KINDERÄRZTE.SCHWEIZ 3/2017

K I N D E R Ä R Z T E . SCHWEIZ 30 FORTB I LDUNG 03 / 2017 Wespenstiche – alles nur Allergie? Massenstiche durch Bienen und Wespen – wie reagieren? E ndlich Ruhe. Nach einem heissen Septembernach- mittag beginne ich mit den anstehenden Berichts- arbeiten, die MPA räumt letzte Glacestängel und Sand- haufen aus den Sprechzimmern.  Da stürmt die knapp vierjährige Eva in die Praxis: «Dokter Wyss, Notfall, Notfall, bösi Wäspi, bösi Wäspi.»  Wir ahnen Übles, sogleich bereitet die MPA alles für einen allergischen Notfall vor, ich nehme den heftig weinenden, 7-jährigen Basil auf dem Arm seiner Mut- ter in Empfang.  Aufgeregt und ebenfalls weinend berichtet die Mut- ter, Basil sei vor einer Viertelstunde beim Heuen in ein Wespennest gestanden und voller Wespen zu ihr ge- rannt. Sie habe die Wespen mit ihrem Sonnenhut ver- trieben und sei sofort mit dem Auto zu uns gefahren. Auch im Auto habe es noch Wespen…  Basil weint vor Schmerzen, ist peripher warm, rosig, Beine, Arme, Gesicht und Haarboden sind mit multiplen geschwollenen und geröteten Stichen bedeckt, bei 40 W egen ihrem Spielverhalten und ihren häufigen Outdoor-Aktivitäten im Wald und auf der Wiese sind Kinder einem erhöhten Risiko ausgesetzt, von Bie- nen oder Wespen gestochen zu werden.  Während es bei Bienen- und Wespengift-Allergikern (ca. 1% der Kinder) nach einem einzelnen Stich innerhalb von Minuten zu einer IgE-vermittelten anaphylaktischen Reaktion kommen kann, werden von Nicht-Allergikern in der Regel einige Stiche ohne ernsthafte Folgen tole- Stichen hören wir auf zu zählen. BD und Puls sowie Sät- tigung sind stabil, Basil hüstelt etwas, atmet aber ruhig.  Wir verabreichen gewichtsangepasst Xyzal und Bet- nesol sowie Algifor gegen Schmerzen, beginnen die ge- schwollenen, geröteten Extremitäten mit feuchten Tü- chern zu kühlen und verabreichen nach Legen einer Infusion einen NaCl Bolus. Der Epipen liegt griffbereit und die Ambulanz ist nach Rücksprache mit dem Kin- derspital unterwegs.  Im Verlauf der nächsten 30 Minuten beruhigt sich Ba- sil etwas, die Schmerzen gehen zurück, er beginnt zu frieren, Atmung und Kreislauf bleiben stabil. Und jetzt? Akute schwere Allergiesymptome entwi- ckelt Basil bisher glücklicherweise nicht, aber wie war das nur schon wieder mit den Toxinen? Ab welcher An- zahl Wespen- oder Bienenstichen besteht die Gefahr einer toxischen Reaktion? Was muss ich in der Pra- xis beachten? Was geschieht im Kinderspital? Welche Nachkontrollen sind notwendig? ■ riert. Ausnahmen sind einzelne Stichereignisse an emp- findlichen Stellen wie Zunge, Rachen- und Kehlkopf- bereich, wo es durch lokale Schwellung zur Obstruk- tion bis Blockierung der oberen Atemwege und Ersti- cken kommen kann. Ein Risiko stellen auch Massen- stich-Ereignisse dar, bei denen es durch den kumulativ toxischen Effekt zu schweren Gewebeschäden kommen kann.  Bienen- und Wespengift sind hinsichtlich Zusammen- setzung ihrer Toxineunterschiedlich. BeimBienengift sind esMellitin, PhospholipaseA2, Hyaluronidase, saure Phos- phatase, Histamin-ähnliche Substanzen und schmerz- induzierende Kinine, welche nicht nur inflammato- risch wirken, sondern infolge Zellmembranperfora- tion zur Cytolyse führen. Wespengift beinhaltet ver- mehrt Amine wie Serotonin, Tyramin, Histamin sowie Catecholamine und Kinine, welche in ihrer Gesamt- heit auch zu schweren Gewebeschäden führen kön- nen. Die klinische Manifestation und der zeitliche Verlauf nach einem Massenstich-Ereignis unterschei- den sich aber grundsätzlich von einer IgE-vermittel- ten allergischen Reaktion nach einem Hymenopteren- Stich. DR. MED. KATHARINA WYSS, FACHÄRZTIN FMH FÜR KINDER- UND JUGEND­ MEDIZIN, GOLDAU Korrespondenzadresse: wyss.goldau@bluewin.ch DR. MED. PETER ENG, FACHARZT FMH FÜR KINDER- UND JUGEND­ MEDIZIN, FACHARZT FMH FÜR ALLERGOLOGIE UND KLINISCHE IMMUNOLOGIE, KINDERSPITAL LUZERN UND KLINIK FÜR KINDER UND JUGENDLICHE, AARAU Bienen

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