KINDERÄRZTE.SCHWEIZ 1/2018

FORTB I LDUNG 01 / 2018 K I N D E R Ä R Z T E . SCHWEIZ 24 Mehrheitlich entsteht ein Plagiocephalus durch eine bevorzugte Kopfhaltung während der ersten 4–8 Le- benswochen, sei es aufgrund einer entsprechenden Stimulation, aus Gewohnheit, durch eine muskuläre Dysbalance oder artikuläre Dysfunktion. Teilweise wird eine einseitige Kopfhaltung bedingt oder begünstigt durch einen muskulären Torticollis, ein Caput succeda- neum oder Kephalhämatom, eine Plexus- oder Hemi- parese. Durch die einseitige Belastung des Hinterkopfs kommt es erst zu einer einseitigen occiptalen oder pari- eto-occipitalen Abflachung. Je nachdem wie rasch und effektiv Gegenmassnahmen ergriffen werden, brei- tet sich die Asymmetrie weiter nach frontal aus. Häu- fig fällt die Deformität erst im Alter von 2–4 Monaten auf. Je nach Ausprägung werden 5 Typen unterschie- den (Tabelle 4, Abbildung 3) [3]. Bei Kindern, die ihren Kopf konsequent gerade halten und kaum zur Seite drehen, kann sich eine mehr oder weniger symmetrische Abflachung des Hinterkopfs ent- wickeln, ein sogenannter posteriorer Brachycephalus. Hier werden 3 Typen beschrieben (Tabelle 5) [3]. Die Plastizität des Schädelknochens und die Be- weglichkeit in den Schädelnähten sind individuell ver- schieden. In der Literatur werden diverse weitere Risi- kofaktoren benannt, welche bei der Entstehung einer lagerungsbedingten Schädeldeformität eine Rolle spie- len. Sie sind in Tabelle 6 zusammengefasst [4]. In manchen Fällen fällt bereits bei Geburt eine Defor- mität des Hinterkopfs auf, bedingt durch eine intraute- rine Zwangslage oder enge Platzverhältnisse vor oder während der Geburt. Diese Deformitäten verschwinden oft spontan innerhalb von Wochen. Falls sie persistie- ren oder zunehmen, verhalten sie sich bei der Behand- lung oft hartnäckig. Klinische Untersuchung und Beurteilung Um den Schweregrad eines Plagio- oder Brachycepha- lus zu objektivieren und den Verlauf zu dokumentieren, werden verschiedene Parameter gemessen oder berech- net (siehe Tabelle 3). Die Erhebung der Daten erfolgt durch die klassische Kraniometrie mittels Zirkel oder Schieblehre oder mithilfe eines 3-D-Foto-Scans. Das Ausmass des Plagiocephalus wird durch die Differenz der Schädeldiagonalen oder den Asymmetrie-Index aus- gedrückt, wobei letzterer die Differenz der Diagonalen in Relation zur kurzen Diagonalen darstellt, womit auch die Grösse des Schädels mitberücksichtigt wird [5]. Die Diagonalen werden bei uns in jeweils 30° zur Längs- achse des Schädels gemessen. In anderen Kliniken wird jeweils der grösste bzw. kleinste Schrägdurchmesser, unabhängig vom Winkel zur medianen Sagittalebene, bevorzugt. Diverse andere Messtechnicken mit unter- schiedlichen Referenzpunkten und Instrumenten sind in der Literatur beschrieben [6, 7]. Ein Brachycephalus be- Tabelle 6 Tabelle 5 Tabelle 4 Abbildung 3: Schema Plagiocephalus. Charakteristika der Typen 1–5. Klinische Klassifikation des lagerungsbedingten Plagiocephalus Typ 1 einseitige Abflachung des Hinterkopfs Typ 2 zusätzlich Verschiebung der Ohrachse (ipsilaterales Ohr nach frontal verschoben) Typ 3 zusätzlich Vorwölbung der ipsilateralen Stirn Typ 4 zusätzlich Gesichtsasymmetrie Typ 5 zusätzlich Vorwölbung temporal, parietal-vertikal oder auf der Gegenseite parieto-occipital Klinische Klassifikation des lagerungsbedingten Brachycephalus Typ 1 symmetrische Abflachung des Hinterkopfs Typ 2 zusätzlich seitliche Verbreiterung des Hinterkopfs Typ 3 zusätzlich Vorwölbung temporal oder parietal-vertikal Risikofaktoren für die Entwicklung einer lagerungsbedingten Schädeldeformität Pränatale Faktoren männliches Geschlecht erstes Kind junge Eltern niedriger Bildungsstand Perinatale Faktoren protrahierter Geburtsverlauf Einsatz von Saugglocke oder Zange hohes Geburtsgewicht grosser Kopfumfang Postnatale Faktoren Flaschenernährung ohne Positionswechsel geringe «tummy time» Entwicklungsverzögerung

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