sich zeigen können, ist angebracht und wichtig, damit die Eltern verstehen, warum sie später welche Massnahmen und Übungen anwenden werden. In meiner Praxis treffe ich am häufigsten folgendes Muster an: Das Kind dreht den Kopf zur einen Seite und neigt ihn zur gegenüberliegenden Seite. Betroffen sind der M. sternocleidomastoideus, manchmal auch die Kopfgelenke und die kurzen Nackenmuskeln. Beim zweithäufigsten Muster dreht das Kind den Kopf zu einer Seite und neigt ihn zur selben Seite. Hier finde ich eher betroffene kurze Nackenmuskeln und Facettengelenke. Ein weiteres mögliches Muster ist die bevorzugte Drehung des Kopfes zu einer Seite ohne Seitneigung. Jedes Muster verlangt eine andere, spezifisch angepasste Behandlung und eine entsprechende Instruktion der Eltern. Als Ursachen kommen intrauterine Zwangslagen, geburtsbedingte Überdehnung/ Verletzung des Muskelgewebes und postpartal bevorzugte Drehung des Kopfes zu Lichtquellen etc. … infrage. An diesem Punkt wird auf die problembezogene Handlungsinstruktion übergeleitet. Ich beginne ihnen zu erklären, wie sie als Erstes die Umgebung des Babys anpassen können, damit das Kind optimal stimuliert wird, auf seine nicht bevorzugte Seite zu schauen. Ich bitte um Erlaubnis, nun direkt mit dem Baby auf dem Behandlungstisch arbeiten zu dürfen und prüfe in diesem ersten direkten Kontakt mit dem Kind die Eigenaktivität und dabei die Bewegungsqualität, das Bewegungsausmass der Halswirbelsäule, Bewegungsvariabilität sowie die Kopfform und allfällige Gesichtsasymmetrien. Ich suche nach Auffälligkeiten, welche sich oftmals in Zusammenhang mit dem Schiefhals zeigen: Kompensatorische Bewegungen im Schulterbereich, um die fehlende Rotation auszugleichen (sogenannter Schulterblock), asymmetrischer Einsatz der Arme IRINA DE LA CUADRA, DIPL. PHYSIOTHERAPEUTIN FH, BERN Korrespondenzadresse: info@irinadelacuadra.ch Kinder mit Schiefhals in der Physiotherapie Das Mädchen in seinem gewohnten Bewegungsmuster: Blick nach rechts, Seitneigung rechts. Die Handposition der Mutter verstärkt das Muster.

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