02/2017 www.kinderaerzteschweiz.ch info@kinderaerzteschweiz.ch B e r u f s v e r b a n d K i n d e r - u n d J u g e n d ä r z t e i n d e r P r a x i s KINDERÄRZTE.SCHWEIZ Von Punkten, Strichen und Flecken: Pädiatrische Dermatologie Reloaded Kind+Spital: Wenn Worte weh tun Schreien aus der Sicht des Kindes Jahrestagung 2017 Pädiatriegrenzenlos Donnerstag, 7. September 2017 Seedamm Plaza in Pfäffikon (SZ) Themenheft Dermatologie NEWS Das Programm zur Jahrestagung 2017 «Pädiatrie grenzenlos» liegt dieser Ausgabe bei
In der Druckausgabe befindet sich auf dieser Seite ein Hinweis für medizinische Fachpersonen.
K I N D E R Ä R Z T E. SCHWEIZ 3 02 / 2017 INHALT/IMPRESSUM ■ HABEN SIE ANREGUNGEN, KRITIK ODER LOB? Dann schicken Sie uns eine E-Mail an: info@kinderaerzteschweiz.ch Wir freuen uns. IMPRESSUM REDAKTIONSTEAM: Dr. med. Matthias Furter, Winterthur; Dr. med. Stefanie Gissler Wyss, Neuendorf; Dr. med. Raffael Guggenheim, Zürich (Leitung); Dr. med. Cyril Lüdin, Muttenz; Dr. med. Nadia Sauter Oes, Winterthur; Dr. med. Kerstin Walter, Bern; Dr. med. Regula Ziegler-Bürgi, Küsnacht; Dr. Daniel Brandl, PhD, Geschäftsführer HERAUSGEBERIN: Verlag Praxispädiatrie GmbH, Badenerstrasse 21, 8004 Zürich ABO: 4 Ausgaben/Jahr: Fr. 48.– inkl. Porto (für Mitglieder inklusive) Spezialpreis für Mütter- und Väterberatungsstellen sowie Nonprofit-Organisationen im Bereich Kinder- und Jugendgesundheit: Fr. 32.– inkl. Porto BILDER/ILLUSTRATION TITELSEITE: Martin H. Schöni, ©Kerstin Walter, Cyril Lüdin ILLUSTRATIONEN: ©Kerstin Walter; S.5, 21, 32, 33, 34 KORRESPONDENZ: Kinderärzte Schweiz Badenerstrasse 21, 8004 Zürich Telefon 044 520 27 17 info@kinderaerzteschweiz.ch, www.kinderaerzteschweiz.ch INSERATE: Dr. Cyril Lüdin, cyril@luedin.eu GRAFIK, SATZ UND DRUCK: Vogt-Schild Druck AG, CH-4552 Derendingen Auflage: 1400 Expl. Nächste Ausgabe: 03/2017 Redaktionsschluss: 23. Juni 2017 neutral Drucksache No. 01-17-822215 – www.myclimate.org ©myclimate – TheClimateProtection Partnership PERFORMANCE 5 EDI TOR IAL 6 IN MEMOR IAM BERUFSPOL I T I K 7 mfe – Pädiatrie-Politik-Tarife 8 Januartagung 2017 10 Blog «Die pädiatrische Abrechnung» 11 Kurzmeldungen aus Vorstand und Arbeitsgruppen 12 Krippe und Krankheit 13 Wenn Worte weh tun: Nocebo-Effekte in der Kommunikation mit Kindern 14 Wie viel Lärm ist zu viel? – Nur in der E-Paper-Version DI E MPA SE I TEN 16 Konfliktmanagement in der Kinderarztpraxis 17 MPA-Kurse FORTB I LDUNG 20 Häufige Hautbefunde in der pädiatrischen Praxis 24 Pflegerische Schwerpunkte der Hautpflege und -behandlung beim atopischen Ekzem 27 Wundbehandlung – Update in Kürze 28 Haarausfall im Kindesalter – was tun? 31 Aknetherapie aktuell 34 Untermieter auf und unter der Haut – häufige Parasitosen bei Kindern 36 Lichen Sclerosus – «Manchmal wünsche ich mir Ferien von der Krankheit» 38 Schreien aus der Sicht des Kindes 41 Nagelveränderungen bei Kindern Nur in der E-Paper-Version 44 «Liebe deine Bakterien» KURSE /WORKSHOPS / FORTB I LDUNGEN 46 Akupunktur in der Kinderarztpraxis 47 Kurse KIS REDAKT IONELLE SE I TEN 48 Praxistour: Kerstin Walter, Bern DAS GUTE K INDERBUCH FÜR DI E PRAX I S 50 Echt wahr? ERFAHRUNGSBERICHT / FÜR SIE GELESEN 51 Quiz: Der rote Strich nach dem Stich 51 Kinderdermatologie 52 Auflösung des Quiz – Der rote Strich nach dem Stich
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K I N D E R Ä R Z T E. SCHWEIZ 5 02 / 2017 EDI TOR IAL «Wenn du Hufgetrampel hörst, denk zuerst ans Pferd und nicht ans Zebra – aber vergiss das Zebra nicht!» Dieser Satz von Unbekannt stand ganz am Anfang unserer Diskussion über die Themenauswahl für dieses Heft. Mit den nun vorliegenden «News» zur Kinderdermatologie haben wir versucht, ein paar «Pferde» und vereinzelte «Zebras» aus dem dermatologischen Praxisalltag einzufangen. Im Pferdekorral erwartet euch die Akne und wie sie gezügelt werden kann; es gibt ein Defilee von Insekten- und Parasitenuntermietern; eine Übersicht über Haarausfall und einen umfassenden Artikel zu einer Vielzahl von farblichen, fleckigen Veränderungen auf der Kinderhaut. Hie und da wird sich auch ein selteneres «Zebra» zu erkennen geben. Ganz praktisch wird es beim Beitrag zur Pflege der atopischen Ekzemhaut. Hier findet kompetente Vernetzung von Pflege, Kinderarzt, aha!Stiftung und Universität zugunsten unserer Patienten statt. Um Vernetzung geht es auch im Beitrag zur Januartagung 2017. Die Pädiater der Schweiz beginnen sich zu vernetzen und schauen auch über die geografischen Grenzen unseres Landes hinaus. Ganz im Sinne des «Netzwerkens» ist eine interessante Arbeit der Kindertagesstätten vom Aargau: «Krippe und Krankheit Richtlinien» sollen Klarheit darüber schaffen, wann Kinder zu Hause bleiben sollen, wann sie zum Arzt gehören und wann sie wieder in die Kita dürfen. Eure Rückmeldungen und Anregungen sind erwünscht und erfreuen uns immer sehr. Sie zeigen uns, dass die «News» gelesen und hinterfragt werden. Eure Gedanken, Einwände und Vorschläge bringen uns alle weiter. So haben wir kritische Rückmeldungen zur Rubrik «Pädiatrische Abrechnung» und zum Auftritt unserer Pinnwand erhalten. Zur Abrechnung gibt es eine Stellungnahme und die Pinnwand erscheint ab dieser Ausgabe im aufgefrischten Kleid. Danke! Ums aktive Mitmachen geht es auch auf der Seite, die wir seit Heft 4/2016 unseren MPAs widmen, wann immer es von Praxisassistentinnen für Praxisassistentinnen Interessantes zu berichten gibt, wie der Beitrag zur ersten KIS-Fortbildung für «MPAs only». Die Seite lebt von den aktiven Beiträgen eurer MPAs. Ihr seid dafür verantwortlich, dass eure Teams sie auch zu lesen bekommen, deshalb danken wir euch, wenn ihr die KIS News in gedruckter oder elektronischer Form an sie weiterleitet. Bei dieser Gelegenheit möchten wir auf unser E-Paper hinweisen, welches wir seit der letzten Ausgabe produzieren und auf unsere Homepage aufschalten. Aus Platzmangel können wir nicht immer sämtliche Artikel abdrucken. So findet sich im E-Paper dieser Ausgabe unter anderem eine Übersicht zu häufigen Nagelveränderungen im Kindesalter. Als Abrundung gewährt Kerstin Walter einen inspirierenden Blick in ihre Kinderarztpraxis. Kerstin ist auch die begabte Künstlerin, welche hinter unseren Comics steckt, die so manches auf den Punkt bringen. Zum Abschluss noch zwei traurige Nachrichten: Viel zu früh verliessen uns im Oktober letzten Jahres Katherina Papageorgiou, «Chinderdoktor» in Zürich Wipkingen, und im Februar Andi Bänziger. Der Nachruf auf den engagierten Zürcher Notfallarzt kommt von Georg Staubli, und Carole Bodenmüller erinnert sich in ihrem Beitrag an eine liebe Freundin und Kollegin. Regula Ziegler-Bürgi, Nadia Sauter Oes Die Themen der folgenden Hefte sind: News 03/2017: ePädiater News 04/2017: Jahrestagung News 01/2018: Schiefhals News 02/2018: Kinder-/Jugendgynäkologie Die Themen der letzten Hefte waren: News 01/2017: Ernährung News 04/2016: Jahrestagung News 03/2016: Blitzlichter News 02/2016: Commotio cerebri REGULA ZIEGLER-BÜRGI, KÜSNACHT NADIA SAUTER OES, WINTERTHUR
Andreas Bänziger 29. 7. 1975–16. 2. 2017 Wir trauern um unseren Freund und Mitarbeiter Andreas Bänziger; er hat uns am 16.2.2017 viel zu früh verlassen. Andreas war seit 2007 im Kinderspital Zürich tätig. Beruflicher Werdegang – 2004 Abschluss Medizinstudium Universität Zürich – 05/2004–06/2005 Chirurgische Klinik im Zollikerberg – 07/2005–12/2006 Kinderklinik, Kantonsspital Baden – 2007 bis 2010: Weiterbildung zum Facharzt Kinder- und Jugendmedizin, Universitäts-Kinderspital Zürich – 2010 Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin – Seit 1. April 2011 Oberarzt in der Notfallstation – 2014 Schwerpunkt für Kindernotfallmedizin Nach dem Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin 2010 erlangte er als einer der Ersten 2014 den Schwerpunkt für Kindernotfallmedizin. Neben seiner Kadertätigkeit auf der interdisziplinären Notfallstation erledigte er zahlreiche übergeordnete Aufgaben und kam so mit vielen Leuten im und rund um das Kispi Zürich in Kontakt. Bei allen Tätigkeiten zeigte er sich sehr engagiert und fiel durch sein positives, ruhiges und freundliches Wesen auf. Bei grösster Hektik blieb er stets ruhig und besonnen. Das Wohlergehen der ihm anvertrauten Kinder war ihm äusserst wichtig. Andreas Bänziger war stets freundlich und respektvoll, sowohl im Umgang mit Kindern und Angehörigen, als auch mit Mitarbeitenden aller Berufsgruppen. Er wurde von allen als Arzt und als Mensch sehr geschätzt. Er setzte sich dafür ein, Abläufe in der Notfallstation und im ganzen Hause zu verbessern, insbesondere auch durch seinen unermüdlichen Einsatz in der Fort- und Weiterbildung. Wir werden Andy als einen sehr empathischen Arzt, äusserst verlässlichen Teamkollegen und herzlichen Freund und Familienvater in Erinnerung behalten. Er hatte immer ein Lächeln und ein offenes Ohr für alle übrig. Wir trauern um einen äusserst liebevollen, speziellen Menschen, der auf seinem Weg so viele Herzen berührte. Dr. med. Georg Staubli Leitender Arzt, Universitäts-Kinderspital Zürich Katherina Papageorgiou26. 2. 1967–21. 10. 2016 Laute und sich rasch nähernde Schritte, eine Tür wird aufgestossen – und schon stand sie mitten im Raum: gross, mit leuchtend dunklen Augen sowie schwarzen, langen und wallenden Haaren im weissen Arztkittel – Katherina Papageorgiou, meine damalige Kollegin im Assistentenbüro im Kinderspital Luzern. Dies war vor knapp 20 Jahren der Startschuss zu einer langjährigen Freundschaft. Katherina war eine Frau und Kinderärztin mit sehr vielen Facetten. Für alle sofort sichtbar war ihre offene, spontane, energiegeladene und fröhliche Seite. Ihr Lachen und ihre Ausstrahlung konnten ganze Räume im Nu füllen. Im Umgang mit den Kindern zeigte sie ihre warmherzige, fürsorgliche und einfühlsame Art. Sie liebte ihre kleinen Patienten alle und betreute sie mit ihrem grossen medizinischen Wissen und sozialen Engagement. Katherina konnte aber auch sehr bestimmt und mutig sein. Wenn sie ein Ziel vor Augen hatte, verfolgte sie es mit grossem Einsatz bis ans Ende. Daneben lernte ich auch eine feinfühlige, sensible und verletzbare Katherina kennen. Mit all diesen Facetten und einem grossen Rucksack voll medizinischen Wissens, den sie in vielen verschiedenen Subspezialitäten der Pädiatrie gefüllt hatte, wirkte sie in ihrer eigenen Praxis in Zürich Wipkingen. Ihrem «ersten Kind», wie sie die Praxis auch nannte, blieb sie bis kurz vor ihrem Tod treu. Solange es ihre Krankheit zuliess, war sie «Chinderdoktor» mit Leib, Seele und Herzen. Katherina hinterlässt nicht nur ihre Praxis, sondern auch ihren Mann Andreas und ihre zwei kleinen Kinder Konstantinos und Theodora. Katherina, wir alle vermissen dich! Dr. med. Carole Bodenmüller, Stans K I N D E R Ä R Z T E. SCHWEIZ IN MEMOR IAM 02 / 2017 6
02 / 2017 BERUFSPOL I T I K K I N D E R Ä R Z T E. SCHWEIZ 7 Stärkung der Pädiatrie Die Delegierten mfe haben am 19. Mai 2017 einen dritten Pädiater in den Vorstand gewählt. Pius Bürki wird die Leitung der Kommission «informatics & e-health» übernehmen. Sein Wissen und seine Erfahrung sollen dazu beitragen, dass e-health nicht ein politischer Rohrkrepierer, sondern zum Nutzen von Patienten und Ärzten eingesetzt werden wird. Anlässlich des 7. Kongresses der Jungen Hausärzte Schweiz JHaS hat die KIS-Präsidentin Heidi Zinggeler Fuhrer ein eindrückliches Eröffnungsreferat zum Thema «Yes we care» gehalten. Dabei hat sie ganz nebenbei die Werbetrommel für die Praxispädiatrie und das Engagement der Praktiker in ihrem beruflichen Umfeld gerührt. Stärkung der Pflege Mit grossem Mehr haben die Delegierten mfe beschlossen, die «Pflegeinitiative (Volksinitiative für eine starke Pflege)» des Schweizer Berufsverbandes der Pflegefach- frauen und Pflegefachmänner SBK zu unterstützen. Nachdem das Parlament nicht auf die «Initiative Joder» eingestiegen war, soll der Bund nun via Volksinitiative dazu aufgefordert werden, eine Pflege von hoher Qualität zu fördern, ganz im Stil der Hausarztinitiative. Die Delegierten diskutierten über Fragen der Abgrenzung und Verantwortung zwischen Ärzten und Pflege, die gegebenenfalls auf Gesetzesstufe geregelt werden müssen, waren sich am Schluss aber darüber einig, sich für die Stärkung der Pflege als unsere Partnerin einzusetzen. Stärkung des Jugendschutzes Der vom Bundesrat vorgeschlagene Entwurf zur Revision des Bundesgesetzes über Tabakprodukte, welcher ein weitgehendes Verbot von an Minderjährige gerichteter Tabakwerbung vorsah und bei der Ärzteschaft grosse Unterstützung fand, wurde vom Parlament zurückgewiesen. Nun wird von einer parlamentarischen Gruppe eine Volksinitiative gestartet, welche das Tabakwerbeverbot wieder thematisieren will. Die Delegierten mfe haben einstimmig beschlossen, dem Trägerverein beizutreten. Stärkung der Medizinischen Grundversorger Nachdem die Stärkung der Medizinischen Grundversorger mit der Einführung von Tarmed misslang und die Pflege, Korrektur und Revision des Tarifs aus verschiedenen Gründen bisher nicht möglich waren – obwohl von allen Seiten immer wieder gefordert – bringt der zweite Tarifeingriff des Bundesrates Bewegung in die Diskussionen. Die Vorschläge des Bundesrates sind bestenfalls punktuell sachgerecht, werden zu neuen Verzerrungen führen und auf jeden Fall einschneidende Konsequenzen haben. Wir haben schon mehrmals darüber berichtet. Erfreulich ist die Einsicht des Bundesrates, dass die ausgeprägten Lohnunterschiede allein aufgrund des Facharzttitels nicht gerechtfertigt sind. Die Einebnung der Quantitativen Dignität führt zu einer Aufwertung aller Grundleistungen und insgesamt für die durchschnittliche Praxis zu der vom Bundesrat anvisierten finanziellen Besserstellung der Haus- und Kinderärzte. Auch die negativen Auswirkungen der bundesrätlichen Vorschläge sind von grosser Bedeutung und werden in allen Stellungnahmen der Fachverbände detailliert und mehr oder weniger objektiv geschildert. Erste Kommentare von Seiten der Tarifkommission mfe wurden im April per Membermail an die mfe-Mitglieder verschickt und in der Verbandszeitschrift Primary and Hospital Care publiziert. Weitere Informationen auf den Webseiten von mfe, SGP und FMH. Preissenkungen Arzneimittel Gestützt auf die Krankenversicherungsverordnung und der letztmals per 1. März 2017 angepassten Krankenpflegeleistungsverordnung überprüft das Bundesamt für Gesundheit BAG sämtliche in der Spezialitätenliste (SL) aufgeführten Arzneimittel darauf hin, ob sie die Aufnahmebedingungen noch erfüllen. Es geht dabei vor allem um den Preis. Die Arzneimittel werden aufgrund ihrer Zugehörigkeit zu einer therapeutischen Gruppe der Spezialitätenliste in drei Einheiten (A, B und C) aufgeteilt. Jede Einheit wird alle drei Jahre überprüft. Die Verordnungsgrundlagen können unter dem folgenden Link nachgeschlagen werden, wobei vor allem Artikel 34 – insbesondere 34 d – interessiert: https://www.admin.ch/ opc/de/classified-compilation/19950275/index.html Aktuell werden die Arzneimittel der Einheit A überprüft. Eine alphabetisch geordnete Excel-Tabelle ist im nachstehenden Link (ganz unten) unter dem Namen «Liste der zu überprüfenden Arzneimittel 2017» einseh- bar: https://www.bag.admin.ch/bag/de/home/themen/ versicherungen/krankenversicherung/krankenversicherung-leistungen-tarife/Arzneimittel/Mitteilungen-zurSpezialitaetenliste.html Aktuell finden die Preisverhandlungen zwischen dem BAG und den Herstellern statt. Das Bundesamt wird die Preissenkungen in den Monaten August und September verordnen, anfangs Oktober sollen die Preise publiziert und am 1. Dezember 2017 in Kraft gesetzt werden. Preissteigerungen sind 2017 keine vorgesehen. Die Publikation im BAG-Bulletin erfolgt erst in der ersten Dezember-Nummer. Das Ausmass der Preissenkungen ist noch unbekannt. Es empfiehlt sich auf jeden Fall, keine grossen Reserven zu halten und bei Problemen direkt mit dem Hersteller in Kontakt zu treten. ■ DR. MED. ROLF TEMPERLI, BERN, VORSTAND HAUS- UND KINDERÄRZTE SCHWEIZ Pädiatrie-Politik-Tarife
BERUFSPOL I T I K 02 / 2017 K I N D E R Ä R Z T E. SCHWEIZ 8 Wie oft bemühen sich zwei oder mehrere Personen bzw. Gruppen darum, das gleiche Ziel zu erreichen. Hier wird eine Idee geboren, dort ein Weg versucht. Alle mühen sich für sich selbst ab, und dabei wäre man gemeinsam viel besser und stärker. Man müsste nur voneinander wissen… Uns Praxispädiatern geht es nicht selten auch so – ob Nachwuchssuche und -förderung, Organisation von Kursen, Notfalldienstregelungen oder Öffentlichkeitsarbeit. Daher ist die gegenseitige Vernetzung so wichtig. Unter dem Titel «Praxispädiatrie: Quo vadis – ein Blick über die Grenzen (nach aussen und innen)» stand diese daher im Mittelpunkt der diesjährigen Januartagung. Wir wollten sehen, was sowohl in den regionalen Verbänden innerhalb der Schweiz passiert, als auch, was die Berufsverbände in unseren Nachbarländern tun. Das gegenseitige Kennenlernen und der Informationsaustausch sollten der erste Schritt sein, damit wir in der Zukunft unsere Bemühungen möglichst bündeln können. Hierzu waren alle Schweizer Regionalverbände sowie die pädiatrischen Berufsverbände aus Österreich und Deutschland nach Zürich eingeladen. Die Vertreter aus Basel, der Innerschweiz, der Romandie und aus Österreich haben krankheitshalber oder aus organisatorischen Gründen abgesagt, die restlichen waren vertreten: Aargau, Bern, Ostschweiz, Tessin, Zürich und der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte Deutschland (BVKJ). So konnte ein guter, interessanter und effektiver Meinungsaustausch statt- finden. «Innen»: Bei der Vorstellung der Schweizer Regionalverbände wurde deutlich, dass die Strukturen im Prinzip sehr ähnlich sind: Ein Vorstand organisiert regelmässige Mitgliederversammlungen und versucht die Interessen der lokalen Kollegen wahrzunehmen. Unterschiede konnte man in der Gewichtung der Tätigkeiten ausmachen (z. B. Fortbildungsorganisation, Arbeitsgruppen, Entwicklung von fachlichen Empfehlungen). Ein gemeinsames Problem ist für alle sowohl die Rekrutierung neuer Mitglieder als auch die Motivation der vorhandenen Mitglieder für aktive Mitarbeit – egal ob in Arbeitsgruppen oder im Verband / Vorstand selbst. Es ist zum Teil auch schwierig, sich politisches Gehör zu verschaffen – also bei pädiatrischen Themen anstehende Entscheidungen aktiv mitzugestalten. Speziell beim letzteren wäre eine engere Zusammenarbeit von grosser Bedeutung und könnte den Pädiatern mehr Gewicht verschaffen. Trotzdem – es gelingt immer wieder, Erfolge und Fortschritte zu erzielen. Neben den regionalen Verbänden wurden noch die zwei wesentlichen Partnerorganisationen vorgestellt: SGP (Schweizer Gesellschaft für Pädiatrie) und mfe (Haus- und Kinderärzte Schweiz). Beide vertreten ebenfalls die Interessen der Pädiater und der ärztlichen Grundversorger. Auch hier gibt es (naturgemäss) überschneidende Themen, bei denen es in der Zukunft gilt, die Synergien verstärkt zu nutzen. «Aussen»: Hier war der «Kennenlerneffekt» sicherlich grösser. In der Diskussion mit den deutschen Partnern – vertre- ten durch den Präsidenten des BVKJ Thomas Fischbach und den Leiter der Geschäftsstelle Armin Wölbeling – haben beide Seiten viel Neues, zum Teil Überraschendes, gehört. Nicht unerwartet ist der erste und offensichtliche Unterschied: die Grösse der Verbände – in nahezu allen Bereichen (Mitglieder, Geschäftsstelle…) ist ungefähr ein Faktor 1:10 bis 1:20 auszumachen. Schon eher überrascht die Tatsache, dass wir in der Schweiz besser in den (politischen) Entscheidungsgremien vertreten sind und mit den Hausärzten besser zu kooperieren scheinen. So ist in Deutschland die Rolle der Pädiater als Grundversorger bis heute nicht unumstritten. Schon eher bekannt ist unser besserer wirtschaftlicher Stand, wenn auch der Unterschied in den letzten Jahren eher abnimmt. Weiter recht rigide ist in Deutschland die Verteilung der Praxisstellen geregelt, trotz der Schwierigkeiten Nachwuchs zu finden. Hierbei gibt es also bedenkliche Ähnlichkeiten, dies- und jenseits des Rheins, verstärkt durch die Abnahme der Arbeitspensen der einzelnen Kollegen sowie durch die demografische Situation (viele ältere Kollegen kurz vor dem Ruhestand). Vielleicht nicht zuletzt durch diese Tatsache (Gefährdung der Versorgung), aber sicherlich auch durch die ausdauernde, bessere und effizientere Öffentlichkeitsarbeit der Funktionsträger werden in den letzten Jahren in beiden Ländern die Pädiater durch die Presse und die Politik vermehrt stärker wahrgenom- men. Januartagung 2017 DR. MED. JAN CAHLIK, AFFOLTERN A.A., VIZEPRÄSIDENT KINDERÄRZTE SCHWEIZ
02 / 2017 BERUFSPOL I T I K K I N D E R Ä R Z T E. SCHWEIZ 9 Die Grösse des deutschen Verbandes sowie die etwas andere versicherungstechnische und politische Landschaft ermöglicht es dem BVKJ zusätzlich weitere, hier (bisher) nicht bekannte Aktivitäten durchzuführen. So konnten selektive Verträge mit Versicherern abgeschlossen werden, die den Mitgliedern wirtschaftliche Vor- teile bringen. Das öffentliche Engagement für Kinder (z. B. Kinderrechte) ist deutlich stärker ausgeprägt als hierzulande. Um die Zusammenarbeit mit der Presse zu verstärken und zu intensivieren, wird vom deutschen Verband regelmässig ein Medienpreis für Berichterstattung über kinderbezogene Themen vergeben. Und nicht zuletzt positioniert sich der BVKJ politisch deutlich stärker als KIS: So wurde im derzeitigen Bundeswahlkampf an die Parteien ein pädiatrischer «Forderungskatalog» verschickt, der nach Beantwortung (öffentlich) ausgewertet werden soll. Auch die Leiter der Geschäftsstellen hatten einen interessanten Informationsaustausch. Das Arbeitsprinzip ist sehr ähnlich, natürlich soweit es bei dem bestehenden Grössenunterschied möglich ist (unser fleissiges und effizientes Zweierteam in Zürich gegenüber gut 20 Mitarbeitern in Köln). Beide Geschäftsstellen werden von «Nicht-Medizinern» geleitet und betrieben, in Köln (und Berlin) gibt es eine deutlichere Aufgabenaufteilung, was bei uns (folgerichtig) in Personalunion geschieht. Die elektronischen Kommunikationsmöglichkeiten werden in Deutschland aufgrund der personellen und geografischen Grösse eher mehr als bei uns genutzt. «Ausblick und Ziele»: Die Aktivitäten sowie Bemühungen der Schweizer Regionalverbände sind in den meisten Punkten sehr ähnlich, wenn nicht gar identisch. Auch wenn wir alle wissen, dass sich in den unterschiedlichen Kantonen nicht alle Lösungsansätze 1:1 umsetzen lassen, ist eine Kooperation sowie Bündelung der Energie möglich und wünschenswert. Um dies zu realisieren, sind regelmässige Treffen und Meinungsaustausche angedacht und auch schon geplant. Dies könnte in verschiedenen Formen erfolgen. Eine Möglichkeit könnten Gespräche im Rahmen des SGP Delegiertenpools sein. Bereits fest geplant ist eine Sitzung während der kommenden Jahrestagung von KIS. Die Organisation mit einer festen Traktandenliste und einem Informationsstand soll in der Zukunft abwechselnd von den einzelnen Regionalverbänden übernommen werden. Den Anfang werden im September 2017 die Kollegen aus Bern machen. Zusätzlich ist für die News eine Rubrik «aus den Regionen» angedacht. Eine Zusammenarbeit mit den deutschen (und österreichischen) Kollegen wäre ebenfalls sinnvoll und wünschenswert. Aufgrund der bestehenden landestypischen sowie organisatorischen Unterschiede kann (und soll) diese natürlich nicht so eng und intensiv wie innerhalb der Schweiz sein. Es gibt aber sicherlich etliche Punkte und Projekte, die man gemeinsam angehen könnte. Nach dem ersten «Kennenlernen» wurden weitere Treffen beschlossen. An diesen sollten dann konkrete(re) Pläne besprochen werden. Die nächste Gelegenheit hierzu ist unsere Jahrestagung 2017, zu der sich bereits ein Vorstandsmitglied des BVKJ angemeldet hat. Die Geschäftsstellen haben ebenfalls einen weiteren Austausch von Informationen vereinbart. Hier erhofft man sich, dass darunter Möglichkeiten für Verbesserung /Optimierung der eigenen Arbeit zu finden sein werden. Auch Ideen und Inputs für den Alltag oder für allfällige Projekte könnten sich daraus ergeben. Ein wichtiges Anliegen ist mir der Dank an alle, die bei der Vorbereitung der Januartagung mitgeholfen haben und diejenigen, die nach Zürich gekommen sind. Ohne dieses Engagement wäre eine sinnvolle Veranstaltung nicht möglich gewesen! Ich denke, wir hatten konstruktive Stunden, die auch etwas Freude bereitet haben, die aber vor allem neue (und wiederentdeckte) Möglichkeiten für die Arbeit zugunsten der Praxispädiatrie aufgezeigt haben. Es bleibt auch noch die Hoffnung, dass sich zudem «frische» Kräfte für das Mitwirken in der zukünftigen Verbandsarbeit finden lassen. ■
BERUFSPOL I T I K 02 / 2017 K I N D E R Ä R Z T E. SCHWEIZ 10 In der letzten Ausgabe von Kinderärzte Schweiz haben wir ein Fallbeispiel zur Abrechnung einer Otitis MediaKontrolle vorgestellt1 und vier mögliche Abrechnungen dazu publiziert. Die Reaktionen dazu waren unterschiedlich. Einige Leser erachteten die Abrechnungen als deutlich zu hoch. «Wieso denn eine ‹Kleine Untersuchung› machen, wenn das Kind eine einfache Otitis hat?» Oder auch – «Wenn für eine Otitis-Kontrolle ein Zeitaufwand von >10 Minuten benötigt wird, dann gibt es auch genügend Gründe für einen Kinderarztmangel!» Andere monierten darüber, dass Spezialisten den Spezialarzttarif auch in der Grundversorgung anwenden würden. Wieder andere bemängelten die grosszügige Abrechnung von 00.0610 (Instruktion), was sich vor allem auf Instruktion von Inhalationen etc., aber nicht Medikamente beziehen soll! Und schliesslich gab es auch solche, die meinten, dass man eben das abrechnen soll, was man – aufgrund ärztlicher Einschätzung der Situation – auch gemacht hat! Viele haben sich auch nach unserem Blog erkundigt, leider haben aber nur wenige wirklich etwas dazu geschrieben. Ziel dieser Rubrik ist und bleibt es, reale Situationen abzubilden und die entsprechenden Abrechnungen dazu aus Sicht von verschiedenen Ärzten aufzuzeigen. Fairerweise müssen wir dazu sagen, dass im letzten Beispiel eine Abrechnung nicht gezeigt wurde. Nämlich die Abrechnung einer Kollegin, welche nur den Zeitaufwand von 15 Minuten sowie das Medikament abgerechnet hat. Diese Kurzkonsultation ist auch die häufige reale Situation und wird in vielen Fällen tatsächlich so abgerechnet. Auch führen viele Kollegen Kontrollen einer Otitis nur dann durch, wenn noch Symptome bestehen (wie ja in unserem Fall), ansonsten die Eltern bereits am Telefon von der MPA über die fehlende Notwendigkeit der Kontrolle informiert werden – dies alles natürlich ohne Kostenfolge! Der Tarmed ist ja ein Zeittarif und die Frage ist natürlich, ob «angebrochene Leistungen», wie z.B. Beratung, Instruktion oder auch nur Lesen eines Kurzberichts als begonnene 5 Minuten abgerechnet werden sollen oder dürfen. Wir haben uns auch in Spitälern erkundigt und bei anderen Kollegen, welche uns zurückmeldeten, dies grosszügig und konsequent durchzuführen. Gewisse Leistungen, wie z.B. Beratungen bei Medikamentenabgabe sind im Tarmed nicht abschliessend definiert – werden aber z.B. in der Kindernotfallstation eines grösseren Spitals immer abgerechnet! Wir denken, dass in jedem Fall die Anwendung des Tarifs so erfolgen soll, dass die Leistung des Arztes korrekt und richtig abgebildet wird. Unter «korrekt» verstehen wir, dass die vom Tarmed bezeichnete Leistung auch tatsächlich (und sinnvollerweise) durchgeführt wurde, unter «richtig», dass die Leistung massvoll – nach der ursprünglichen Meinung der Gestalter – angewendet wird. Eine Situation, in welcher man 20 Sekunden auf den Bericht geschaut, 2 Minuten über das Krankheitsbild informiert und 30 Sek. die Gabe des Medikaments (z.B. Paracetamol) besprochen hat, mit je 5 Minuten Leistung (00.0140, 00.0510, 00.0610) zusätzlich zur Konsultation abzurechnen ist sicher nicht die eigentliche Meinung des Tarifs. Andererseits dürfen wir unsere Leistungen auch nicht unterbewerten! D.h. erbrachte Leistungen sollen und müssen richtig abgerechnet werden. Denn eine Unterbewertung schadet nicht nur dem einzelnen Arzt, sondern allen Pädiatern zusammen. Der Mittelwert unserer Leistungen wird dadurch tiefer und Pädiater, welche korrekte Leistungen richtig abrechnen, werden in der Vergleichstatistik zu teuer. In diesem Sinn appelliere ich doch an alle unsere Leserinnen und Leser, zu den Fallbeispielen in den folgenden Ausgaben Stellung zu nehmen, damit wir gemeinsam korrekt und konsequent abrechnend unsere Position den Krankenkassen gegenüber stärken können. ■ Zugang zum Blog erhalten Sie über unsere Geschäftsstelle, siehe: https://www.kinderaerzteschweiz.ch/FuerMitglieder/Blog-die-paediatrische-Abrechnung oder via E-Mail: blog@kinderaerzteschweiz.ch. Alle KIS Mitglieder, welche die Zugangsdaten zum Blog Pädiatrische Abrechnung angefragt haben, sind automatisch auf einer Mailingliste registriert und erhalten eine Nachricht, wenn es neue Blog-Einträge gibt. Einen Kommentar von Rolf Temperli lesen Sie im E-Paper dieser Ausgabe sowie im Blog selbst. Blog «Die pädiatrische Abrechnung» – viele Anfragen, wenig Kommentare! DR. MED. RAFFAEL GUGGENHEIM, ZÜRICH, VORSTAND KINDERÄRZTE SCHWEIZ, LEITER REDAKTIONS- KOMMISSION 1 Kinderärzte Schweiz 1/17, 12–13
Kurzmeldungen aus Vorstand und Arbeitsgruppen Intervention bei GSK wegen Haltbarkeit der Impfstoffe GlaxoSmithKline hat vor Kurzem eine Information verschickt, in der neben erneuten Lieferschwierigkeiten eine Verkürzung der Mindestrestlaufzeit der Impfstoffe auf drei Monate angekündigt wird. Wir sehen darin in der Zeit der Impfstoffknappheit eine zusätzliche Erschwernis des Praxisalltags. Aus diesem Grund haben Kinderärzte Schweiz bei GSK protestiert und wir werden im Rahmen unserer Möglichkeiten auf eine Aufhebung dieser Massnahme drängen. E-Paper Wir danken euch für die positiven Kommentare, die wir zum ersten E-Paper erhalten haben. Zusätzlich zur Druckversion erscheinen die KIS News ja seit der letzten Ausgabe auch in diesem praktischen und modernen Format. Dies bietet uns Gelegenheit, auch Beiträge zu publizieren, die den Rahmen des gedruckten Heftes sprengen würden. In dieser Ausgabe findet ihr zum Beispiel einen Beitrag von Ottilia Lütolf Elsener zum Aktionstag «Tag gegen Lärm» vom 26. April 2017, über welchen wir in den News 1/2017 berichtet haben. Ausserdem reproduzieren wir mit freundlicher Genehmigung der Paediatrica Lisa Weibels und Martin Theilers Artikel «Nagelveränderungen bei Kindern». Jahrestagung 2017 Organisation und Anmeldungen für die 22. Jahrestagung von Kinderärzte Schweiz, welche amDonnerstag, 7. September 2017 im Hotel Seedamm Plaza in Pfäffikon (SZ) stattfindet, läuft auf vollen Touren. Unter dem Titel «Pädiatrie grenzenlos» schauen wir dieses Jahr über persönliche, berufliche, geografische und kulturelle Grenzen. Ein bunter Strauss von interessanten Angeboten erwartet Sie! Erfahrenen Kolleginnen und Kollegen bieten wir neu zwei «Masterclasses» an und Assistenzärztinnen/-ärzten und Studentinnen/Studenten (letztere in Begleitung eines Mitglieds) wollen wir neu mit reduzierten Teilnahmegebühren den Weg in die Praxispädiatriewelt ebnen. Das Programm liegt dieser Ausgabe der KIS News bei; es kann auch von unserer Jahrestagungs-Website www.jahrestagung.ch sowohl als E-Paper, als auch als pdfDokument heruntergeladen werden. Wir bitten Sie, diese Information auch an Ihre MPAs weiterzuleiten. Vielen Dank. Sonderkonditionen KIS-Fortbildungen für Assistenzärztinnen und -ärzte Eines der strategischen Ziele von Kinderärzte Schweiz ist die Nachwuchsförderung. Eine Facette der praktischen Umsetzung dieses Geschäftsziels sind die Sonderkonditionen, welche wir neu Assistenzärztinnen und -ärzten an den meisten unserer Fortbildungen gewähren. Assistentinnen und Assistenten in Weiterbildung zum Facharzt Kinder- und Jugendmedizin erhalten in ausgewählten Kursen ein begrenztes Kontingent von Plätzen zu reduzierten Preisen. Bewegungstipps Gesundheitsförderung Schweiz hat kürzlich verschiedene Broschüren zum Thema «Gesundheitswirksame Bewegung bei Säuglingen, Kleinkindern und Kindern im Vorschulalter» publiziert. Diese können von unserer Website (Rubrik Hilfreiche Materialien und Infos für die Praxis) heruntergeladen werden. Tarifeingriff Bundesrat Die Vernehmlassungsfrist läuft Ende Juni ab. Zahlreiche Verbände haben sich geäussert, zum Teil konstruktiv, zum Teil wütend. Die Beurteilungen aus Sicht der Kinder- und Hausärzte finden sich auf den Websites der Verbände KIS, SGP und mfe. Grundsätzlich ist es zu bedauern, dass der Bundesrat in den Tarif eingreifen muss. Zusammenfassend stellen wir fest, dass der Tarifeingriff endlich zu einer Aufwertung der Grundleistungen wie Konsultation, Untersuchung und Gespräch – und zwar für alle Ärzte ausser den Psychiatern – sowie zu einer Einebnung der grossen Einkommensunterschiede zwischen verschiedenen Fachärzten führen wird. Beides sind Forderungen, welche schon an Tarmed gestellt, aber nie erfüllt werden konnten. Auf der anderen Seite stehen zum Teil einschneidende Preissenkungen an, deren Auswirkungen noch unklar sind. Limitationen werden von Versicherern und Bund gefordert, behindern aber unsere Arbeit oder verunmöglichen sie gar. Der neue Tarif soll per 1. Januar 2018 in Kraft treten. Die Arbeiten an der Gesamtrevision des Tarifs laufen trotzdem weiter, erwartet doch der Bundesrat weiterhin die tarifpartnerschaftliche Eingabe eines genehmigungsfähigen revidierten Tarifs. Die im Rahmen von Tarco von der FMH revidierten Kapitel werden nach und nach auf der Homepage der FMH aufgeschaltet. Rückmeldungen sind nur via die Präsidenten und Tarifdelegierten der Fachgesellschaften möglich. Kontaktadressen: Für das Kapitel Kind: Laure Ziegler, Tarifdelegierte SGP: ziegler@hin.ch Für alle anderen Kapitel: Yvan Rielle, Tarifkommission mfe: yvan.rielle@hausaerzteschweiz.ch
BERUFSPOL I T I K 02 / 2017 K I N D E R Ä R Z T E. SCHWEIZ 12 «Ich wäre ja eigentlich gar nicht gekommen, aber die in der Kita haben gesagt, ich muss das beim Kinderarzt zeigen…» Diesen Satz höre ich häufig, wenn ich ein Sprechzimmer betrete, in dem ein fröhliches Kind in bestem AZ gerade dabei ist, «Teigwaren mit Fleisch zum Zmittag» zu kochen oder das Polizeiauto in seine Einzelteile zu zerlegen, und erst beim zweiten Blick eine diskrete Konjunktivitis oder ein leichter Hautausschlag auffällt. Die Kriterien, nach denen Kinder krankheitsbedingt temporär aus der Kita ausgeschlossen oder an den Kinderarzt verwiesen werden, sind nicht nur von Kanton zu Kanton, sondern sogar von Kita zu Kita (und da manchmal sogar abhängig von den jeweils anwesenden Betreuerinnen) z. T. sehr unterschiedlich. Das KiBe-Forum Aargau hat sich der Aufgabe angenommen, Empfehlungen zum Vorgehen bei ansteckenden Erkrankungen zu formulieren, die die unterschiedlichen Interessen der verschiedenen Beteiligten berücksichtigen. Erklärtes Ziel der Verfasser war es, gut verständliche Richtlinien als Grundlage auch für andere Kantone zu Verfügung zu stellen. Dafür haben sie einigen Aufwand betrieben: verschiedene Berufsgruppen (Kita-Mitarbeiter, Kinderärzte, Kantonsärztlicher Dienst etc.) wurden einbezogen, die Richtlinien wurden durch das BAG überprüft und schliesslich wurde die Umsetzung in einer Pilotphase getestet. Einen Konsens zu finden, war für die Verfasser sicher nicht einfach. Zum einen gilt es, die potenziellen Gefahren für die anderen Kinder und die Mitarbeitenden einer Kita zu minimieren. Gleichzeitig soll einerseits die Angst der Eltern, dass sich ihr Kind mit einer Krankheit anstecken könnte, und andererseits das Bedürfnis der Eltern, die arbeiten gehen müssen und ihr Kind trotzdem versorgt wissen wollen, bedacht werden. Gerade das Beispiel Konjunktivitis (bei mir die häufigste Kita-indizierte Indikation eines Kinderarztbesuches) wird ausführlich und klar verständlich beschrieben. In den Richtlinien finden sich ausserdem zahlreiche Hinweise und Empfehlungen zur praktischen Umsetzung von Hygiene- und allgemeinen Präventionsmassnahmen sowie Empfehlungen zum Thema Impfungen. Wünschenswert wäre aus meiner Sicht noch eine Tabelle nach Symptomen (z. B. Konjunktivitis, Husten, Schnupfen, Durchfall etc.), nicht nach genau definierten Krankheiten. Das Problem ist ja oft, dass die Kita- Mitarbeitenden eben keine Diagnose stellen können und auch nicht dürfen, sodass sie dann auch nicht gezielt unter «Mumps» oder «Ringelröteln» nachschlagen können. Auch wenn wahrscheinlich nicht jeder von uns zu allen Punkten exakt der gleichen Meinung ist, finde ich doch, dass damit ein hervorragender Vorschlag gelungen ist, wann ein Kind temporär aus der Kita ausgeschlossen werden muss, und wann es trotz einer ansteckenden Krankheit in die Kita gehen kann. Die Anwendung einer solchen Richtlinie, die für das KitaPersonal leicht verständlich und damit auch umsetzbar ist, würde – zumindest in meiner Praxis – die Anzahl der «unnötigen Konsultationen» vermutlich deutlich reduzieren und damit nicht zuletzt auch zu einer Kostensenkung führen. Wenn solche Richtlinien nicht nur kantonal, sondern national – oder zumindest in der Deutschschweiz – als Konsens verabschiedet werden könnten, würde das für alle Beteiligten die Arbeit vermutlich deutlich vereinfachen, weil diejenigen von uns, die neben ihrer Arbeit in der Praxis auch als Ansprechpartner für Kitas zu Verfügung stehen, nicht «das Rad neu erfinden» müssen, sondern auf die entsprechende Richtlinie verweisen könnten. Der Vorschlag des KiBe Forum Aarau «Krippe und Krankheit – Vorgehen bei ansteckenden Erkrankungen in der Kindestagesstätte» lässt sich über die KIS-Homepage leicht abrufen: Siehe Rubrik «Links/Hilfreiche Materialien für die Praxis» im Kapitel «Krippe/Kindertagesstätte und Krankheit». Vielleicht liesse sich auf Grundlage des KiBe Forum- Vorschlags eine Diskussion auf überregionaler Ebene führen und eine nationale Version erarbeiten? Wer Interesse hat, in einer Arbeitsgruppe zu diesem Thema mitzumachen, möge sich doch gerne an unseren Geschäftsführer wenden: daniel.brandl@kinderaerzteschweiz.ch. Wenn genügend Interessierte zusammenkommen, werden wir gerne eine solche überkantonale Arbeitsgruppe organisieren. Zur Inspiration – und weil es ja immer einfacher ist, wenn es als Grundlage schon einen Vorschlag gibt – sei allen Interessierten die Lektüre der KiBe-Richtlinie empfohlen. ■ Krippe und Krankheit Vorgehen bei ansteckenden Erkrankungen in der Kindertagesstätte Ein Werkzeug für Ärztinnen /Ärzte und Mitarbeitende der Kindertagesstätten vom KiBe Forum Aargau DR. MED. KERSTIN WALTER, BERN, VORSTAND KINDERÄRZTE SCHWEIZ Krippe Vorgehen bei ans in der K Ei !;, ,4.$)) )I $) ! !!! ! ! ! ! !!! ! ,$ )7KiBe Forum ," / Erklärtes Ziel der Verfasser war es, gut verständliche Richtlinien als Grundlage auch für andere Kantone zu Verfügung zu stellen.
02 / 2017 BERUFSPOL I T I K K I N D E R Ä R Z T E. SCHWEIZ 13 «Words are the most powerful tool a doctor possesses, but words, like a two-edged sword, can maim as well as heal.» (Bernhard Lown, MD). Die Arzt-Patienten-Kommunikation und die dadurch hervorgerufenen Erwartungen des Patienten können signifikante positive wie auch negative Auswirkungen haben auf den Verlauf einer Erkrankung oder einer Behandlung. Der Placeboeffekt ist seit vielen Jahren bekannt und ausführlich untersucht worden. Der NoceboEffekt als negatives Pendant zum Placebophänomen hat jedoch erst in den vergangenen Jahren eine grössere Aufmerksamkeit erhalten – auch in Bezug auf suggestive Äusserungen im Gespräch mit Kindern und deren Familien. Keine falschen Versprechungen Wenn Eltern oder Fachpersonen mit einem ängstlichen Kind reden, so tappen sie dabei immer wieder in eine Falle: Mit Sätzen wie «Es wird alles gut», «Du musst keine Angst haben» oder «Es geht ganz schnell» wollen sie beruhigen und tun damit doch genau das Gegenteil. Falsche Versprechungen enttäuschen und zerstören das Vertrauen des Kindes. Zudem werden Kinder durch die vermeintlich tröstenden Formulierungen verunsichert und «wittern Gefahr», sodass die gut gemeinten Bemerkungen einen ungewollt negativen Effekt auf die Angst des Kindes oder die Schmerzerwartung haben können. Deshalb sollten Fachpersonen wenn immer möglich keine Wörter verwenden, die die Aufmerksamkeit des Kindes auf die Spritze oder den Schmerz lenken bzw. eine Wahrnehmung suggerieren, wie: «Du wirst jetzt einen Piks spüren und dann ist das Schlimmste schon vorbei.» Ein ängstliches Kind wird nur die Triggerwörter «Piks» und «das Schlimmste» hören und seine Erwartungshaltung entsprechend anpassen. Die richtigen Worte Anästhesie-Teams beschäftigen sich bereits seit einigen Jahren mit einer angstmindernden Sprache bei der Narkoseeinleitung und verwenden dabei viele positive Wörter. Diese rufen angenehme Assoziationen hervor und helfen dem Kind, sich zu entspannen und auf die positiven Aspekte der Narkose zu fokussieren. Das Narkose-Team «hilft» dem Kind bei der «spannenden Reise ins Schlafland». Die «Pilotenmaske duftet» nach Schokolade oder Erdbeer und die «Zaubersalbe» lässt die Haut «einschlafen». Placebo-Kommunikation zur Angstminderung bei Interventionen ist keine einfache Sache. Auch wenn es in Kinderspitälern zunehmend konkrete Empfehlungen und Beispieltabellen gibt, so ist die individuelle Anwendung Übungssache. Der achtsame Umgang mit der Art und Weise, in der Interventionen erklärt und begleitet werden, hat auch in der Kinderarztpraxis ein grosses Potenzial: Neben wirksamen niedrigschwelligen Massnahmen zur Angstminderung wie dem Buzzy®1 sollte der Fokus der Kommunikation während Interventionen auf positiven Aspekten und dem gewünschten Ergebnis liegen («Die Blutuntersuchung hilft uns herauszufinden, was wir tun können, damit es dir bald wieder besser geht»). Der wirksame Schutz von Kindern vor Angst und prozeduralem Schmerz ist ein Kinderrecht. Er ist aber auch eine wichtige Investition in das Vertrauen, das uns Kinder und ihre Familien entgegenbringen – und damit eine Investition in zukünftiges Gesundheitsverhalten. ■ REFERENZEN: Häuser, W., Hansen, E. & Enck, P. (2012), Nocebo Phenomena in Medicine. Their Relevance in Everyday Clinical Practice. Deutsches Ärzteblatt International, 109(26), 459–65. Stock, A., Hill, A. & Babl, F.E. (2012). Practical communication guide for paediatric procedures. Emergency Medicine Australasia, 24, 641–646. McMurtry, C.M., Chambers, C.T., McGrath, P.J. & Asp, E. (2010). When «don’t worry» communicates fear: Children’s perceptions of parental reassurance and distraction during painful medical procedures. Pain, 150, 52–58. Bendetti, F., Lanotte, M., Lopiano, L. & Colloca, L. (2007). When words are painful: unraveling the mechanisms of the Nocebo Effect. Neuroscience, 147, 260–271. Lang, E.V., Hatsiopoulou, O., Koch, T., Berbaum, K., Lutgendorf, S., Kettenmann, E., Logan, H. & Kaptchuk, T.J. (2005). Can words hurt? Patient- provider interactions during invasive procedures. Pain, 114, 303–309. KIND+SPITAL ist eine Schweizerische Fach- und Lobbyingorganisation für Kinderrechte im Gesundheitswesen. Im Fokus des ehrenamtlichen Engagements steht die Umsetzung der 10 Punkten der EACH-Charta für Kinder im Spital – in Zusammenarbeit mit Eltern, Fachpersonen und Gesundheitspolitikern. Mehr Informationen finden Sie unter: www.kindundspital.ch Wenn Worte weh tun: Nocebo-Effekte in der Kommunikation mit Kindern NETTY FABIAN, LENZBURG, PFLEGEEXPERTIN, BSCN, RSCN KIND+SPITAL SCHWEIZ In den vergangenen Jahren haben nichtmedikamentöse Massnahmen gegen die Angst und gegen Schmerzen bei Interventionen zunehmend an Bedeutung gewonnen. Auch die Art und Weise, in der Fachpersonen mit einem Kind sprechen, kann dessen Angst und die Schmerzerwartung vor einer Behandlung signifikant verändern – in beide Richtungen. Bild: Markord/Shutterstock.com 1 Mehr Informationen zum Buzzy® finden Sie unter: http://www.kindundspital.ch/buzzy/informationen/fuer-fachpersonen
BERUFSPOL I T I K 02 / 2017 K I N D E R Ä R Z T E. SCHWEIZ 14 ■ Lärm und Lautstärke Lärm ist unerwünschter Schall. Die Lautstärke von Schall wird in Dezibel dB angegeben. Die logarithmische Dezibel-Skala bildet von 0 dB (Hörschwelle) bis ca. 130 dB (Schmerzgrenze) den gesamten Lautstärkebereich in überschaubaren Schritten ab; 10 dB: Ticken einer Armbanduhr, 40 dB: leise Musik, 60 dB: normale Unterhaltung, 90 dB: Lastwagen, 120 dB: Presslufthammer. Änderungen der Lautstärke um 1 dB kann der Mensch unter bestimmten Voraussetzungen wahrnehmen; eine Änderung um 10 dB entspricht etwa einer Verdopplung bzw. Halbierung der subjektiv empfundenen Lautstärke. AUTORIN: OTTILIA LÜTOLF ELSENER, LUZERN, FACHÄRZTIN FMH ANGIOLOGIE UND INNERE MEDIZIN, MITGLIED AEFU, ARBEITSGRUPPE «TAG GEGEN LÄRM» DIESER ARTIKEL ENTSTAND IN ZUSAMMENARBEIT MIT NADIA SAUTER OES, FACHÄRZTIN FMH FÜR KINDER- U. JUGENDMEDIZIN, KINDERÄRZTE SCHWEIZ, WINTERTHUR UND ANDREA KAUFMANN, KOORDINATIONSSTELLE «TAG GEGEN LÄRM», LUZERN WIEDERVERÖFFENTLICHUNG MIT FREUNDLICHER GENEHMIGUNG DER AUTORIN. DIE ERSTPUBLIKATION ERFOLGTE IN DER SCHWEIZERISCHEN ÄRZTEZEITUNG. Lärm ist ein Stressor. Unser Gehör ist als hochsensibles Organ an die Geräuschkulisse einer längst vergangenen Naturlandschaft angepasst. Laute und ungewohnte Geräusche waren ursprünglich ein Signal für Gefahr, auf die der menschliche Körper mit einer erhöhten Alarmbereitschaft zu Flucht oder Kampf reagierte. Unsere Geräuschkulisse hat sich dramatisch verändert: Eine Unmenge von verschiedensten Geräuschen überflutet uns ständig. Auf laute und störende Geräusche reagiert unser Körper aber immer noch gleich wie zu Urzeiten. Er schüttet vermehrt Adrenalin und Noradrenalin aus und setzt Energiereserven frei. Mit steigender Lautstärke und Dauer gesellt sich Cortisol dazu – mit Folgen für unser Wohlbefinden und unsere Gesundheit. Eine Gewöhnung des Körpers an Lärm gibt es nicht. Auch Kinder leiden unter Lärm Die Wirkung von Lärm auf Kinder ist selten Gegenstand von medialen Diskussionen, doch Studien dokumentieren, dass chronische Lärmbelastungen auch bei Kindern anhaltende seelische und körperliche Beeinträchtigungen auslösen können. Wir müssen uns bewusst sein, dass Kinder ihre akustische Umwelt weniger beeinflussen können als Erwachsene. Sie sind oft Lärm ausgesetzt, ohne diesem ausweichen zu können. Ihre altersentsprechenden Bewältigungsstrategien (sog. Coping) schützen sie nicht vor den gesundheitlichen Folgen des Lärms z. B. durch spontanes Zuhalten der Ohren. Zudem fehlen Kindern oft das Wissen und das Verständnis dafür, dass Lärm schädlich sein kann. Lernschwierigkeiten Gemäss der Ecoplanstudie1 von 2014 entwickeln 17,5 Prozent aller Kinder zwischen 7 und 19 Jahren Lernschwierigkeiten, weil sie Verkehrslärm ausgesetzt sind. Der Lärm beeinträchtigt das Gedächtnis der Kinder. Dies führt zu einer eingeschränkten Konzentrations- und Merkfähigkeit, was den Lernprozess im Vergleich zu nicht lärmexponierten Kindern verlangsamt. Im Oktober 2015 wurden die Ergebnisse der NORAHStudie2 veröffentlicht. Dabei wurde die langfristige Wirkung von Verkehrslärm auf Gesundheit, Lebensqualität und die kindliche Entwicklung im Rhein-Main-Gebiet untersucht. In stark von Fluglärm belasteten Gebieten lernen Grundschulkinder langsamer lesen als Kinder in ruhigen Lagen. So verzögert eine Lärmzunahme von 10 Dezibel das Lesenlernen um einen Monat. Leiden die kognitiven Leistungen der Kinder unter einer starken Lärmexposition, wirkt sich das auch auf ihr Erwachsenenleben aus. Mit einem verminderten Lese-, Schreib- oder Merkvermögen werden sie es in der höheren schulischen Ausbildung schwerer haben. Schlafstörungen und Verhaltensauffälligkeiten Lärm wirkt sich aber nicht nur auf die kognitiven Leistungen der Kinder aus. Insbesondere Schlafstörungen und Stress durch Strassenlärm können auch Übergewicht und Diabetes als Folge haben3. Aufwachreaktionen während der Nacht laufen oft unbewusst ab, das heisst amMorgen wissen die Kinder nicht, dass ihr Schlaf gestört war. Kaum ein Kind sagt, es habe schlecht geschlafen. Dabei ist die nächtliche Erholung gerade für Kinder immens wichtig. Schlafstörungen bleiben so oft unbemerkt und beeinträchtigen über längere Zeit eine gesunde Entwicklung. Kinder, deren Zimmer zu einer viel befahrenen Strasse hinaus liegt, tendieren auch zu einem leicht erhöhten Blutdruck. Leidet der Körper jahrelang unter Bluthochdruck, kann die Häufigkeit von kardiovaskulären Erkrankungen im Alter zunehmen. Hyper-aktivität und andere Verhaltensauffälligkeiten werden ebenfalls mit einer andauernden Strassenlärmexposition in Verbindung gebracht4. Auch in vermeintlich ruhigeren, ländlichen Gebieten leiden Kinder unter dem Lärm. Eine Untersuchung5 an 1280 Tiroler Volksschülerinnen und -schülern zeigte, dass Symptome wie Angst, Depression oder Verhaltensauffälligkeiten signifikant mit einer höheren Verkehrslärmbelastung in Alltag einhergehen. Es scheint, dass alpine Täler weniger Belastungen durch Schallquellen ertragen, da der menschliche Organismus relativ zu seiner Hintergrundbelastung reagiert. Die hohe nächtliche Spitzen-Schallbelastung durch den Schienenverkehr fiel in dieser Untersuchung besonders ins Gewicht. Wie viel Lärm ist zu viel? Ob Schlafstörungen, erhöhter Blutdruck oder Hörschäden – Lärm kann Menschen krank machen. Doch nicht nur Erwachsene leiden unter Lärm, auch Kinder sind davon betroffen. Die Folgen einer übermässigen Lärmexposition sind aber nicht nur körperlicher Natur, auch psychische Leiden oder eine Beeinträchtigung der kognitiven Leistungen können auftreten. Ein erholsamer Schlaf ist für die gesunde Entwicklung wichtig. © Shutterstock.com
02 / 2017 BERUFSPOL I T I K K I N D E R Ä R Z T E. SCHWEIZ 15 ■ Tag gegen Lärm Immer am letzten Mittwoch im April findet der Internationale Tag gegen Lärm statt. Seit 2005 nimmt die Schweiz an diesem Aktionstag teil. Jedes Jahr steht eine andere Facette der Lärmproblematik im Vordergrund. Dieses Jahr wird unter dem Motto «Ruhe fördert» auf die Auswirkungen von Lärm auf Kinder aufmerksam gemacht. Lärm stört und kann krank machen. Für eine gesunde Entwicklung brauchen Kinder eine gesunde Umgebung – ganz im Sinne von «Ruhe fördert»! Um Eltern und Betroffene auf dieses wichtige Thema aufmerksam zu machen, stellen wir Ihnen attraktive Flyer, die ausgeschnitten einen Türhänger ergeben, zum Auflegen in Ihrer Praxis zur Verfügung. Unter www.laerm.ch/ kinder können Sie die Türhänger kostenlos bestellen und helfen so mit, Kinder von übermässigem Lärm und dessen schädlichen Folgen zu schützen. Die Trägerschaft des «Tag gegen Lärm» in der Schweiz setzt sich zusammen aus: Cercle Bruit (Vereinigung kantonaler Lärmfachstellen), Schweizerische Gesellschaft für Akustik, Ärztinnen und Ärzte für Umweltschutz. Unterstützt wird die Trägerschaft vom Bundesamt für Umwelt BAFU und vom Bundesamt für Gesundheit BAG. Weitere Informationen finden Sie unter www.laerm.ch/kinder. Einfluss von Lärm im Säuglingsalter Lärm hinterlässt Spuren im Gehirn. Die US-Forscher Edward Chang und Michael M. Merzenich6 beschallten neugeborene Ratten mehrere Monate lang mit einem Rauschen, das sich mit normalen Umweltgeräuschen im Alltag vergleichen lässt. Das verursachte zwar keine direkten Schäden im Gehör der Tierbabys, doch es wurde eine Verzögerung der Entwicklung der Hörrinde beobachtet. Dort bilden sich während des ersten Lebensmonats Neuronenverbände, die selektiv auf bestimmte Lautmuster und Frequenzen reagieren. Bei den Ratten, die der Dauerbeschallung ausgesetzt waren, blieb dieser Reifungsprozess noch nach Monaten aus. Es ist denkbar, dass ähnliche Umstände auch bei Babys nachhaltige Spuren hinterlassen. So können laute Hintergrundgeräusche im Säuglingsalter einerseits die Gehirnentwicklung beeinflussen und so die Hör- und Sprachfähigkeit beeinträchtigen. Andererseits lernen Kleinkinder weniger gut sprechen, wenn beispielsweise Radio und Fernseher ständig nebenher laufen und sie dadurch auch weniger Ansprache erhalten. Es fällt den Kleinkindern schwer, an sie gerichtete Worte aus dem Umgebungslärm herauszufiltern – doch sprechen lernen Kinder nun mal durch die direkte Ansprache und das Zuhören. Hörschäden Verschiedene Untersuchungen bei Kindern und Jugendlichen zeigen, dass eine Beschallung mit 100 bis 120 dB(A) über Minuten bis Stunden zu einem akuten Lärmschaden führen kann. Eine solche Schallbelastung führt sowohl zu stoffwechselbedingten als auch mechanischen Schäden im Bereich der Hörsinneszellen des Innenohrs. Meist entwickeln sich Hörschäden schleichend, in der Kindheit und Jugend oft unbemerkt. Bei einem Schalldruck von 130 dB(A) reichen aber bereits einige Sekunden, um einen Hörschaden zu erleiden. Bei einem Säugling bis zum achten Lebensmonat sind die Nerven der Hörbahn von der Gehörschnecke zum Gehirn noch nicht ausgereift. Eine 15- bis 30-minütige unmittelbare Guggenmusik-Exposition beispielsweise kann da bereits zu einer irreversiblen Schädigung des Hörvermögens führen. Erwachsene und ältere Kinder können sich in solchen Fällen durch das Zuhalten der Ohren schützen oder sie entfernen sich von der Lärmquelle. Kleinkinder und Säuglinge können das nicht. Auch anatomische Besonderheiten beim kindlichen Gehörgang führen dazu, dass die gleiche Lautstärke beim Kind einen deutlich lauteren Höreindruck verursacht als beim Erwachsenen. So kann bereits nach deutlich kürzerer Lärmexposition ein Hörschaden eintreten. Bis zum 5. Geburtstag ist das kindliche Gehör besonders empfindlich. Gesunde Entwicklung Damit sich Kinder möglichst gesund entwickeln können, ohne dass sie negative Langzeitfolgen davontragen, benötigen sie eine «gesunde» Umgebung. Der Belastung durch Lärm muss in Zukunft mehr Aufmerksamkeit geschenkt werden. Denn eine übermässige Lärmexposition im Säuglings- und Kindesalter kann lebenslange Folgen nach sich ziehen. Bereits 1910 erkannte Robert Koch, Bakteriologe: «Eines Tages wird der Mensch den Lärm ebenso unerbittlich bekämpfen müssen wie die Cholera und die Pest.» Seine Prophezeiung hat uns bereits eingeholt. ■ Dieser Artikel ist bereits in der Schweizerischen Ärztezeitung 2017/17 erschienen. 1 Ecoplanstudie im Auftrag des BAFU «Auswirkungen des Verkehrslärms auf die Gesundheit», Bern und Altdorf, 2014 2 Lärmwirkungsstudie NORAH, Bochum, 2015 3 Christensen JS, Hjortebjerg D, Raaschou-Nielsen O, Ketzel M, Sørensen TI, Sørensen M. 2016; Pregnancy and childhood exposure to residential traffic noise and overweight at 7 years of age. Environment International 94:170–176 4 Hjortebjerg D, Andersen AM, Christensen JS, Ketzel M, Raaschou-Nielsen O, Sunyer J, Julvez J, Forns J, Sørensen M. 2016; Exposure to road traffic noise and behavioral problems in 7-year-old children: a cohort study. Environ Health Perspect 124:228–234 5 Lercher P, Evans GW, Meis M, Kofler WW; Ambient neighbourhood noise and children’s mental health. Occupational and Environmental Medicine 2002; 59: 380–386 6 Chang E et al.: Environmental Noise Retards Auditory Cortical Development. Science. 2003; 300:498–502 Erwachsene und ältere Kinder können sich die Ohren zuhalten, wenn es zu laut wird – Säuglinge und Kleinkinder haben diese Möglichkeit nicht. Schützen Sie Kinderohren vor schädlichem Lärm. © Shutterstock.com
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