KINDERÄRZTE.SCHWEIZ 4/2017

04 / 2017 BERUFSPOL I T I K K I N D E R Ä R Z T E. SCHWEIZ 11 der HIV-Infizierten mit 1,7–2,1% im Vergleich zu einigen afrikanischen Ländern noch relativ gering ist, ist in der Karibik Haiti das zweite Land (nach Kuba) mit der höchsten Anzahl an HIV-Neuinfektionen mit den entsprechenden Herausforderungen an die Gynäkologen und Pädiater [3]. Arbeit in den Dispensaires In den folgenden drei Monaten war ich dann in den unterschiedlichen Gesundheitsstationen «Dispensaires» unterwegs. Diese sind die erste Anlaufstelle für Patienten jeder Altersstufe, und entsprechen bei uns der haus- und kinderärztlichen Tätigkeit. Durch Pflegepersonal findet die Basisgesundheitsversorgung statt, beispielsweise die Behandlung akuter Infektionen, die Wundversorgung, Schwangerschaftsvorsorge und die Behandlung von Hypertonie und Diabetes. Hier müssen auch medizinische Notfälle versorgt und ins nächste Krankenhaus verlegt werden. Primary Health Care ist in Haiti ein Grundpfeiler der medizinischen Versorgung und eine besondere Herausforderung, da es pro 3000 Einwohner eine/n Ärztin/Arzt oder eine/n Krankenschwester/Krankenpfleger gibt und die öffentlichen Gesundheitsausgaben zu den niedrigsten der Welt zählen [4]. Gerade die Möglichkeit, durch Präventionsarbeit und Aufklärung Unterernährung, Erkrankungen und Infektionen zu verhindern, macht diese Arbeit enorm wichtig. So wurde im Wartebereich der Dispensaires in der lachenden Menge wöchentlich mithilfe eines Holzpenis und Kondomen Sexualaufklärung betrieben und gleichzeitig das weiterhin bestehende Stigma von an HIV/AIDS erkrankten Menschen angesprochen.  In den Dispensaires schulte ich das Gesundheitspersonal. In den Kursen und während der Untersuchungen besprachen die Teilnehmer mit mir beispielsweise die klinischen Zeichen und Warnhinweise bei Durchfallerkrankungen mit schwerer Dehydratation, Pneumonien und Herzinsuffizienz, Erstmassnahmen bei Krampfanfällen und die wichtigsten Schwangerschaftsnotfälle. Mit Fallbeispielen und Präsentationen behandelten wir die wichtigsten akuten und auch chronischen Erkrankungen. Mit zunächst kleinen Berührungsängsten und dann jedoch grösserem Vergnügen wurde ich in die stabile Seitenlage gebracht und zumindest virtuell mit einem Zugang und Flüssigkeit versorgt. Und als dann tatsächlich während eines Vormittags im Dispensaire ein Notfall ankam, wurde dieser hervorragend gemanagt und in die Ambulanz auf den Weg zum Krankenhaus gebracht. Dies war einer der schönsten Momente für mich. Ich sehe die gemeinsame Arbeit und die Ausbildung, wie sie durch haitianische und ausländische Ärzte und Krankenpflegepersonal erfolgt, als kleine Schritte auf dem Weg zu einer Verbesserung der Gesundheitsversorgung.  Und die Gesundheit der Erwachsenen als auch der Kinder schafft die Voraussetzung für eine persönliche und intellektuelle Entwicklung einer sehr vulnerablen Gruppe. Diese hat momentan kaum Zukunftschancen, jedoch ein riesiges Potenzial, das krisengeschüttelte Land Haiti aufzubauen. ■ Weitere Informationen zu Suisse Santé Haïti finden Sie unter www.suissesantehaiti.ch oder kontaktieren Sie Maurice Fritzsche, Kinder- und Jugendpraxis Emme, Oberburgstrasse 67, CH-3400 Burgdorf, maurice_f@gmx.net LITERATURQUELLEN: [1] United Nations Development Programme, Human Development Report 2016, unter: http://hdr.undp.org/sites/default/files/2016_human_development_report.pdf [2] The World Bank – World Development Indicators database, Country profile Haiti 2017, unter:http://databank.worldbank.org/data/Views/ Reports/ReportWidgetCustom.aspx?Report_Name=CountryProfile& Id=b450fd57&tbar=y&dd=y&inf=n&zm=n&country=HTI [3] Joint United Nations Programme on HIV/AIDS (UNAIDS), UNAIDS Data 2017, unter:http://www.unaids.org/sites/default/files/media_ asset/20170720_Data_book_2017_en.pdf [4] Anna D Gage, Assessing the quality of primary care in Haiti, 2016, Bulletin of the World Health Organization2017;95:182–190.doi Jedes Kind im Unterernährungsprogramm wird regelmässig gewogen. Die stolzen Teilnehmer der Schulung im Dispensaire Plassac.

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