KINDERÄRZTE.SCHWEIZ
37 [Dieser Beitrag konnte mit Unterstützung der FirmaMilupa gedruckt werden. Die inhaltliche Ver- antwortung liegt ausschließlich bei den Autoren, die keinerlei Remuneration oder sonstige Unter- stützung erhalten haben.] Arzt Kind DFP-Punkte online buchen! Für InformationenzuMedikamentenbittenwirSie sichandieRedaktiondesVerlageszuwenden. Ärztlicher Fortbildungsanbieter für diesen Fachartikel: St. Anna Kinderspital Kinderspitalgasse 6, 1090Wien Lecture Board: • Ass.-Prof. Dr. Wolf-Dietrich HUBER • Priv.-Doz. Dr. Karl Martin HOFFMANN Zusammenfassung und Ausblick Die gesunde Entwicklungdes Darms unddes- sen Funktionalität sind für die Entwicklung des Säuglings und die langfristige Gesund- heit von großer Bedeutung. Eine vielfältige, gut funktionierende Mikrobiota liefert einen essentiellen Beitrag zur Darmgesundheit und hat unter anderem Ein üsse auf Nährsto - aufnahme, Entwicklung und Funktion des Immunsystems, Metabolismus, neuropsy- chologische Prozesse und allgemeines Wohl- be nden. So ist es nicht verwunderlich, dass eine Dysbiose mit zahlreichen Erkrankungen in Verbindung gebracht wird und eine Modu- lation der Mikrobiota für Prophylaxe bzw. Therapie von großem wissenschaftlichem Interesse ist. Weitere Forschung dient dem Verständnis, was genau eine stabile und vielfältige Darm- mikrobiota ausmacht, welche Veränderun- gen der Mikrobiota durch Umweltfaktoren passieren und wie diese Veränderungen die Interaktion von Wirt und Mikrobiota beein- ussen. Bei vielen Krankheiten ist eine Asso- ziation zu Veränderungen in der Mikrobiota beschrieben, aber meist ist nicht geklärt, ob diese eine kausale Bedeutung hat oder eine Folge der Erkrankung ist.Weitere Forschungs- ansätze zielen auch auf bisher vernachläs- sigte Spezies wie Pilze und Viren ab, denen ebenso wichtige Funktionen zugeschrieben werden. Auch gilt es, bestehende und neue, aussichtsreiche Konzepte im Bereich Säug- lingsnahrung (z. B. fermentierte Formula) und deren E ekte auf die frühkindliche Darmge- sundheit noch besser zu erforschen. dokumentierte Einsatzgebiete. Bei der aku- ten Gastroenteritis verkürzen Probiotika die Krankheitsdauer und vermindern die Inten- sität der Symptome, sodass der Einsatz von Probiotika mit den Stämmen Lactobacillus rhamnosus GG bzw. Saccharomyces boular- dii zusammen mit der Rehydration empfoh- len wird. [34] Darüber hinaus sind positive E ekte von Probiotika bei funktionellen Verdauungs- beschwerden, als begleitende Behandlung bei einer H. pylori-Eradikation, bei chronisch entzündlichen Darmerkrankungen (insbe- sondere Colitis ulcerosa) und bei der Verbes- serung von Beschwerden bei Laktose-Mal- digestion beschrieben. [35–37] Auch bei der Prävention und Besserung von allergischen Symptomen liegen positive Daten zu Probio- tika vor, die Studienlage ist jedoch diesbezüg- lich uneinheitlich. [38,39] Dennoch emp ehlt die World Allergy Organization die Gabe von Probiotika bei Frauen, die ein hohes Risiko haben, ein allergisches Kind zu bekommen oder einen Säugling mit einem hohen Aller- gierisiko stillen. [40] Auf die Bedeutung der Mikrobiota für die Funktion des Immunsystems weisen auch zahlreiche Probiotika-Studien hin. So lässt sich durch Probiotika beispielsweise die Anti- körperantwort auf Impfungen verstärken bzw. die Häu gkeit von akuten Infektionen der oberen Atemwege senken. [41, 42 ] Prebiotika Prebiotika sind unverdauliche Nahrungsbe- standteile, die selektiv das Wachstum und/ oder die Aktivität eines Bakteriums oder einer begrenzten Anzahl von Bakterienstämmen fördern und dem Wirt dadurch nützen. Zirka 8 Prozent der in der Muttermilch enthaltenen Kohlenhydrate sind prebiotisch wirkende Oli- gosaccharide (HMOS), die insbesondere das Wachstum von Bi dobakterien begünstigen. Bei vielen Säuglings-Formulanahrungen ver- sucht man daher, die Zusammensetzung der HMOS zu imitieren. In einer Studie konnte gezeigt werden, dass kurzkettige Galakto- Oligosaccharide und langkettige Frukto-Oli- gosaccharide in einem Verhältnis von 9:1 zu einer ähnlichen Darm ora wie bei gestillten Kindern führen. [43] Das vermehrte Wachs- tum von Bi dobakterien durch eine pre- biotische Supplementation in Formulanah- rung geht mit einer verminderten Anzahl an pathogenen Bakterien, wie Clostridium dif- cile, Staphylococcus aureus und Pseudomo- nas aeruginosa einher. [44, 45] Die Häu gkeit von atopischer Dermatitis, Durchfallserkran- kungen und rezidivierenden oberen Atem- wegsinfektionen waren bei Kindern mit pre- biotisch supplementierter Formulanahrung bzw. Beikost niedriger als mit einer Standard- Ernährung ohne Prebiotika. [43, 46, 47] Pre- biotika erhöhen auch die Bakterienmenge und die osmotische Wasserbindungskapazi- tät imDarmlumen. Diese Aktivitäten erhöhen Stuhlgewicht und -frequenz, machen den Stuhl weicher und tragen indirekt zu einer kürzeren Transitzeit und Verringerung des Risikos für Verstopfung bei. [5] Für eine rou- tinemäßige prebiotische Supplementierung von Säuglings-Formula sei entsprechend der ESPGHAN die Evidenz noch nicht aus- reichend. Von der World Allergy Organiza- tion (WAO) hingegen wird mittlerweile eine prebiotische Supplementierung bei nicht- ausschließlich gestillten ( aschenernährten) Säuglingen empfohlen. [48] Auch wenn die Studienergebnisse widersprüchlich sind, wurde noch in keiner über irgendeine Prebio- tika-verursachte negativeWirkung berichtet. Fäkale Mikrobiota Transplantation (FMT) Als FMT oder Stuhltransplantation wird die Übertragung von Stuhlmikroorganismen eines gesunden Spenders in den Gastrointes- tinaltrakt eines erkrankten Patienten bezeich- net, um eine gestörte Mikrobiota zu behan- deln. Die Indikation für diese therapeutische Intervention ist in erster Linie die rezidivie- rende Clostridium-di cile-Infektion. Mittler- weile gibt es bei dieser Indikation überzeu- gendeDaten. Anderepotenzielle Indikationen für die FMT sind die fulminante Clostridium- di cile-Infektion und chronisch-entzündliche Darmerkrankungen. [49] Aufgrund eines noch nicht genau geklärten Wirkmechanismus, ungewisser Langzeite ekte und potenzieller Sicherheitsrisiken ist eine FMT vorerst nur Fäl- len vorbehalten, bei denen sich Standardthe- rapien als unwirksam zeigten. Hier ist der Link zum Literaturverzeichnis
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