KINDERÄRZTE.SCHWEIZ 4/2017

K I N D E R Ä R Z T E. SCHWEIZ 17 04 / 2017 JAHRESTAGUNG 2017 Rolf Maibach hat uns in einem sehr beeindruckenden Vortrag in Wort und Bild von seiner Zeit im Hôpital Albert Schweitzer in Haiti berichtet. Vor 21 Jahren begannen Rolf Maibach und seine Frau Raphaela jedes Jahr einen Monat als Volontäre am Hôpital Albert Schweitzer zu arbeiten und zogen vor 11 Jahren sogar ganz nach Haiti. Diesen Entscheid bezeichnet Rolf Maibach als einen der besten seines Lebens.  Das Hôpital Albert Schweitzer wurde 1956 von einem amerikanischen Ehepaar nach dem Vorbild von Lambarene gegründet. Es versorgt mit offiziell nur 131 Betten und 13 Dispensaires in den Bergen eine Bevölkerung von 350000 Einwohnern, während Katastrohen auch weit mehr. Die Hälfte der Spitalbetten sind für Kinder und die Abteilungen für Neonatologie sowie die Rehabilitationsklinik Malnutrition die einzigen im Umkreis von 100 km. Nach dem Erdbeben von 2010 wurde zusätzlich eine sehr erfolgreiche Prothesenklinik aufgebaut. Das älteste Projekt ist der Aufbau des Labors und später auch die Mikrobiologie durch Raphaela Maibach. Auch hinsichtlich Wasser- und Stromversorgung ist das Spital autonom. Vor zwei Jahren konnten die immensen Kosten der Stromproduktion mit Dieselgeneratoren durch eine Solaranlage reduziert werden.  Bei der Arbeit in einem Entwicklungsland kommt man schnell an Grenzen. Viele lassen sich durch Einsatz, Teamwork und Geduld überwinden. Andere aber auch nicht, weil technische und personelle Mittel fehlen. Wenn man nicht nur eigene Vorstellungen umsetzen will, sondern kulturelle Unterschiede akzeptiert und bereit ist zu lernen, sind Grenzüberschreitungen möglich. Geben und Helfen allein ist ein ungenügender und meist auch nicht nachhaltiger Ansatz. Man muss auch den Dank und die Anerkennung der einheimischen Bevölkerung annehmen. Selbst der Spagat zwischen den Kulturen kann sehr bereichernde Erkenntnisse liefern. So hatte Rolf Maibach oft den Eindruck, in Haiti fast so viel gelernt zu haben wie in der Schweiz. In eindrücklichen Bildern berichtet er über die Behandlung von Malnutrition, Marasmus, Kwashiorkor und verschiedener Manifestationen der Tuberkulose. Es ist sehr gut nachvollziehbar, dass man die korrekte Behandlung dieser Tropen- und Armutserkrankungen nicht aus Lehrbüchern lernt.  Nach dem Erdbeben 2010 war das Spital eines der wenigen funktionierenden im Land. Im Zeitraum von wenigen Tagen konnten über 80 Volontärärzte rekrutiert und mehr als 1300 Schwerverletzte behandelt werden. Auch während der Choleraepidemie wurden 7100 Patienten in einer abgetrennten Einheit hospitalisiert. Dank dieser vorbildlichen Einsätze wurde das Spital in der ganzen Schweiz bekannt und erhielt grosse Unterstützung.  Voraussetzung für diesen motivierten und erfolgreichen Einsatz ist gemäss Rolf Maibach die Zusammenarbeit auf Augenhöhe mit Respekt, Bescheidenheit, Bestimmtheit, Humor und Liebe. Die respektvolle Begegnung mit dem armen Bauern und seinem unterernährten Kind ist auch Vorbild für die haitianischen Mitarbeiter im Spital. Bescheidenheit bekommt man sozusagen als Geschenk, wenn man sieht, mit wie wenig die Menschen in Haiti überleben und ihre Familien versorgen. Das Wissen der lokalen Bevölkerung darf nie unterschätzt werden und bringt in Kombination mit unseren Erfahrungen den gewünschten Erfolg. Die Missachtung dieser Erkenntnis führt leider häufig zum Scheitern der staatlichen Hilfswerke. Die Bestimmtheit bringen wir aus Europa mit, kann aber von den Haitianern gelernt werden. Ein persönlicher Beitrag von Rolf Maibach zum Humor als wichtigem Treibstoff erfolgreicher Aktionen war das Ritual, den Morgenrapport jeweils mit einem haitianischen Sprichwort zu beginnen. Und dann ist da noch die Erkenntnis, dass wir die Menschen, mit denen wir zusammenarbeiten, gerne haben müssen, wenn wir unsere Ziele erreichen und dauerhaft Erfolg haben wollen. Ganz gemäss den Worten von Albert Schweitzer: «Das Glück ist das Einzige, das sich verdoppelt, wenn man es teilt.» ■ Bericht Hauptreferat von Rolf Maibach Grenzenloser Einsatz für die Pädiatrie? DR. MED. BARBARA SCHILLER, KINDERARZTPRAXIS AM PÄRKLI, ST. GALLEN Korrespondenzadresse: barbara.schi@gmx.de

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