01 / 2018 FORTB I LDUNG K I N D E R Ä R Z T E. SCHWEIZ 19 regionaler Kinderarztnotfall organisiert werden könnte. Wiederum sind solche Entwicklungen von grösster Bedeutung, um die Attraktivität einer pädiatrischen Tätigkeit vor allem im ländlichen Umfeld für die junge Generation zu bewahren respektive zu verbessern. 5. Regionaler Kinderärztemangel, aktuell oder in absehbarer Zukunft? Von den teilnehmenden Kinder- und Jugendärzten nehmen über die Hälfte (60%) einen Kinderärztemangel wahr. In Abbildung 2 wird der wahrgenommene Kinderärztemangel aufgeteilt nach Kantonen dargestellt. Den Studienteilnehmern wurde die Möglichkeit zu persönlichen Äusserungen (Freitext) gegeben. Diese Option wurde von vielen Teilnehmern genutzt. Sie berichten detailliert über einen unvermeidlichen Patienten-Aufnahmestopp in ihrer Praxis, von verzweifelten Eltern, welche einen Kinderarzt suchen, über eine zu hohe Arbeitsbelastung, von Überweisungen der Kinder bei Erkrankung auf die Notfallstation oder Kinder-Permanence und erfolgloser Nachfolgersuche. Viele Kinderärzte sind sehr bemüht, die Nachfolge zu regeln. Einerseits bieten sie Studentenkurse oder Praxisassistenzen an, um die neue Generation von der Attraktivität des Berufes «Kinderarzt» zu überzeugen und dadurch auch mit potenziellen Nachfolgern in Kontakt zu kommen. Es werden auch enge Kontakte zu den Spitalärzten der Kinderspitäler geknüpft und an Fortbildungen wird über die Nachfolgersuche berichtet. Um die Attraktivität der Praxis zu steigern wird einerseits die Infrastruktur verbessert (z. B. elektronische Krankengeschichte, Gruppenpraxen), anderseits zum Beispiel auch eine Aktiengesellschaft für die Praxis gegründet, um die finanzielle Belastung der Praxisübernahme optimal zu halten. Einige Kinderärzte inserieren auch auf diversen Praxisvermittlungsseiten (z. B. FMH Consulting, Praxsuisse, Headhunter). Trotz diesen Bemühungen berichteten etliche Kinderärzte, dass sie bisher keinen Nachfolger finden konnten und ihre Praxis ohne Nachfolger schliessen mussten. In solchen Regionen kommt es folglich zu einer relevanten Mehrbelastung der weiterhin tätigen Kinderärzte. Das durchschnittliche Alter der Studienteilnehmer bei den Kinderärzten war 50,4 Jahre. Aus der Work Force Studie in der Erwachsenen-Hausarztmedizin ist bekannt, dass aufgrund der Überalterung der Hausärzte ein Verlust an Arbeitszeit der tätigen Hausärzte in der nächsten Dekade von über 60% resultieren könnte [1]. Obwohl aus den vorliegenden Daten keine genaue Vorhersage in der Kindermedizin zu machen ist, kann aufgrund der demografischen Daten jedoch angenommen werden, dass bei den Kinder- und Jugendärzten wegen der vergleichbaren Überalterung innerhalb einer bis zwei Dekaden ein Kinderarztmangel in einem ähnlichen Ausmass erwartet werden kann. Wie in der Erwachsenenmedizin ist es unumgänglich, sich bereits zum aktuellen Zeitpunkt Gedanken zur Sicherung der zukünftigen Kinderarztmedizin zu machen. Die Praxistätigkeit muss für die auszubildenden Assistenzärzte attraktiver werden. Bereits aktuell werden von diversen Kinderspitälern Praxisassistenzen angeboten, das heisst während der Ausbildung zum Kinderarzt arbeiten die Assistenzärzte für eine gewisse Zeit bei in der Region tätigen Kinderärzten in der Praxis. Eine gute Zusammenarbeit zwischen Kinderspital und Grundversorger ist deswegen von grosser Wichtigkeit, um die Zukunft der Kinderarztmedizin hinsichtlich Work Force zu sichern. Einen wichtigen Beitrag leistet hier die «Stiftung zur Förderung der Weiterbildung in Hausarztmedizin» (SHM), welche jährlich circa 35 Praxisassistenten (6 Monate zu 100%) finanziell unterstützt. Dies ermöglicht in Ausbildung befindlichen Assistenzärzten, im Rahmen der Praxisassistenz ihre Fähigkeiten direkt beim Hausarzt oder Kinderarzt zu erweitern. Schlussfolgerungen Es herrscht allgemein eine Zufriedenheit bei den Kinder- und Jugendärzten. Die Freude an der Ausübung des gewählten Berufes überwiegt zum grössten Teil. Ziel ist es, dass dieser facettenreiche Beruf auch für die nächste Generation attraktiv bleibt, damit die pädiatrische Grundversorgung in der Schweiz trotz den ungünstigen demografischen Entwicklungen gesichert werden und weiterhin auf hohem Niveau bleiben kann. DANKSAGUNG Ein grosses Dankeschön geht an alle Kinderärzte, welche an der Umfrage teilgenommen haben, für ihr wertvolles Feedback. Nur dank der zahlreichen Teilnahme konnten erstmalig in der Schweiz wichtige Daten zur Work Force Kindermedizin erhoben werden. Ein herzlicher Dank geht auch an den Berufsverband «Kinderärzte Schweiz» für die Vermittlung der Adressen der Studienteilnehmer. REFERENZEN [1] Zeller A., Tschudi P.: «Anamnese und Status» bei Schweizer Hausärzten. Primary und Hospital Care, 2016;16(15):277–280. [2] Kraft E., Hersperger M.: Ärzteschaft in der Schweiz – die Feminisierung der Medizin. Schweizerische Ärztezeitung, 2009;90:47. [3] Handelszeitung vom 11.03.2015: Zukunft der Arbeitswelt: so tickt die Generation Y. (http://www.handelszeitung.ch/management/ zukunft-der-arbeitswelt-so-tickt-die-generation-y-752548). [4] Gähler E., Scherrer R.: TARMED-Änderung per 1. Oktober 2014. Schweizerische Ärztezeitung 2014;95(40):1481-2. [5] Gisler LB et al. BMC Family Practice (2017) 18:12 DOI 10.1186/ s12875-017-0591-7. Abbildung 1: Neun von zehn Teilnehmer (88.8%) der Studie ziemlich bis ausserordentlich zufrieden mit ihrer Arbeitssituation. Kinderärztemangel in Ihrer Region? Abbildung 2: Die Daten aus den Kantonen GL und AI wurden aufgrund der niedrigen Anzahl antwortender Kinderärzte nicht berücksichtigt. Angaben entsprechen Prozenten der Studienteilnehmer, welche die Frage nach Kinderärztemangel mit «Ja» beantwortet haben.
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