BERUFSPOL I T I K 04 / 2017 K I N D E R Ä R Z T E. SCHWEIZ 10 Haiti – von diesem Land auf den grossen Antillen in der Karibik hören wir leider meist nur schlechte Nachrichten. Hierbei ist Haiti nicht nur durch Naturkatastrophen wie Erdbeben und Hurrikane, sondern auch durch menschengemachte Katastrophen betroffen. Eine weit verbreitete Korruption und politische Instabilität erschweren es den Menschen, die für ein aufstrebendes und lebenswerteres Haiti kämpfen. Und auf das ärmste Land der westlichen Hemisphäre warten viele Veränderungen. Im «Human Development Index» steht Haiti in Bezug auf seine Entwicklung mit Rang 163 (von 188 bewerteten Ländern) sehr weit am Ende [1]. Die über Jahrhunderte betriebene Abholzung der Wälder Haitis führten zu einer minimalen Bewaldungsfläche, vergleichbar mit dem des Sahelstaates Mali (beides ca. 3,5% und nur ca. 1/7 der Fläche im Vergleich zum Inselnachbarn Dominikanische Republik) [2]. Dies hat vor allem negative Folgen für die ärmere Bevölkerung durch eine erhöhte Erosion und den Mangel an Feuerholz und Ressourcen. Im Vergleich zu den anderen lateinamerikanischen Staaten steht Haiti mit 58,5% der Bevölkerung, die von unter 2 Dollar am Tag leben, an erster Stelle. 42% der Bevölkerung haben keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser [2]. «Meine Kinder müssen natürlich in den USA zur Highschool gehen», sagte mir eine ärztliche Kollegin und haitianische Freundin. «In Haiti gibt es für wissensdurstige Kinder keine Möglichkeiten, keine Ausbildung.» So ist für sie, wie auch für viele Haitianer, der Weg ins Ausland eine Flucht, eine Rettung. Doch sie selbst möchte bleiben; ihr Land aufbauen, ihr Land voranbringen. «Würden alle Menschen mit höherer Bildung aus dem Land fliehen, welche Hoffnung bliebe dann noch?» Diese Einstellung hat mich sehr berührt. Haiti benötigt vor allem im Rahmen von Naturkatastrophen (wie dem schweren Erdbeben und der folgenden Choleraepidemie 2010/11) humanitäre Hilfe. Andererseits hat dieses Land ein grosses Potenzial an Menschen; an Menschen, die für ein besseres Haiti kämpfen. Diese Menschen unterstützt Suisse Santé Haïti im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit durch Ausbildung. Hierbei ist die Idee, sowohl medizinisches als auch allgemeines, die Gesundheit betreffendes Wissen zu stärken und Orte für die Basisgesundheitsversorgung vor allem der ärmeren Bevölkerung zu schaffen. Hierzu sind im Artibonitetal unter anderem zwei Gesundheitsstationen sowie Arbeitsplätze für annähernd 50 haitianische Mitarbeiter entstanden. Mit unserer Arbeit tragen wir direkt und indirekt dazu bei, die Gesundheit der Menschen in Haiti zu fördern. Indem wir die Ausbildung der Menschen, die vor Ort arbeiten, fördern, stärken wir ihre «coping capacity», also ihre Stärke, sich selbst zu helfen und auch im Falle der nächsten Naturkatastrophe von Nutzen für die umgebende Bevölkerung zu sein. Als Ärztin durfte ich 2015 ein halbes Jahr im drei Stunden von der Hauptstadt entfernt gelegenen kleinen Ort Deschapelles verbringen. In den ersten 3 Monaten arbeitete ich am dortigen Hôpital Albert Schweitzer, um Sprache und Kultur, aber auch Arbeitsweise und die medizinischen Notwendigkeiten der Menschen näher kennenzulernen. Das HAS ist ein grosses Krankenhaus mit einem Einzugsbereich von ca. 300000 Menschen im Artibonitetal. Die Schwere der Erkrankungen, mit denen die Kinder in die Kinderklinik aufgenommen wurden, die eingeschränkten Möglichkeiten zur Diagnostik und Therapie waren mit meiner Arbeit in Deutschland nicht vergleichbar. Auch die Verantwortung und die Dienstzeiten waren ungleich grösser und bei einer hohen Mortalität physische und psychische Belastung. In Haiti sterben immer noch 69 von 1000 Kindern unter 5 Jahren [2]. Zu meinen persönlich schlimmsten Ereignissen zählten die vielen akut und chronisch mangelernährten Kinder sowie die Patienten, die an impfpräventiven Erkrankungen wie Tetanus und Diphterie erkrankten und oftmals verstarben. Doch konnten wir auch viele schwer erkrankte Kinder heilen und gesund wieder nach Hause entlassen. Grosse Herausforderungen stellen auch in Haiti sicherlich HIV und Tuberkulose dar. Auch wenn zur Zeit die Zahl Entwicklungszusammenarbeit in Haiti DR. MED. GEEKE SIEBEN, ASSISTENZÄRZTIN, KLINIK FÜR KINDER- UND JUGENDMEDIZIN, UNIVERSITÄTSKLINIKUM, D-MANNHEIM Korrespondenzadresse: geeke@web.de In Haiti arbeitet Suisse Santé Haïti seit Jahren für eine bessere Gesundheitsversorgung. Hierzu entsendet Suisse Santé Haïti u.a. regelmässig einen Arzt/Ärztin zur Fortbildung des Gesundheitspersonals in die kleinen ländlichen Gesundheitsstationen. Eine Familie mit unterernährten und einem an Tuberkulose erkrankten Mädchen.
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