KINDERÄRZTE.SCHWEIZ 2/2017

02 / 2017 BERUFSPOL I T I K K I N D E R Ä R Z T E. SCHWEIZ 13 «Words are the most powerful tool a doctor possesses, but words, like a two-edged sword, can maim as well as heal.» (Bernhard Lown, MD). Die Arzt-Patienten-Kommunikation und die dadurch hervorgerufenen Erwartungen des Patienten können signifikante positive wie auch negative Auswirkungen haben auf den Verlauf einer Erkrankung oder einer Behandlung. Der Placeboeffekt ist seit vielen Jahren bekannt und ausführlich untersucht worden. Der NoceboEffekt als negatives Pendant zum Placebophänomen hat jedoch erst in den vergangenen Jahren eine grössere Aufmerksamkeit erhalten – auch in Bezug auf suggestive Äusserungen im Gespräch mit Kindern und deren Familien. Keine falschen Versprechungen Wenn Eltern oder Fachpersonen mit einem ängstlichen Kind reden, so tappen sie dabei immer wieder in eine Falle: Mit Sätzen wie «Es wird alles gut», «Du musst keine Angst haben» oder «Es geht ganz schnell» wollen sie beruhigen und tun damit doch genau das Gegenteil. Falsche Versprechungen enttäuschen und zerstören das Vertrauen des Kindes. Zudem werden Kinder durch die vermeintlich tröstenden Formulierungen verunsichert und «wittern Gefahr», sodass die gut gemeinten Bemerkungen einen ungewollt negativen Effekt auf die Angst des Kindes oder die Schmerzerwartung haben können. Deshalb sollten Fachpersonen wenn immer möglich keine Wörter verwenden, die die Aufmerksamkeit des Kindes auf die Spritze oder den Schmerz lenken bzw. eine Wahrnehmung suggerieren, wie: «Du wirst jetzt einen Piks spüren und dann ist das Schlimmste schon vorbei.» Ein ängstliches Kind wird nur die Triggerwörter «Piks» und «das Schlimmste» hören und seine Erwartungshaltung entsprechend anpassen. Die richtigen Worte Anästhesie-Teams beschäftigen sich bereits seit einigen Jahren mit einer angstmindernden Sprache bei der Narkoseeinleitung und verwenden dabei viele positive Wörter. Diese rufen angenehme Assoziationen hervor und helfen dem Kind, sich zu entspannen und auf die positiven Aspekte der Narkose zu fokussieren. Das Narkose-Team «hilft» dem Kind bei der «spannenden Reise ins Schlafland». Die «Pilotenmaske duftet» nach Schokolade oder Erdbeer und die «Zaubersalbe» lässt die Haut «einschlafen».  Placebo-Kommunikation zur Angstminderung bei Interventionen ist keine einfache Sache. Auch wenn es in Kinderspitälern zunehmend konkrete Empfehlungen und Beispieltabellen gibt, so ist die individuelle Anwendung Übungssache. Der achtsame Umgang mit der Art und Weise, in der Interventionen erklärt und begleitet werden, hat auch in der Kinderarztpraxis ein grosses Potenzial: Neben wirksamen niedrigschwelligen Massnahmen zur Angstminderung wie dem Buzzy®1 sollte der Fokus der Kommunikation während Interventionen auf positiven Aspekten und dem gewünschten Ergebnis liegen («Die Blutuntersuchung hilft uns herauszufinden, was wir tun können, damit es dir bald wieder besser geht»).  Der wirksame Schutz von Kindern vor Angst und prozeduralem Schmerz ist ein Kinderrecht. Er ist aber auch eine wichtige Investition in das Vertrauen, das uns Kinder und ihre Familien entgegenbringen – und damit eine Investition in zukünftiges Gesundheitsverhalten. ■ REFERENZEN: Häuser, W., Hansen, E. & Enck, P. (2012), Nocebo Phenomena in Medicine. Their Relevance in Everyday Clinical Practice. Deutsches Ärzteblatt International, 109(26), 459–65. Stock, A., Hill, A. & Babl, F.E. (2012). Practical communication guide for paediatric procedures. Emergency Medicine Australasia, 24, 641–646. McMurtry, C.M., Chambers, C.T., McGrath, P.J. & Asp, E. (2010). When «don’t worry» communicates fear: Children’s perceptions of parental reassurance and distraction during painful medical procedures. Pain, 150, 52–58. Bendetti, F., Lanotte, M., Lopiano, L. & Colloca, L. (2007). When words are painful: unraveling the mechanisms of the Nocebo Effect. Neuroscience, 147, 260–271. Lang, E.V., Hatsiopoulou, O., Koch, T., Berbaum, K., Lutgendorf, S., Kettenmann, E., Logan, H. & Kaptchuk, T.J. (2005). Can words hurt? Patient- provider interactions during invasive procedures. Pain, 114, 303–309. KIND+SPITAL ist eine Schweizerische Fach- und Lobbyingorganisation für Kinderrechte im Gesundheitswesen. Im Fokus des ehrenamtlichen Engagements steht die Umsetzung der 10 Punkten der EACH-Charta für Kinder im Spital – in Zusammenarbeit mit Eltern, Fachpersonen und Gesundheitspolitikern. Mehr Informationen finden Sie unter: www.kindundspital.ch Wenn Worte weh tun: Nocebo-Effekte in der Kommunikation mit Kindern NETTY FABIAN, LENZBURG, PFLEGEEXPERTIN, BSCN, RSCN KIND+SPITAL SCHWEIZ In den vergangenen Jahren haben nichtmedikamentöse Massnahmen gegen die Angst und gegen Schmerzen bei Interventionen zunehmend an Bedeutung gewonnen. Auch die Art und Weise, in der Fachpersonen mit einem Kind sprechen, kann dessen Angst und die Schmerzerwartung vor einer Behandlung signifikant verändern – in beide Richtungen. Bild: Markord/Shutterstock.com 1  Mehr Informationen zum Buzzy® finden Sie unter: http://www.kindundspital.ch/buzzy/informationen/fuer-fachpersonen

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