KINDERÄRZTE.SCHWEIZ 4/2017

K I N D E R Ä R Z T E. SCHWEIZ 29 04 / 2017 JAHRESTAGUNG 2017 – WORKSHOPS Die Teilnehmenden dieses Kurses erhalten einen theoretischen und praktischen Überblick, was das Therapiekonzept der Akupunktur umfasst und wie dieses in der Pädiatrie angewendet werden kann. Nach 90 Kursminuten verlassen wir den Raum mit dem Gefühl, einen Wimpernschlag lang in die komplexe Welt der chinesischen Medizin eingetaucht zu sein, deren praktische Anwendung erlernbar ist und die sich sehr gut in die pädiatrische Sprechstunde integrieren lässt.  Die Akupunktur ist definiert als gezielte therapeutische Beeinflussung von Körperfunktionen mit Nadeln und zugehörigen Reizverfahren über spezifische Punkte der Körperoberfläche. Diese über 2000 Jahre alte Technik wirkt in der Steigerung unseres Energieflusses, u.a. über eine Anregung und Wiederherstellung der körpereigenen Regulation. Durch das breite Wirkspektrum von schmerzlindernd, tonusregulierend, immunmodulierend, abschwellend, durchblutungsfördernd bis psychisch ausgleichend wird sie in verschiedenen Fachgebieten eingesetzt.  In der Pädiatrie kann die Akupunktur angewendet werden bei Bauchschmerzen/Koliken, bei Appetitlosigkeit nach Erkrankungen, bei Obstipation oder Durchfällen, bei Atemwegserkrankungen, bei Neurodermitis und Allergien, bei Schlafstörungen, Kopfschmerzen und Migräne, bei Prüfungsängsten, Torticollis, Schmerzen im Bewegungsapparat und bei Patienten mit Cerebralparese.  Mercedes Ogal veranschaulicht uns die pädiatrischen Anwendungsmöglichkeiten der Akupunktur anhand zahlreicher Nadeln verschiedener Stärken oder mittels Laserakupunktur. Die Akupressur eignet sich gut für die Elterninstruktion, als Therapie über mehrere Tage ist die Anwendung von Ohr-Dauer-Kügelchen indiziert.  Daneben erfahren wir, dass das uns allen bekannte Yin und Yang sich in unserer Organanlage wiederfindet. Damit unser Qi, die Kraft des Lebendigen, fliessen kann, müssen unsere Hohl- und Speicherorgane im Gleichgewicht zueinander sein. Zahlreiche Mikrosysteme repräsentieren unseren Körper. Neben den bekannteren Fussreflexzonen eignet sich das Ohr zur Akupunktur, das Lymphsystem kann mittels Lymph-Belt beeinflusst werden, die Wechselwirkung der Zähne zum Organismus kann zur Mundakupunktur genutzt werden. Schliesslich erfahren wir, dass unser Körper von 12 Leitbahnen umspannt wird, entlang derer die Akupunkturpunkte zu finden sind.  Und diese suchen wir nun selbst an uns bzw. unseren Sitznachbarn. Aus dem Seminarraum wird im Handumdrehen dank mitgebrachter Decken und Tücher ein interaktiver TCM-Trainingsraum. Wir pressen, nadeln oder stecken Ohr-Kügelchen in ausgesuchte Akupunkturpunkte, wie den Di 4, den Punkt auf der Dickdarmleitbahn, welcher bei vorderen Kopfschmerzen zur Anwendung kommt, immunmodulierend wirkt und beim Zahnarzt zur Schmerzkontrolle eingesetzt werden kann. Oder den Ma 36, einer der wichtigsten allgemeinen Stärkungspunkte, welcher bei Magen-Darm-Erkrankungen aufgesucht werden kann. Übereinstimmend äussern sich die Teilnehmenden überrascht, dass auch tief gesetzte Nadeln nicht als Schmerz wahrgenommen werden und durch die behandelten Punkte ein entspannendes Wärmegefühl strömt. Der Le 3 harmonisiert den QiFluss und kann bei Kleinkindern mit Koliken angewendet werden – ich habe ihn am Folgetag in der Sprechstunde angewendet und war vom aufgeweckten Lachen des Säuglings zwei Wochen später selbst überrascht.  Danke Mercedes, für diesen anregenden Einblick in die Welt der TCM, die unser tägliches Handeln so profund ergänzen kann! ■ REFERENTIN: DR. MED. MERCEDES OGAL, FACHÄRZTIN FÜR KINDER- UND JUGENDMEDIZIN FMH MIT PRAXIS IN BRUNNEN, FÄHIGKEITSAUSWEIS AKUPUNKTUR UND TRADITIONELLE CHINESISCHE MEDIZIN (ASA), FÄHIGKEITSAUSWEIS PSYCHOSOMATISCHE UND PSYCHOSOZIALE MEDIZIN (APPM) AUTORIN: DR. MED. ISABELL IFF-TURECZEK, FACHÄRZTIN FÜR KINDER- UND JUGENDMEDIZIN FMH, ARZTPRAXIS GARTENHOF, RICHTERSWIL KORRESPONDENZADRESSE: iff-tureczek@hin.ch Akupunktur in der Kinderarztpraxis: Bewährte Möglichkeiten zur Erweiterung des therapeutischen Spektrums

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