KINDERÄRZTE.SCHWEIZ 4/2017

K I N D E R Ä R Z T E. SCHWEIZ 22 JAHRESTAGUNG 2017 – WORKSHOPS 04 / 2017 Vorab: Der Workshop konnte meine Vorurteile gegenüber der Osteopathie abbauen, klärte Bergriffsverwirrungen und liess mich das Konzept der Osteopathie besser verstehen.  Die Referentinnen Manuela Pappa und Christina Thomas haben beide ihren beruflichen Ursprung in der Physiotherapie und haben sich dann berufsbegleitend zu Osteopathinnen ausgebildet.  Der Schweizerische Verband der Osteopathen (www. fso-svo.ch) vertritt als Dachverband die Osteopathinnen und Osteopathen. Alle Mitglieder müssen eine durch die Gesundheitsdirektorenkonferenz anerkannte Ausbildung abgeschlossen haben. Diese beinhaltet heute ein 5-jähriges Vollzeitstudium mit anschliessend 2-jähriger Assistenzzeit und einer Abschlussprüfung. Entsprechend existieren eineWeiterbildungspflicht sowie Ethik- und Standesregeln.  Die Osteopathie will ganze Funktionsketten im Körper beobachten, Unterbrüche erkennen und mittels ihrer manuellen Techniken wiederherstellen. Die Referentinnen sprechen von differenzierten Rigiditäten, die in oberflächlichen oder tieferen Organstrukturen für den Therapeuten erkennbar sind. Es geht um die Herstellung von «Komfortzonen», die durch den therapeutischen Abbau der Spannungen entstehen. Dabei zeige nicht immer das Symptom auch die Ursache des Problems. Es muss somit schlussendlich nicht geklärt sein, warum die Therapie im Einzelfall geholfen hat.  Zitat aus der Verbandsbroschüre: Der Osteopath setzt gezielte manuelle Reize, um die betroffenen Gewebestrukturen zu stimulieren und ihre mechanischen Eigenschaften und damit ihre Funktion wiederherzustellen.  Die Osteopathie versteht sich als Vertreterin der ganzheitlichen Medizin. Der Schwerpunkt liegt in der Diagnosestellung und Behandlung von Funktionsstörungen. Die Therapeuten arbeiten ausschliesslich mit ihren Händen, d. h. ohne irgendwelche technischen Hilfsmittel. Die Craniosakraltherapie ist lediglich ein Teilbereich der Osteopathie. Der Titel Craniosakraltherapeut ist keine anerkannte Berufsbezeichnung.  Der zweite Teil des Workshops galt der Demonstration der Praxis, in dem M. Pappa einen osteopathischen Untersuchungsgang an ihrem 9-jährigen Sohn präsentierte. Hier unterscheidet sich primär die Untersuchung nicht von einer kinderärztlichen: Gangmuster, Bewegungsfähigkeit beim Abkleiden, Symmetrien werden visuell beurteilt. Dann aber wird der Osteopath «handgreiflich»: Abtasten nach (Un-)Regelmässigkeiten der Wirbelsäule, Mobilität der Wirbelkörper oder Rippen, das Ertasten von Muskelverhärtungen und Spannungen auch tiefer gelegener Gewebe und Faszien.  Wie lange dauert denn eine Therapie, wird gefragt. Bei akuten Problemen wie Schreibabys, Obstipation, Schiefhals oder Koliken sind 1–3 Sitzungen ausreichend, chronische Funktionsstörungen wie z. B. bei einer Hemiplegie profitieren von regelmässigen Sitzungen einmal pro Monat oder auch seltener. Und es wird immer Patienten geben, die auf eine osteopathische Therapie nicht ansprechen. So wie in Einzelfällen auch Nebenwirken zu beobachten sind, indem z. B. ein Schiefhals erfolgreich behandelt wird, tags darauf aber der Patient eine Lumbago beklagt. Hier müsse dann laut Referentinnen erst die persönliche Komfortzone gesucht werden.  Wichtig war den Referentinnen auch zu betonen, dass sie Patienten, die aus ihrer Sicht dringlich einer schulmedizinischen Abklärung bedürfen, auch erst dort wieder hin empfohlen werden. Umgekehrt werde es sehr geschätzt und auch gewünscht, wenn seitens der Kinderärzte der Kontakt gesucht wird.  Obwohl die Liste der angeführten behandelbaren Erkrankungen und funktionellen Störungen lang ist, betonen die Referentinnen, dass die Indikation zur Behandlung immer individuell gestellt werden muss. Eine vielerorts praktizierte («Giesskannen»-)Therapieempfehlung, wie z. B. die Behandlung aller Säuglinge nach Sectio, lehnen sie strikte ab.  Mein Fazit: Die Osteopathie bereichert schon lange meine therapeutischen Optionen funktioneller Erkrankungen. Ich werde sie aber in Zukunft gezielter und mit gutem Gewissen empfehlen sowie den direkten Kontakt zu den Therapeuten nicht scheuen. ■ REFERENTINNEN: CHRISTINA THOMAS, OSTEOPATHIN D.O., KINDEROSTEOPATHIN P.O., OSTEOPATHIN DIPL. GDK-CDS, MIT PRAXIS IN MÖNCHALTDORF MANUELA PAPPA, OSTEOPATHIN D.O, KINDEROSTEOPATHIN P.O., OSTEOPATHIN DIPL. GDK-CDS, MIT PRAXIS IN WETZIKON (ZH) MODERATION: DR. MED. FELIX E. SUTER, FACHARZT FÜR KINDER- UND JUGENDMEDIZIN FMH, PRAXISPÄDIATER IN TEUFEN AUTOR: DR. MED. CARSTEN PETERS, FACHARZT FÜR KINDER- UND JUGENDMEDIZIN, SCHLOSSBERG ÄRZTEZENTRUM, FRAUENFELD KORRESPONDENZADRESSE: carsten.peters@hin.ch Ein Einblick in die Osteopathie

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