KINDERÄRZTE.SCHWEIZ 4/2017

B e r u f s v e r b a n d K i n d e r - u n d J u g e n d ä r z t e i n d e r P r a x i s KINDERÄRZTE.SCHWEIZ Nachwuchsförderung Regionale Vernetzung Praxispädiatrische Fortbildung Interprofessionalität Jahrestagung News Homepage Kurswesen NEWS 04/2017 www.kinderaerzteschweiz.ch  info@kinderaerzteschweiz.ch Spring auf den KIS-Zug mit auf! Entwicklungszusammenarbeit in Haiti Migrationsmedizin in der Praxis Jahrestagung

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K I N D E R Ä R Z T E. SCHWEIZ 3 04 / 2017 INHALT/IMPRESSUM ■  HABEN SIE ANREGUNGEN, KRITIK ODER LOB? Dann schicken Sie uns eine E-Mail an: info@kinderaerzteschweiz.ch Wir freuen uns. IMPRESSUM REDAKTIONSTEAM: Dr. med. Matthias Furter, Winterthur; Dr. med. Stefanie Gissler Wyss, Neuendorf; Dr. med. Raffael Guggenheim, Zürich (Leitung); Dr. med. Cyril Lüdin, Muttenz; Dr. med. Nadia Sauter Oes, Winterthur; Dr. med. Kerstin Walter, Bern; Dr. med. Regula Ziegler-Bürgi, Küsnacht; Dr. Daniel Brandl, PhD, Geschäftsführer HERAUSGEBERIN: Verlag Praxispädiatrie GmbH, Badenerstrasse 21, 8004 Zürich ABO: 4 Ausgaben/Jahr: Fr. 48.– inkl. Porto (für Mitglieder inklusive) Spezialpreis für Mütter- und Väterberatungsstellen sowie Nonprofit-Organisationen im Bereich Kinder- und Jugendgesundheit: Fr. 32.– inkl. Porto BILDER Titelseite, Jahrestagung und Mitgliederversammlungen: Michael Rieder Photography, www.michael-rieder.ch Weitere Bilder: Suisse Santé Haïti, Blanche Hodler, Antje Hugi KORRESPONDENZ: Kinderärzte Schweiz Badenerstrasse 21, 8004 Zürich Telefon 044 520 27 17 info@kinderaerzteschweiz.ch, www.kinderaerzteschweiz.ch INSERATE: Dr. Cyril Lüdin, cyril@luedin.eu GRAFIK, SATZ UND DRUCK: Vogt-Schild Druck AG, CH-4552 Derendingen Auflage: 1350 Expl. Nächste Ausgabe: 01/2018 Redaktionsschluss: 9. Januar 2018 neutral Drucksache No. 01-17-650163 – www.myclimate.org ©myclimate – TheClimate Protection Partnership PERFORMANCE 5 EDI TOR IAL VERBANDSZ I ELE 7 Spring auf den KIS-Zug mit auf! BERUFSPOL I T I K 9 Kurzmeldungen aus Vorstand und Arbeitsgruppen 10 Entwicklungszusammenarbeit in Haiti MI TGL I EDERVERSAMMLUNG 12 Zorn- und Power-Frauen 13 Adieu Rolf! JAHRESTAGUNG 2017 15 Wenn einer eine Reise tut… 16 KIS-Workshop Regionale Vertreter – Praxisassistenz 17 Bericht Hauptreferat von Rolf Maibach Grenzenloser Einsatz für die Pädiatrie? 19 Industrieausstellung 20 JAHRESTAGUNG 2017 – WORKSHOPS 30 Als Kinderärztin im Einsatz für «Médecins sans frontières (MSF)» – Nur im E-Paper 31 Ein Kind – 1000 Ratschläge – Nur im E-Paper 32 Das Leben mit Epilepsie – wie gehen Betroffene damit um FORTB I LDUNG 35 Ernährung von Schweizer Kleinkindern 36 Zuschrift zum Artikel «Häufige Hautbefunde in der pädiatrischen Praxis» DI E GUTE FORTB I LDUNG 40 Veranstaltungskalender 40 Kinderärzte entdecken das Spielen KURSE /WORKSHOPS / FORTB I LDUNGEN 41 Kurse KIS ERFAHRUNGSBER I CHTE 43 Migrationsmedizin in der Kinderarztpraxis 46 Migrationsmedizin in der Kinderarztpraxis 47 Röntgen in der Praxis für Kinderärzte und ihre MPAs FÜR S I E GELESEN 48 Fragmente eines Tabus 48 Du und ich haben Diabetes FÜR S I E GESEHEN ( F I LMKR I T I K ) 49 Woche 23 – Die Entscheidung – Nur im E-Paper

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K I N D E R Ä R Z T E. SCHWEIZ 5 04 / 2017 EDI TOR IAL Liebe Leserinnen und Leser, «Pädiatrie grenzenlos» – das war das Thema der diesjährigen Jahrestagung und tatsächlich wurden die Teilnehmenden mit dem packenden Hauptreferat daran erinnert, dass wir in unserer täglichen Arbeit immer wieder Grenzen überwinden können, so wie dies auch in Ländern mit wenig Ressourcen möglich ist. Die heutige Ausgabe von Kinderärzte.Schweiz NEWS ist ganz der Jahrestagung und ihren mannigfaltigen Workshops gewidmet. So können auch diejenigen, welche nicht dabei sein konnten, einen Einblick in die spannenden und lehrreichen Workshops und kritische Kommentare zu den neu propagierten «Masterclasses» erhalten. Mit den vielfältigen Fotos konnten wir auch die entspannte, aber auch immer spannende Stimmung einfangen, welche die Jahrestagung von Kinderärzte Schweiz ausmacht. Dennoch mahnen die Artikel über die Mitgliederversammlung, dass für unseren Verband weiterhin grosse Aufgaben bereitstehen, welche in diesem Jahr angegangen werden müssen. Ja – wenn Jan Cahlik uns aufruft, auf den KIS-Zug aufzuspringen, dann meint er auch Euch, liebe Leserinnen und Leser! Der Verband braucht engagierte Pädiaterinnen und Pädiater, welche die scheinbaren Grenzen der Pädiatrie in der Schweiz überwinden wollen: Die Erfolge von KIS zeigen, dass es möglich ist! In diesem Sinn verabschieden wir in dieser Ausgabe auch einen dieser «Grenzgänger» der ersten Stunde, Rolf Temperli, welcher sich nach vielen Jahren als Co-Präsident und Vorstandsmitglied aus der aktiven Verbandsarbeit zurückzieht. Vielen Dank Rolf, für Dein ausserordentliches Engagement und die vielen prägnanten Kommentare, die Du unseren Lesern geschenkt hast. Ich danke gerne allen Autoren der Workshopberichte für ihre rasche und unkomplizierte Zusage und Zusendung der Artikel sowie der Redaktionskommission – insbesondere Dany Brandl – für den steten Einsatz trotz vielseitigen Verpflichtungen und Geburtsstress (Congratulations liebe Kerstin!!!)! Mit den längeren Nächten kommen uns auch schon die Weihnachtszeit und Neujahr in grossen Schritten entgegen und so wünschen wir Euch, liebe Leserin, lieber Leser, fürs kommende Jahr viel Freude und Erfüllung in unserem so bereichernden Beruf, Glück und Gesundheit für Eure Familien und immer wieder auch Zeit für Euch selbst. Raffael Guggenheim, Leiter Redaktionskomission Die Themen der folgenden Hefte sind: News 01/2018: Schiefhals News 02/2018: Kinder-/Jugendgynäkologie News 03/2018: Frühkindliche Regulationsstörungen News 04/2018: Jahrestagung Die Themen der letzten Hefte waren: News 03/2017: E-Pädiater News 02/2017: Dermatologie News 01/2017: Ernährung News 04/2016: Jahrestagung DR. MED. RAFFAEL GUGGENHEIM, ZÜRICH, LEITER RK Korrespondenzadresse: refoelguggenheim@yahoo.com

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K I N D E R Ä R Z T E. SCHWEIZ 7 04 / 2017 VERBANDSZ I ELE Bei der Mitgliederversammlung am 7. September in Pfäffikon wurden die Verbandsziele von Kinderärzte Schweiz vorgestellt. Dies erfolgte anhand der oben stehenden Zeichnung. Unser Verband ist die Lokomotive, die von den vier tragenden Hauptsäulen angetrieben wird: a. Jahrestagung b. Kurswesen c. Verbandszeitschrift KIS News d. Homepage Diese sind aus mehreren Gründen unabdingbar. Wir können damit unsere fachliche Qualitätssicherung sowie Weiterentwicklung garantieren (a und b). Weiterhin haben wir so die Möglichkeit, unsere Mitgliederversammlung abzuhalten und uns gegenseitig zu treffen und auszutauschen (a und b). Es benötigt aber auch darüber hinaus einen Informationsfluss, Kommunikationsmöglichkeiten sowie Auftritt nach innen und aussen (c und d).  Doch soll und darf dies nicht ohne Zukunftsperspektive bleiben. Daher gibt es noch angehängte Waggons, die mit strategischen und pragmatischen Zielen beladen sind. Diese müssen dann auch in die Hauptsäulen (Lokomotive) einfliessen. Egal ob Nachwuchsförderung, regionale Vernetzungoder Interprofessionalität – alle diese Punkte sollten sich dort wiederfinden. Die regionale Vernetzung wird bei der Jahrestagung integriert, die Assistenten (Nachwuchs) bei den Kursen eingebunden, Links zu einer Vielzahl von Akteuren des Gesundheitssystems auf der Homepage aufgeschaltet, … – und über «alles» wird in den News berichtet. Eine Sonderstellung nimmt die Fortbildung ein: Sie ist so wichtig für unsere fachliche Kompetenz, dass sie nicht nur eine tragende Säule ist, sondern auch ein permanentes strategisches Ziel bleibt.  Nach dieser kurzen Zusammenfassung möchte ich noch den Appell von der GV wiederholen: Jede noch so gute Idee bleibt eine leere Hülle, wenn sie nicht von begeisterungsfähigen Menschen mit Leben gefüllt wird! Mit diesem Aufruf möchte ich weder jemanden drängen noch schlechtes Gewissen verbreiten (wie bei der GV von manchen bemängelt) – es soll ein Gedankenanstoss sein. Es gibt etliche – auch kleinere und temporäre – Möglichkeiten, sich zumindest ein wenig einzubringen. Je mehr wir sind, umso kleiner ist die Last des Einzelnen. ■ Spring auf den KIS-Zug mit auf! DR. MED. JAN CAHLIK, AFFOLTERN AM ALBIS, VIZEPRÄSIDENT KINDERÄRZTE SCHWEIZ Korrespondenzadresse: b.j.cahlik@datazug.ch Nachwuchsförderung Regionale Vernetzung Praxispädiatrische Fortbildung Interprofessionalität Jahrestagung News Homepage Kurswesen

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Kurzmeldungen aus Vorstand und Arbeitsgruppen MPA-Kurse Nach dem ersten MPA-Kurs geht es weiter. Am 1. Februar 2018 findet in Zürich eine weitere Veranstaltung für pädiatrische MPAs statt: «Eine Reise durch den MagenDarm-Trakt» mit George Marx. Dieser Kurs ist bereits auf der KIS Homepage aufgeschaltet – bitte macht eure MPAs darauf aufmerksam. Eine Wiederholung in Bern und in Luzern ist in Planung. Filmkritik Lesen Sie Raffael Guggenheims Filmkritik zum Kurzfilm «Woche 23» über das Thema Abtreibung und Behinderung im E-Paper dieser Ausgabe. Grundversorger Verbands-Village an Messen und Kongressen Besucher des diesjährigen SGAIM Herbstkongresses konnten den ersten gemeinsamen Messeauftritt der verschiedenen Berufsverbände der medizinischen Grundversorger erleben: SGAIM, mfe, KHM, SGP, KIS und JHaS werden zukünftig in verschiedenen Zusammensetzungen in andersfarbigen, jedoch einheitlich gestalteten Messeständen ihre Kräfte bündeln und gemeinsam die Besucher von Kongressen und Messen über ihre Tätigkeiten und die Vorteile von Mitgliedschaften informieren. Veranstaltungshinweis 23. Jahrestagung der Gesellschaft für Seelische Gesundheit in der Frühen Kindheit (GAIMH – German- Speaking Association for Infant Mental Health): «Berührung prägt – von Anfang an», Kreuzlingen, 5.–7. April 2018 (siehe auch Veranstaltungskalender S. 40). Berührung prägt – Von Anfang an: Ein tragendes Umfeld berührt schon in der Schwangerschaft und nach der Geburt. Durch Berührung entdecken kleine Kinder die Welt. In der frühen Kindheit sind wir als Kinderärzte herausgefordert. Wie gehen wir mit Nähe und Distanz um? An der Tagung werden Antworten gesucht auf die komplexen Fragen rund um das Thema Berührung. Arbeitsgruppe Praxisassistenz Die gemeinsame Arbeitsgruppe (SGP/KIS) zum Thema pädiatrische Praxisassistenz wurde reaktiviert. Die Praxisassistenz wird in den Kantonen unterschiedlich gehandhabt und unterstützt und wird zurzeit in den regionalen Kinderärzteverbänden diskutiert (siehe Bericht auf Seite 16). Die nationale Arbeits- gruppe macht eine Bestandesaufnahme der bestehenden Modelle, um herauszufinden, welche Konzepte am besten funktionieren und auch in anderen Regionen, bzw. in der gesamten Schweiz, eingesetzt werden könnten. SIWF-Awards 2017 für KIS Mitglieder Anlässlich des 4. MedEd Symposiums des Schweizerischen Instituts für ärztliche Weiter- und Fortbildung SIWF wurden gleich zwei SIWF-Awards an KIS Mitglieder Birgitta Thomann, Schlieren, und Andreas Geiser, Schlieren, verliehen. Wir gratulieren Birgitta und Andreas von Herzen für diese Auszeichnung, welche aufgrund der Nomination durch ehemalige Assistenzärztinnen und -ärzte für besonderes Engagement in der Weiterbildung verliehen werden. Retraite Der KIS Vorstand und Vertreter der verschiedenen Regionen trafen sich vom 25. bis 26. August 2017 im malerischen Filzbach hoch über dem Walensee, um in drei Brainstormings wichtige Inputs zu den Themen «Berufsbild (Praxis-)Pädiater», «Wer sind wir als KIS?» und «Mitgliederwerbung» einzuholen und zu sammeln. Redaktionskommission sucht neue Mitglieder Liest du gerne und möchtest du dich in einem berechenbaren Rahmen für die Praxispädiatrie einsetzen? Schreibst du gerne? Hast du Freude am Redigieren? Dann möchten wir sehr gerne von dir hören, denn unsere Redaktionskommission, die vierteljährlich die «Kinderärzte. Schweiz News» herausbringt, sucht neue Mitglieder. Unser Geschäftsführer Daniel Brandl kann dir bei Interesse gerne unverbindlich einen Aufgabenbeschrieb senden: daniel.brandl@kinderaerzteschweiz.ch. Tarif Zum zweiten Mal in gut drei Jahren hat der Bundesrat in den Tarif Tarmed eingegriffen. Wiederum führt diese Massnahme für die grosse Mehrheit unter uns Kinder- und Jugendärzten zu einer bedeutenden Lohnaufbesserung. Selbstverständlich sollen auch angestellte Praxispädiaterinnen und -pädiater davon profitieren können.

BERUFSPOL I T I K 04 / 2017 K I N D E R Ä R Z T E. SCHWEIZ 10 Haiti – von diesem Land auf den grossen Antillen in der Karibik hören wir leider meist nur schlechte Nachrichten. Hierbei ist Haiti nicht nur durch Naturkatastrophen wie Erdbeben und Hurrikane, sondern auch durch menschengemachte Katastrophen betroffen. Eine weit verbreitete Korruption und politische Instabilität erschweren es den Menschen, die für ein aufstrebendes und lebenswerteres Haiti kämpfen. Und auf das ärmste Land der westlichen Hemisphäre warten viele Veränderungen. Im «Human Development Index» steht Haiti in Bezug auf seine Entwicklung mit Rang 163 (von 188 bewerteten Ländern) sehr weit am Ende [1]. Die über Jahrhunderte betriebene Abholzung der Wälder Haitis führten zu einer minimalen Bewaldungsfläche, vergleichbar mit dem des Sahelstaates Mali (beides ca. 3,5% und nur ca. 1/7 der Fläche im Vergleich zum Inselnachbarn Dominikanische Republik) [2]. Dies hat vor allem negative Folgen für die ärmere Bevölkerung durch eine erhöhte Erosion und den Mangel an Feuerholz und Ressourcen. Im Vergleich zu den anderen lateinamerikanischen Staaten steht Haiti mit 58,5% der Bevölkerung, die von unter 2 Dollar am Tag leben, an erster Stelle. 42% der Bevölkerung haben keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser [2].  «Meine Kinder müssen natürlich in den USA zur Highschool gehen», sagte mir eine ärztliche Kollegin und haitianische Freundin. «In Haiti gibt es für wissensdurstige Kinder keine Möglichkeiten, keine Ausbildung.» So ist für sie, wie auch für viele Haitianer, der Weg ins Ausland eine Flucht, eine Rettung. Doch sie selbst möchte bleiben; ihr Land aufbauen, ihr Land voranbringen. «Würden alle Menschen mit höherer Bildung aus dem Land fliehen, welche Hoffnung bliebe dann noch?» Diese Einstellung hat mich sehr berührt.  Haiti benötigt vor allem im Rahmen von Naturkatastrophen (wie dem schweren Erdbeben und der folgenden Choleraepidemie 2010/11) humanitäre Hilfe. Andererseits hat dieses Land ein grosses Potenzial an Menschen; an Menschen, die für ein besseres Haiti kämpfen. Diese Menschen unterstützt Suisse Santé Haïti im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit durch Ausbildung. Hierbei ist die Idee, sowohl medizinisches als auch allgemeines, die Gesundheit betreffendes Wissen zu stärken und Orte für die Basisgesundheitsversorgung vor allem der ärmeren Bevölkerung zu schaffen. Hierzu sind im Artibonitetal unter anderem zwei Gesundheitsstationen sowie Arbeitsplätze für annähernd 50 haitianische Mitarbeiter entstanden. Mit unserer Arbeit tragen wir direkt und indirekt dazu bei, die Gesundheit der Menschen in Haiti zu fördern. Indem wir die Ausbildung der Menschen, die vor Ort arbeiten, fördern, stärken wir ihre «coping capacity», also ihre Stärke, sich selbst zu helfen und auch im Falle der nächsten Naturkatastrophe von Nutzen für die umgebende Bevölkerung zu sein.  Als Ärztin durfte ich 2015 ein halbes Jahr im drei Stunden von der Hauptstadt entfernt gelegenen kleinen Ort Deschapelles verbringen. In den ersten 3 Monaten arbeitete ich am dortigen Hôpital Albert Schweitzer, um Sprache und Kultur, aber auch Arbeitsweise und die medizinischen Notwendigkeiten der Menschen näher kennenzulernen. Das HAS ist ein grosses Krankenhaus mit einem Einzugsbereich von ca. 300000 Menschen im Artibonitetal. Die Schwere der Erkrankungen, mit denen die Kinder in die Kinderklinik aufgenommen wurden, die eingeschränkten Möglichkeiten zur Diagnostik und Therapie waren mit meiner Arbeit in Deutschland nicht vergleichbar. Auch die Verantwortung und die Dienstzeiten waren ungleich grösser und bei einer hohen Mortalität physische und psychische Belastung. In Haiti sterben immer noch 69 von 1000 Kindern unter 5 Jahren [2]. Zu meinen persönlich schlimmsten Ereignissen zählten die vielen akut und chronisch mangelernährten Kinder sowie die Patienten, die an impfpräventiven Erkrankungen wie Tetanus und Diphterie erkrankten und oftmals verstarben. Doch konnten wir auch viele schwer erkrankte Kinder heilen und gesund wieder nach Hause entlassen.  Grosse Herausforderungen stellen auch in Haiti sicherlich HIV und Tuberkulose dar. Auch wenn zur Zeit die Zahl Entwicklungszusammenarbeit in Haiti DR. MED. GEEKE SIEBEN, ASSISTENZÄRZTIN, KLINIK FÜR KINDER- UND JUGENDMEDIZIN, UNIVERSITÄTSKLINIKUM, D-MANNHEIM Korrespondenzadresse: geeke@web.de In Haiti arbeitet Suisse Santé Haïti seit Jahren für eine bessere Gesundheitsversorgung. Hierzu entsendet Suisse Santé Haïti u.a. regelmässig einen Arzt/Ärztin zur Fortbildung des Gesundheitspersonals in die kleinen ländlichen Gesundheitsstationen. Eine Familie mit unterernährten und einem an Tuberkulose erkrankten Mädchen.

04 / 2017 BERUFSPOL I T I K K I N D E R Ä R Z T E. SCHWEIZ 11 der HIV-Infizierten mit 1,7–2,1% im Vergleich zu einigen afrikanischen Ländern noch relativ gering ist, ist in der Karibik Haiti das zweite Land (nach Kuba) mit der höchsten Anzahl an HIV-Neuinfektionen mit den entsprechenden Herausforderungen an die Gynäkologen und Pädiater [3]. Arbeit in den Dispensaires In den folgenden drei Monaten war ich dann in den unterschiedlichen Gesundheitsstationen «Dispensaires» unterwegs. Diese sind die erste Anlaufstelle für Patienten jeder Altersstufe, und entsprechen bei uns der haus- und kinderärztlichen Tätigkeit. Durch Pflegepersonal findet die Basisgesundheitsversorgung statt, beispielsweise die Behandlung akuter Infektionen, die Wundversorgung, Schwangerschaftsvorsorge und die Behandlung von Hypertonie und Diabetes. Hier müssen auch medizinische Notfälle versorgt und ins nächste Krankenhaus verlegt werden. Primary Health Care ist in Haiti ein Grundpfeiler der medizinischen Versorgung und eine besondere Herausforderung, da es pro 3000 Einwohner eine/n Ärztin/Arzt oder eine/n Krankenschwester/Krankenpfleger gibt und die öffentlichen Gesundheitsausgaben zu den niedrigsten der Welt zählen [4]. Gerade die Möglichkeit, durch Präventionsarbeit und Aufklärung Unterernährung, Erkrankungen und Infektionen zu verhindern, macht diese Arbeit enorm wichtig. So wurde im Wartebereich der Dispensaires in der lachenden Menge wöchentlich mithilfe eines Holzpenis und Kondomen Sexualaufklärung betrieben und gleichzeitig das weiterhin bestehende Stigma von an HIV/AIDS erkrankten Menschen angesprochen.  In den Dispensaires schulte ich das Gesundheitspersonal. In den Kursen und während der Untersuchungen besprachen die Teilnehmer mit mir beispielsweise die klinischen Zeichen und Warnhinweise bei Durchfallerkrankungen mit schwerer Dehydratation, Pneumonien und Herzinsuffizienz, Erstmassnahmen bei Krampfanfällen und die wichtigsten Schwangerschaftsnotfälle. Mit Fallbeispielen und Präsentationen behandelten wir die wichtigsten akuten und auch chronischen Erkrankungen. Mit zunächst kleinen Berührungsängsten und dann jedoch grösserem Vergnügen wurde ich in die stabile Seitenlage gebracht und zumindest virtuell mit einem Zugang und Flüssigkeit versorgt. Und als dann tatsächlich während eines Vormittags im Dispensaire ein Notfall ankam, wurde dieser hervorragend gemanagt und in die Ambulanz auf den Weg zum Krankenhaus gebracht. Dies war einer der schönsten Momente für mich. Ich sehe die gemeinsame Arbeit und die Ausbildung, wie sie durch haitianische und ausländische Ärzte und Krankenpflegepersonal erfolgt, als kleine Schritte auf dem Weg zu einer Verbesserung der Gesundheitsversorgung.  Und die Gesundheit der Erwachsenen als auch der Kinder schafft die Voraussetzung für eine persönliche und intellektuelle Entwicklung einer sehr vulnerablen Gruppe. Diese hat momentan kaum Zukunftschancen, jedoch ein riesiges Potenzial, das krisengeschüttelte Land Haiti aufzubauen. ■ Weitere Informationen zu Suisse Santé Haïti finden Sie unter www.suissesantehaiti.ch oder kontaktieren Sie Maurice Fritzsche, Kinder- und Jugendpraxis Emme, Oberburgstrasse 67, CH-3400 Burgdorf, maurice_f@gmx.net LITERATURQUELLEN: [1] United Nations Development Programme, Human Development Report 2016, unter: http://hdr.undp.org/sites/default/files/2016_human_development_report.pdf [2] The World Bank – World Development Indicators database, Country profile Haiti 2017, unter:http://databank.worldbank.org/data/Views/ Reports/ReportWidgetCustom.aspx?Report_Name=CountryProfile& Id=b450fd57&tbar=y&dd=y&inf=n&zm=n&country=HTI [3] Joint United Nations Programme on HIV/AIDS (UNAIDS), UNAIDS Data 2017, unter:http://www.unaids.org/sites/default/files/media_ asset/20170720_Data_book_2017_en.pdf [4] Anna D Gage, Assessing the quality of primary care in Haiti, 2016, Bulletin of the World Health Organization2017;95:182–190.doi Jedes Kind im Unterernährungsprogramm wird regelmässig gewogen. Die stolzen Teilnehmer der Schulung im Dispensaire Plassac.

K I N D E R Ä R Z T E. SCHWEIZ 12 MI TGL I EDERVERSAMMLUNG 04 / 2017 Neben dem statutarischen Teil der Mitgliederversammlung, der auch eine diskussionslos verabschiedete Anpassung unserer Statuten beinhaltete – alle Mitglieder haben mit unserem Rundmail vom 2. November 2017 einen Link zum Download des Protokolls erhalten, welches alle Details auflistet –, sollte dieses Jahr wieder einmal etwas grundsätzlicher über die Ziele und Möglichkeiten unseres Verbandes diskutiert werden.  Den Jahresbericht 2016/2017 schloss die Präsidentin KIS mit der Frage: «Welchen Wert soll die Standespolitik zukünftig in unserem Verband haben?» und mit der Bemerkung: «Die professionelle Verfolgung von standespolitischen Zielen braucht personelle und finanzielle Ressourcen! Wir brauchen frische Kräfte aus dem Verband und grössere finanzielle Ressourcen.»  Das Leitbild unseres Verbandes verpflichtet uns, die Interessen der praktizierenden Fachärztinnen und Fachärzte für Kinder- und Jugendmedizin in der Schweiz zu vertreten und optimale Rahmenbedingungen für eine umfassende Betreuung der Kinder und Jugendlichen innerhalb und im Umfeld der pädiatrischen Praxis zu schaffen. Kinderärzte Schweiz fördert die Fort- und Weiterbildung im Bereich der Kinder- und Jugendmedizin, die Zusammenarbeit mit Therapeutinnen, Pädagogen, Institutionen und Behörden und betreibt aktive Öffentlichkeitsarbeit. Der Verband setzt sich mit aller Energie für den flächendeckenden Fortbestand einer qualitativ hochstehenden Kinder- und Jugendmedizin in der Praxis ein.  Stehen die Mitglieder von Kinderärzte Schweiz immer noch hinter diesen Zielen? Welche finanziellen Mittel wollen sie dafür einsetzen? Wie können die Mitglieder zur Mitarbeit im Verband motiviert werden?  Wie zahlreiche andere Verbände kämpft auch KIS mit dem Ungleichgewicht zwischen Ansprüchen und Ressourcen, finanziellen und personellen. Wie schon bei allen früheren Diskussionen vertreten die Mitglieder KIS auch jetzt die Meinung, Kinderärzte Schweiz solle nicht nur Fortbildungsveranstaltungen organisieren, sondern sich wie im Leitbild festgehalten für die Kinder- und Jugendmedizin in der Schweiz einsetzen. Gewünscht wird eine gute Koordination mit der SGP, in erster Linie, um Ressourcen einzusparen. Der Vorstand ist der Meinung, dass er dieser Forderung seit vielen Jahren Folge leistet und kaum je Doppelspurigkeiten vorkommen.  Ebenso gewünscht wird ein vermehrter Einbezug der Romandie. Aus Sicht des Vorstandes steht der Verband allen Praxispädiatern offen, das Engagement der Westschweizer und Tessiner Kinderärzte ist sehr erwünscht, ihr Einbezug bisher aber immer wieder ins Leere gelaufen. Selbstverständlich bietet der Verband seine Unterstützung auf Wunsch in allen Landesteilen an.  KIS finanziert sich aus den Mitgliederbeiträgen, dem Kurswesen und der Jahrestagung. Nach Ansicht des Vorstandes sollte die politische Arbeit des Verbandes vorwiegend aus den Mitgliederbeiträgen gedeckt werden, Zorn- und Power-Frauen DR. MED. ROLF TEMPERLI, VORSTAND KINDERÄRZTE SCHWEIZ (BIS 7. 9. 17), LIEBEFELD Korrespondenzadresse: temperli-rossini@bluewin.ch KIS Vorstand und Geschäftsstelle ab 7. September 2017 (v.l.n.r.): Raffael Guggenheim, Daniel Brandl, Andrea Hohl-Seiler, Kerstin Walter, Heidi Zinggeler Fuhrer, Dominik Bissig, Stefan Roth, Beatrice Kivanc, Jan Cahlik.

K I N D E R Ä R Z T E. SCHWEIZ 13 04 / 2017 MI TGL I EDERVERSAMMLUNG Zum Ende der MV stand noch ein recht wehmütiges Traktandum an: nach vielen Jahren im Präsidium und unzähligen Jahren im Vorstand «mussten» wir Rolf Temperli verabschieden. Bis und mit dem letzten Geschäftsjahr ist es uns gelungen, ihn wiederholt zum Verbleib im Vorstand zu überreden. Rolf war uns allen stets eine nahezu unverzichtbare Stütze: Mit einem Archiv in seinem Gedächtnis, seinen präzisen Analysen, seinen messerscharfen Artikeln und Kommentaren, seinen konstruktiven Vorschlägen und nicht zuletzt mit seinem wunderbaren Humor. Nun war es aber tatsächlich so weit: Rolf tritt verdient in das «zweite» KIS-Glied zurück. Unser Trost bleibt sein Angebot, dass er bei Bedarf von uns um Rat und Unterstützung angefragt werden darf. Lieber Rolf, vielen Dank für die gemeinsame Zusammenarbeit, wir hoffen auf weitere gemeinsame Gespräche und Aktionen – egal ob im oder ausserhalb des Vorstandes. ■ DR. MED. JAN CAHLIK, VIZEPRÄSIDENT KINDERÄRZTE SCHWEIZ, AFFOLTERN AM ALBIS Korrespondenzadresse: b.j.cahlik@datazug.ch Adieu Rolf! deren Anteil an den Gesamteinnahmen ist aber zu gering. Folglich sollten die Mitgliederbeiträge erhöht werden, einerseits um eine gesunde Balance verschiedener Finanzquellen zu erreichen, andererseits um die Verbandsarbeit auch mittel- und langfristig sichern zu können. Die anwesenden Mitglieder sind bereit, höhere Mitgliederbeiträge zu bezahlen. Der Vorstand wird an der Mitgliederversammlung 2018 verschiedene Varianten zur Diskussion stellen. Wie hohe Beiträge sind verkraftbar? Verabschiedet sich ein Teil der Mitglieder, wenn der Jahresbeitrag erhöht wird? Braucht es stärker abgestufte Beiträge, zum Beispiel für Teilzeitarbeitende? Wie würden die Pensen überprüft? Was ist die Referenzarbeitszeit? Der Vorstand wurde beauftragt, Vorschläge zuhanden der nächsten Mitgliederversammlung auszuarbeiten.  Noch schwieriger als die Mobilisierung von Geld ist diejenige von Personal. Die Alten räumen das Feld, loben sich ihres langjährigen Engagements und bemängeln das der Jungen; die Mittelalterlichen sind voll beschäftigt und haben keine Kapazitäten oder dann für anderes als Verbandsarbeit; die Jungen trauen sich die politische Arbeit vielleicht nicht zu und haben so oder so andere Pläne und Sorgen. Die zunehmende Feminisierung und Teilzeitarbeit verändern das Umfeld unseres Berufsstandes mehr und mehr. Die Frauen sind es leid, sich Vorwürfe über mangelnden Einsatz neben Arbeit und Familie anhören zu müssen. Und alle haben Recht.  Und: Die Praxispädiatrie ist auf jede und jeden angewiesen: auf euren Einsatz am Arbeitsort, euren Mitgliederbeitrag, eure Voten an der Mitgliederversammlung und auf einen Teil eurer Zeit. Auch kurze Engagements sind wichtig und nützlich: in der Redaktionskommission unserer Zeitschrift, in der Arbeitsgruppe Jahrestagung, bei der Organisation von Kursen oder eben im Vorstand. Ohne euch geht nichts.  Eure ausserordentlich hohe Präsenz und die lebhafte Diskussion an der Mitgliederversammlung zeigen, dass sich viele sehr wohl für die Arbeit des Verbandes interessieren. Viele von euch – einige meinten sogar, alle, die an die Jahrestagung kommen – sind bereit, sich für die Verbandsziele einzusetzen. Das ist die erfreuliche Schlussfolgerung aus dieser Debatte: Sie wird geführt, mit Emotionen, und sie zeigt Wege auf, wie sich die aktuellen und zukünftigen Ziele verfolgen lassen. ■

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K I N D E R Ä R Z T E. SCHWEIZ 15 04 / 2017 JAHRESTAGUNG 2017 An der diesjährigen Jahrestagung bot sich wahrlich Gelegenheit zur Horizonterweiterung: Zum Thema «Pädiatrie grenzenlos» trafen sich in Pfäffikon rund 200 Praxispädiaterinnen und -pädiater, darunter zehn Neumitglieder und gut 90 MPAs zu Fortbildung, standespolitischem Austausch und persönlichen Begegnungen.  In einem berührenden Referat erzählte Rolf Maibach von seinen Erfahrungen im jahrelangen Einsatz im Hôpital Albert Schweitzer in Haiti, rief uns Krankheiten in Erinnerung, die bei uns kaum mehr auftreten und liess uns auch sehr persönlich an seinem Erleben während dem grossen Erdbeben und dem damit ausgelösten Elend teilhaben. Die MPAs hatten während der Mitgliederversammlung von KIS Gelegenheit für einen zweiten Einblick in die medizinische Arbeit im Ausland.  Doch nicht nur geografische Grenzen wurden überschritten: Erstmals trafen sich im Vorfeld der Tagung Vertreter der Regionalverbände zu einem Austausch. Parallel dazu wurden Neumitglieder von Vorstandsmitgliedern über die Arbeit von KIS informiert. Ein Schwerpunkt der Mitgliederversammlung, die diesmal zeitlich etwas verlängert wurde, war neben dem Bericht über die Arbeit im vergangenen Jahr eine Diskussion über die zukünftige Ausrichtung des Engagements von KIS und die Bereitschaft der Mitglieder, sich dafür zu engagieren.  Am Nachmittag hatten wir in den Workshops einmal mehr Gelegenheit, uns mit eigenen und fremden Grenzen auseinanderzusetzen. Ein Panoptikum von verschiedenen Themen reichte von Kindern mit Grenzen (Hörbehinderung, Epilepsie) bis zu Gemeinsamkeiten und Grenzen verschiedener Therapien (z. B. Phytotherapie und Akupunktur). Die Erfahrungsberichte über die einzelnen Workshops finden sich in der vorliegenden Ausgabe.  Grossen Anklang fanden die beiden erstmals als «Masterclass» durchgeführten Workshops: Speziell gedacht für Kolleginnen und Kollegen, die ihr bereits breites Praxiswissen erweitern wollten.  Schliesslich boten die Pausen viel Gelegenheit, an der gut besuchten Industrieausstellung Wissen zu erweitern und den kollegialen Austausch untereinander zu pflegen. Es herrschte eine fröhliche, positive Stimmung. Man spürte: Die Jahrestagung macht Spass! Umso erfreuter ist die Arbeitsgruppe der Jahrestagung, dass sich einige Mitglieder spontan meldeten, um neu bei der Vorbereitung der nächsten Tagung mitzuarbeiten. Genial! Nach der Tagung ist vor der Tagung – und so sind wir bereits an der Planung der Jahrestagung 2018, die nächstes Jahr am 13. September noch einmal in Pfäffikon (SZ) stattfinden wird. ■ Wenn einer eine Reise tut… Kinderärzte Schweiz Jahrestagung 2017 DR. MED. ANDREA HOHL-SEILER, UZNACH UND DR. MED. CHRISTA ETTER, SUHR, CO-LEITERINNEN ARBEITSGRUPPE JAHRESTAGUNG Korrespondenzadressen: ahkis@bluewin.ch und christa.etter@bluewin.ch

K I N D E R Ä R Z T E. SCHWEIZ 16 JAHRESTAGUNG 2017 04 / 2017 Im Rahmen der diesjährigen Jahrestagung hat zum ersten Mal ein standespolitischer Austausch der regionalen Vertreter stattgefunden. Die Idee hierzu entstand an der letzten Januartagung und in Bezug auf das Motto der Jahrestagung «über die Grenzen schauen», hier die etwas näheren geografischen Grenzen.  Wir konnten ein breites Spektrum von Vertretern aus den regionalen Verbänden begrüssen; um diesen Austausch auch weiter zu fördern finden sich diese auch auf unserer Homepage www.kinderaerzteschweiz.ch.  Als aktuelles Thema wurden die verschiedenen, sehr unterschiedlichen Ansätze bezüglich Praxisassistenz gesetzt. Daraus entstand ein spannender Austausch, welcher eine grosse Palette von Praxisassistenzsystemen zutage förderte. So spielen die IHAM (Institute für Hausarztmedizin) in gewissen Kantonen eine wichtige und zentrale Rolle, andernorts sind die lokalen Kinderkliniken oder einzelne engagierte Lehrpraktiker die treibende Kraft. Ebenfalls ist das Gewicht der Pädiatrie in den verschiedenen Systemen sehr unterschiedlich, einige Kantone haben fix reservierte Pädiatriestellen, in anderen ist die Praxispädiatrie praktisch inexistent. Genauso heterogen sind die Finanzierungsmodelle; sie reichen von Kantonsbeiträgen in unterschiedlicher Höhe bis zu Beteiligungen der Kinderkliniken.  Zusammenfassend konnten einige zentrale Punkte für erfolgreiche Praxisassistenzprogramme gesammelt werden. – Der Lehrpraktiker braucht eine gewisse Planungssicherheit; damit die Praxisinfrastruktur (Räume, MPA, Arztprozente) entsprechend geplant werden kann, muss die Stelle regelmässig besetzt werden. – Die Übernahme der Verwaltung, Lohnabrechnung und Organisation der Praxisassistenz durch ein IHAM, eine Klinik etc. wird als sehr entlastend angesehen. Stichwort Koordinationsstelle als Anlaufstelle für Lehrpraktiker und interessierte Assistenzärzte; dies erleichtert die Zugänglichkeit und das Matching für beide Partner. – Eine Zusammenarbeit mit Kliniken hilft, eine regelmässige Stellenbesetzung zu etablieren. – Die Höhe der Entschädigung für den Lehrpraktiker ist ein Faktor für den Lehraufwand, welcher durch den Lehrpraktiker erbracht werden kann. Je tiefer die Beiträge aus den Programmen, desto mehr Ertrag muss durch den Praxisassistenten erwirtschaftet werden. Bei zu tiefen Beiträgen ist eine Besetzung durch noch wenig erfahrene Assistenzärzte wenig interessant; genau diese wären aber für eine Weichenstellung wichtig.  Das Gefäss wurde von allen Teilnehmern als spannend und fruchtbar beurteilt und wir werden diesen Austausch im Rahmen der nächsten Jahrestagung weiterführen. Schon hier danken wir dem Verband der Ostschweizer Kinderärzte, vertreten durch Andreas Würmli, für die Themenvorbereitung im 2018. ■ Teilnehmer: Doris Auf der Maur (Kinderärzte Zentralschweiz) Gian Bischoff (VZK Kinderärzte Zürich) Andreas Geiser (Kinderärzte Zürich) Philipp Jenny (SGP – Schweizerische Gesellschaft für Pädiatrie) Stephan Menzinger (KiAG – Kinderärzte Aargau) Iso Morger (VBHK – Verein Berner Haus- und Kinderärzte). Stefan Roth (Kinderärzte Schweiz, VBHK – Verein Berner Haus- und Kinderärzte) Patrick Ruckli (KiAG – Kinderärzte Aargau) Marc Sidler (Gesellschaft für Kinder- und Jugend- medizin Regio Basel) Andreas Würmli (VOK – Verein Ostschweizer Kinderärzte) KIS-Workshop Regionale Vertreter – Praxisassistenz DR. MED. STEFAN ROTH, LIEBEFELD, VORSTAND KINDERÄRZTE SCHWEIZ Korrespondenzadresse: stefan.d.roth@bluewin.ch

K I N D E R Ä R Z T E. SCHWEIZ 17 04 / 2017 JAHRESTAGUNG 2017 Rolf Maibach hat uns in einem sehr beeindruckenden Vortrag in Wort und Bild von seiner Zeit im Hôpital Albert Schweitzer in Haiti berichtet. Vor 21 Jahren begannen Rolf Maibach und seine Frau Raphaela jedes Jahr einen Monat als Volontäre am Hôpital Albert Schweitzer zu arbeiten und zogen vor 11 Jahren sogar ganz nach Haiti. Diesen Entscheid bezeichnet Rolf Maibach als einen der besten seines Lebens.  Das Hôpital Albert Schweitzer wurde 1956 von einem amerikanischen Ehepaar nach dem Vorbild von Lambarene gegründet. Es versorgt mit offiziell nur 131 Betten und 13 Dispensaires in den Bergen eine Bevölkerung von 350000 Einwohnern, während Katastrohen auch weit mehr. Die Hälfte der Spitalbetten sind für Kinder und die Abteilungen für Neonatologie sowie die Rehabilitationsklinik Malnutrition die einzigen im Umkreis von 100 km. Nach dem Erdbeben von 2010 wurde zusätzlich eine sehr erfolgreiche Prothesenklinik aufgebaut. Das älteste Projekt ist der Aufbau des Labors und später auch die Mikrobiologie durch Raphaela Maibach. Auch hinsichtlich Wasser- und Stromversorgung ist das Spital autonom. Vor zwei Jahren konnten die immensen Kosten der Stromproduktion mit Dieselgeneratoren durch eine Solaranlage reduziert werden.  Bei der Arbeit in einem Entwicklungsland kommt man schnell an Grenzen. Viele lassen sich durch Einsatz, Teamwork und Geduld überwinden. Andere aber auch nicht, weil technische und personelle Mittel fehlen. Wenn man nicht nur eigene Vorstellungen umsetzen will, sondern kulturelle Unterschiede akzeptiert und bereit ist zu lernen, sind Grenzüberschreitungen möglich. Geben und Helfen allein ist ein ungenügender und meist auch nicht nachhaltiger Ansatz. Man muss auch den Dank und die Anerkennung der einheimischen Bevölkerung annehmen. Selbst der Spagat zwischen den Kulturen kann sehr bereichernde Erkenntnisse liefern. So hatte Rolf Maibach oft den Eindruck, in Haiti fast so viel gelernt zu haben wie in der Schweiz. In eindrücklichen Bildern berichtet er über die Behandlung von Malnutrition, Marasmus, Kwashiorkor und verschiedener Manifestationen der Tuberkulose. Es ist sehr gut nachvollziehbar, dass man die korrekte Behandlung dieser Tropen- und Armutserkrankungen nicht aus Lehrbüchern lernt.  Nach dem Erdbeben 2010 war das Spital eines der wenigen funktionierenden im Land. Im Zeitraum von wenigen Tagen konnten über 80 Volontärärzte rekrutiert und mehr als 1300 Schwerverletzte behandelt werden. Auch während der Choleraepidemie wurden 7100 Patienten in einer abgetrennten Einheit hospitalisiert. Dank dieser vorbildlichen Einsätze wurde das Spital in der ganzen Schweiz bekannt und erhielt grosse Unterstützung.  Voraussetzung für diesen motivierten und erfolgreichen Einsatz ist gemäss Rolf Maibach die Zusammenarbeit auf Augenhöhe mit Respekt, Bescheidenheit, Bestimmtheit, Humor und Liebe. Die respektvolle Begegnung mit dem armen Bauern und seinem unterernährten Kind ist auch Vorbild für die haitianischen Mitarbeiter im Spital. Bescheidenheit bekommt man sozusagen als Geschenk, wenn man sieht, mit wie wenig die Menschen in Haiti überleben und ihre Familien versorgen. Das Wissen der lokalen Bevölkerung darf nie unterschätzt werden und bringt in Kombination mit unseren Erfahrungen den gewünschten Erfolg. Die Missachtung dieser Erkenntnis führt leider häufig zum Scheitern der staatlichen Hilfswerke. Die Bestimmtheit bringen wir aus Europa mit, kann aber von den Haitianern gelernt werden. Ein persönlicher Beitrag von Rolf Maibach zum Humor als wichtigem Treibstoff erfolgreicher Aktionen war das Ritual, den Morgenrapport jeweils mit einem haitianischen Sprichwort zu beginnen. Und dann ist da noch die Erkenntnis, dass wir die Menschen, mit denen wir zusammenarbeiten, gerne haben müssen, wenn wir unsere Ziele erreichen und dauerhaft Erfolg haben wollen. Ganz gemäss den Worten von Albert Schweitzer: «Das Glück ist das Einzige, das sich verdoppelt, wenn man es teilt.» ■ Bericht Hauptreferat von Rolf Maibach Grenzenloser Einsatz für die Pädiatrie? DR. MED. BARBARA SCHILLER, KINDERARZTPRAXIS AM PÄRKLI, ST. GALLEN Korrespondenzadresse: barbara.schi@gmx.de

In der Druckausgabe befindet sich auf dieser Seite ein Hinweis für medizinische Fachpersonen.

K I N D E R Ä R Z T E. SCHWEIZ 19 04 / 2017 JAHRESTAGUNG 2017 – INDUSTR I EAUSSTELLUNG Wir danken allen Industrieausstellern und Sponsoren sehr herzlich für die wertvolle Unterstützung, welche uns eine erfolgreiche Jahrestagung 2017 ermöglichte. Wir freuen uns schon darauf, Sie am 13. September 2018 wiederum in Pfäffikon (SZ) begrüssen zu dürfen!

K I N D E R Ä R Z T E. SCHWEIZ 20 JAHRESTAGUNG 2017 – WORKSHOPS 04 / 2017 Nicht zum ersten Mal kommen wir in den Genuss eines praxisnahen, informativen und didaktisch interaktiven Workshops von Kristin Kernland. Die Konsiliarische Kinderdermatologin von Baden hat uns einen enorm hilfreichen Einblick in das noch junge Gebiet der «dunkleren Kinderhaut ausserhalb des Aequatorialgürtels» vermittelt.  Es ging ein Aufatmen durch den Raum, als sie die Überforderung angesprochen hat, die jeder von uns bei der dunklen Haut und ihren Erkrankungen kennt. Schon das Ansprechen der Hautfarbe ist ein Minenfeld, welches wir Schweizer recht unbedarft betreten. Dass die dunklere Haut nicht nur farblich, sondern auch qualitativ eine andere Haut ist als die helle, hilft mir beim Verständnis der verschiedenen Erscheinungsbilder. So ist die dunklere Haut ganz allgemein eine trockenere Haut. Während diese pigmentierte Haut in ihrem Herkunftsland durch die tropische Luftfeuchtigkeit kompensiert ist, wird ihre Hautbarriere in unseren Breitengraden deutlich mehr gestört als bei heller Haut. Dies erfordert a priori eine intensivere Hautpflege der dunkelhäutigen Kinder in unseren Sprechstunden. Hier werden reichhaltigere Cremes für den Winter und leichtere Emulsionen für den Sommer empfohlen. Bleibt diese Pflege aus, so leiden unsere Patienten unter der «ashy skin» (Xerosis cutis).  Prinzipiell sind die Krankheiten der hellen und der dunkleren Haut dieselben, sie unterscheiden sich aber wesentlich in ihrer Manifestation. Auf der dunklen Haut ist keine Rötung sichtbar. So erkenne ich ein Ekzem eher an seiner typischen Verteilung und der begleitenden Schuppung.  Die Folgen von Hautentzündungen zeigen sich auf der dunklen Haut häufig als Hyperpigmentationen. Sie sind bei kleinen Kindern meist reversibel, bleiben bei Jugendlichen aber gerne hartnäckig bestehen. So ist es wichtig, Entzündungen rasch anzugehen und das Integument besonders gut vor Sonnenbestrahlung zu schützen. Dies gilt ganz speziell auch für Narben, welche bei dunkler Haut häufiger zu entstellenden Keloiden neigen. Zusätzlich würde man hier noch Silikondruckverbände und topische Steroide einsetzen. Eine Besonderheit ist die Aknebehandlung. Sie soll zügig begonnen werden, um Hyperpigmentationen zu verhindern. Als erste Therapie der Wahl wird die etwas bleichende Skinoren Creme abends empfohlen, welche auch gut bei dunklen Flecken eingesetzt werden kann. Cave: Ein Erfolg dieser Behandlung ist frühestens nach 8 Wochen zu erwarten. Die krausen Haare der afrikanischen Kinder brauchen ebenfalls eine besondere Pflege. Die Kopfhaut neigt zu Trockenheit und soll mit rückfettenden Shampoos oder gar zusätzlich mit Lotions oder Crèmes (in den USA häufig mit Vaseline!) gepflegt werden. Bei Schuppen bei diesem Haartyp muss immer an eine Tinea gedacht werden, welche bei dem krausen Haar begünstigt wachsen kann. Ein Befund soll mit einigen Haarbälgen im Labor nachgewiesen und systemisch mit Terbinafin oder Itraconazol für 3–8 Wochen behandelt werden, bis zur vollständigen Abheilung. Was werde ich in den Praxisalltag mitnehmen? Ich werde die dunklere Haut mit mehr Freude als Angst betrachten, da ich sie nun etwas besser beurteilen kann. Sie wird von mir deutlich mehr Basispflege erhalten. Bei dunkelhäutigen Jugendlichen werde ich zukünftig eine schonende Aknetherapie anwenden und Hyperpigmentation werde ich mit raschem, gezieltem Handeln vorzubeugen helfen. Mein Wunsch für die Zukunft? Weitere Workshops von Kristin Kernland. ■ REFERENTIN: DR. MED. KRISTIN KERNLAND LANG, FMH DERMATOLOGIE, KONSILIARIA FÜR PÄDIATRISCHE DERMATOLOGIE, KANTONSSPITAL, 5404 BADEN MODERATION: DR. MED. MATHILDE MÜLLER-GREUTTER, FACHÄRZTIN FÜR KINDER- UND JUGENDMEDIZIN FMH, KINDERPRAXIS IFA, BADEN AUTORIN: DR. MED. REGULA ZIEGLER-BÜRGI, FACHÄRZTIN FÜR KINDER- UND JUGENDMEDIZIN FMH, KINDERARZTPRAXIS IM SEEFELD, ZÜRICH KORRESPONDENZADRESSE: regula.ziegler@bluewin.ch Hautkrankheiten bei Kindern mit dunklerer Hautfarbe

K I N D E R Ä R Z T E. SCHWEIZ 21 04 / 2017 JAHRESTAGUNG 2017 – WORKSHOPS Gabriela Wirth Barben gab uns einmal mehr einen spannenden Einblick in die hohe Kunst der Augenuntersuchung. Wie gerne würde man nach dieser «Masterclass» den Stereo-Langtest bei einem 6 Monate alten Säugling so souverän an Hand der Blicksakkaden wie Gabriela beurteilen oder eine Refraktionsanomalie von ½ Dioptrie mit dem Brücknertest erkennen können. Aber dazu brauchen wir wohl noch sehr viel Übung. Vorerst geben wir uns also damit zufrieden, eine Amblyopie möglichst früh zu erfassen und zur rechtzeitigen Therapie an die Augenärzte weiterzuleiten. Eine Amblyopie liegt vor, wenn der Visusunterschied beider Augen mehr als 2 Prüflinien beträgt oder der beidseitige bestkorrigierte Visus unter der Norm liegt. Nach dem Alter von ca. 10 Jahren ist eine Amblyopie nicht mehr therapierbar, da der visuelle Cortex nach dem Motto «use it or lose it» verfährt. Bei Geburt besteht normalerweise eine Hyperopie aufgrund der kurzen optischen Achse, welche sich mit dem Wachstum korrigiert. Ebenfalls liegt häufig ein ausgeprägter Astigmatismus vor. Die Sehschärfe beim Neugeborenen ist 0.05, beim 6 Monate alten Säugling 0.2 (aus 30 cm), ab dem Alter von 4 Jahren 0.8 (aus 4 m). Zur Prüfung des Visus wird der LH-Test empfohlen, der C-Test ist ebenfalls gut brauchbar, die Prüfung mit E-Haken ist unzuverlässiger und ergibt tendenziell bessere Werte. Eine Prüfung des Nahvisus ist erst ab 4–5 Jahren möglich. Die Normwerte entsprechen dann etwa dem Alter des Kindes, d.h. 0.4 mit 4 Jahren, 0.6 mit 6 Jahren, 0.8 mit 8 Jahren. Farbsehen ist ab dem Alter von 12 Wochen, wenn die Fovea ausgereift ist, möglich. Die Augenstellung ist mit 6 Monaten in 98% orthotop, d.h. gerade, bis dahin darf der Säugling noch schielen. Bei jüngeren Kindern ist das visuelle Verhalten mit der Reaktion auf Licht, Fixation, Augenmotilität, optokinetischem Nystagmus (Streifentest) und Abdecktest zu beurteilen. Dann sind die Hornhautreflexe, das Pupillenleuchten mit dem Ophthalmoskop einzeln und parallel (Brücknertest) und der Stereo-Langtest zu prüfen. Idealerweise wird der Brücknertest im abgedunkelten Raum aus 1 bis 1,5 Metern Entfernung durchgeführt. Der Stereo-Langtest gilt als positiv, wenn das Kind alle 3 Items korrekt benennt. Im jüngeren Alter muss die Reaktion des Kindes beschrieben werden. Ob Lang I oder II verwendet wird, spielt keine Rolle. Der Lang II wurde geschaffen, um allen Kindern ein Erkennen zu ermöglichen und Frustration zu vermeiden. Die immer häufiger eingesetzten Autorefraktometer bieten eine gute Möglichkeit, Refraktionsfehler früh zu erfassen. Dabei braucht es aber auch hier Übung und allenfalls Rücksprache mit dem Hersteller betreffend der Normwerte. Grundsätzlich empfiehlt Gabriela Wirth den Einsatz ab dem Alter von 2 Jahren. Besteht eine belastete Familienanamnese v. a. mit starker Hyperopie sollte eine erste augenärztliche Zuweisung mit ca. 1 Jahr erfolgen. Bei den in unserem Alltag häufigen Konjunktivitiden muss an einige «red flags» gedacht werden, die überwiesen werden müssen. Kontaktlinsenträger haben gehäuft Pseudomonas-Infektionen, welche eine Keratokonjunktivitis verursachen und die Cornea innerhalb eines Tages zerstören können. Therapie der Wahl ist die Kombination von Tobramycin und Ofloxacin, initial ½-stündlich. Herpes simplex kann ebenfalls eine Keratokonjunktivitis auslösen, die mit Aciclovir lokal 5× täglich behandelt wird, zudem sind kalte Kompressen hilfreich. Bei einem Herpes zoster im Bereich der Nase besteht das Risiko einer Uveitis. Klinische Alarmzeichen sind eine ciliäre (tiefe) Injektion, welche rosa durchschimmert, eine Visusreduktion und fixierte Pupillen. Bei der banalen Konjunktivitis, die im Rahmen von viralen Luftwegsinfekten auftritt, ist Befeuchten meist ausreichend. Gabriela Wirth rät zum zurückhaltenden Einsatz von antibiotischen Augentropfen und empfiehlt nach wie vor Spersapolymyxin oder Fucithalmic, als Reservemedikament Tobrex. Es hätte noch viele weitere interessante Themen und Fragen gegeben, aber leider war die Zeit einmal mehr zu kurz. ■ REFERENTIN: DR. MED. GABRIELA WIRTH BARBEN, OPHTHALMOLOGIE FMH. FACHÄRZTIN AUGENHEILKUNDE, SPEZIELL STRABOLOGIE UND KINDERAUGENHEILKUNDE, IN EIGENER PRAXIS IN ST. GALLEN MODERATION: DR. MED. CORNELIA DAMMANN GALLIVER, FACHÄRZTIN FÜR KINDER- UND JUGENDMEDIZIN FMH, PRAXISPÄDIATERIN IN MELS AUTORIN: DR. MED. BETTINA ESSERS, FACHÄRZTIN FÜR KINDER- UND JUGENDMEDIZIN FMH, PRAXISPÄDIATERIN IN ZÜRICH KORRESPONDENZADRESSE: bettina.essers@hin.ch Masterclass Ophthalmologie: Autorefraktion, Brücknertest und Familienanamnese – was ist relevant für die Beurteilung der Augen in der kinderärztlichen Praxis?

K I N D E R Ä R Z T E. SCHWEIZ 22 JAHRESTAGUNG 2017 – WORKSHOPS 04 / 2017 Vorab: Der Workshop konnte meine Vorurteile gegenüber der Osteopathie abbauen, klärte Bergriffsverwirrungen und liess mich das Konzept der Osteopathie besser verstehen.  Die Referentinnen Manuela Pappa und Christina Thomas haben beide ihren beruflichen Ursprung in der Physiotherapie und haben sich dann berufsbegleitend zu Osteopathinnen ausgebildet.  Der Schweizerische Verband der Osteopathen (www. fso-svo.ch) vertritt als Dachverband die Osteopathinnen und Osteopathen. Alle Mitglieder müssen eine durch die Gesundheitsdirektorenkonferenz anerkannte Ausbildung abgeschlossen haben. Diese beinhaltet heute ein 5-jähriges Vollzeitstudium mit anschliessend 2-jähriger Assistenzzeit und einer Abschlussprüfung. Entsprechend existieren eineWeiterbildungspflicht sowie Ethik- und Standesregeln.  Die Osteopathie will ganze Funktionsketten im Körper beobachten, Unterbrüche erkennen und mittels ihrer manuellen Techniken wiederherstellen. Die Referentinnen sprechen von differenzierten Rigiditäten, die in oberflächlichen oder tieferen Organstrukturen für den Therapeuten erkennbar sind. Es geht um die Herstellung von «Komfortzonen», die durch den therapeutischen Abbau der Spannungen entstehen. Dabei zeige nicht immer das Symptom auch die Ursache des Problems. Es muss somit schlussendlich nicht geklärt sein, warum die Therapie im Einzelfall geholfen hat.  Zitat aus der Verbandsbroschüre: Der Osteopath setzt gezielte manuelle Reize, um die betroffenen Gewebestrukturen zu stimulieren und ihre mechanischen Eigenschaften und damit ihre Funktion wiederherzustellen.  Die Osteopathie versteht sich als Vertreterin der ganzheitlichen Medizin. Der Schwerpunkt liegt in der Diagnosestellung und Behandlung von Funktionsstörungen. Die Therapeuten arbeiten ausschliesslich mit ihren Händen, d. h. ohne irgendwelche technischen Hilfsmittel. Die Craniosakraltherapie ist lediglich ein Teilbereich der Osteopathie. Der Titel Craniosakraltherapeut ist keine anerkannte Berufsbezeichnung.  Der zweite Teil des Workshops galt der Demonstration der Praxis, in dem M. Pappa einen osteopathischen Untersuchungsgang an ihrem 9-jährigen Sohn präsentierte. Hier unterscheidet sich primär die Untersuchung nicht von einer kinderärztlichen: Gangmuster, Bewegungsfähigkeit beim Abkleiden, Symmetrien werden visuell beurteilt. Dann aber wird der Osteopath «handgreiflich»: Abtasten nach (Un-)Regelmässigkeiten der Wirbelsäule, Mobilität der Wirbelkörper oder Rippen, das Ertasten von Muskelverhärtungen und Spannungen auch tiefer gelegener Gewebe und Faszien.  Wie lange dauert denn eine Therapie, wird gefragt. Bei akuten Problemen wie Schreibabys, Obstipation, Schiefhals oder Koliken sind 1–3 Sitzungen ausreichend, chronische Funktionsstörungen wie z. B. bei einer Hemiplegie profitieren von regelmässigen Sitzungen einmal pro Monat oder auch seltener. Und es wird immer Patienten geben, die auf eine osteopathische Therapie nicht ansprechen. So wie in Einzelfällen auch Nebenwirken zu beobachten sind, indem z. B. ein Schiefhals erfolgreich behandelt wird, tags darauf aber der Patient eine Lumbago beklagt. Hier müsse dann laut Referentinnen erst die persönliche Komfortzone gesucht werden.  Wichtig war den Referentinnen auch zu betonen, dass sie Patienten, die aus ihrer Sicht dringlich einer schulmedizinischen Abklärung bedürfen, auch erst dort wieder hin empfohlen werden. Umgekehrt werde es sehr geschätzt und auch gewünscht, wenn seitens der Kinderärzte der Kontakt gesucht wird.  Obwohl die Liste der angeführten behandelbaren Erkrankungen und funktionellen Störungen lang ist, betonen die Referentinnen, dass die Indikation zur Behandlung immer individuell gestellt werden muss. Eine vielerorts praktizierte («Giesskannen»-)Therapieempfehlung, wie z. B. die Behandlung aller Säuglinge nach Sectio, lehnen sie strikte ab.  Mein Fazit: Die Osteopathie bereichert schon lange meine therapeutischen Optionen funktioneller Erkrankungen. Ich werde sie aber in Zukunft gezielter und mit gutem Gewissen empfehlen sowie den direkten Kontakt zu den Therapeuten nicht scheuen. ■ REFERENTINNEN: CHRISTINA THOMAS, OSTEOPATHIN D.O., KINDEROSTEOPATHIN P.O., OSTEOPATHIN DIPL. GDK-CDS, MIT PRAXIS IN MÖNCHALTDORF MANUELA PAPPA, OSTEOPATHIN D.O, KINDEROSTEOPATHIN P.O., OSTEOPATHIN DIPL. GDK-CDS, MIT PRAXIS IN WETZIKON (ZH) MODERATION: DR. MED. FELIX E. SUTER, FACHARZT FÜR KINDER- UND JUGENDMEDIZIN FMH, PRAXISPÄDIATER IN TEUFEN AUTOR: DR. MED. CARSTEN PETERS, FACHARZT FÜR KINDER- UND JUGENDMEDIZIN, SCHLOSSBERG ÄRZTEZENTRUM, FRAUENFELD KORRESPONDENZADRESSE: carsten.peters@hin.ch Ein Einblick in die Osteopathie

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