KINDERÄRZTE.SCHWEIZ

33 Verdauung und Absorption von Nährsto en und Flüssigkeiten - Ernährungszustand - Flüssigkeitshaushalt - Normale Stuhlfrequenz und –konsistenz Mikrobiota - hohe Diversität - günstige Zusammensetzung - keine bakterielle Überwucherung - keine Störfaktoren (Antibiotika, Infektionen) Darm – Hirn - Achse - Gute Lebensqualität - Positive Stimmung - Ausgeglichene Serotoninproduktion - Normale Funktion des enteralen Nervensystems Abwesenheit von gastrointestinalen Erkrankungen Immunfunktion - Darmbarriere - Systemische Immune ekte Abwehr Toleranz Hauptaspekte eines gesunden Gastrointestinaltraktes Abb. : Hauptaspekte der Darmgesundheit [ 5 ] Arzt Kind im menschlichen Körper, wobei deren kol- lektive genetische Information 150 x mehr Gene als das menschliche Genom zählt. [3] Der Großteil der physiologisch im Darm vor- kommenden Spezies ist obligat anaerob und es wird angenommen, dass etwa 99% jener Keime mit traditionellen Methoden nicht kultiviert werden können. Erst die Entwick- lung kultur-unabhängiger Methoden, die auf Genotypisierung anstelle von traditioneller Kultivierung und Phenotypisierung beruhen, ermöglichte es, das volle Ausmaß dieser mik- robiellen Vielfalt zu erfassen [3] Zusammensetzung der Mikrobiota Von den bisher ca. 1.000 unterschiedlichen im Darm von Menschen nachgewiesenen Spe- zies, kommen etwa 160 bei jedem einzelnen von uns vor. [4] Es gibt große Unterschiede in der individuellen Zusammensetzung der Darmmikrobiota, wobei eine hohe Diversi- tät als günstig für den Wirt angesehen wird. Jede Mikrobiota ist einzigartig und stellt eine „Signatur“ dar, ähnlich einem Fingerabdruck. Die Hauptcharakteristika dieser individuellen Mikrobiota festigen sich schon früh im Leben eines Menschen. Nach starken Schwankun- gen in den ersten Lebensjahren entwickelt sich etwa ab dem 2. Lebensjahr eine über unser Leben weitgehend stabile Mikrobiota. Diese wird von 4 Stämmen dominiert, den grampositiven Firmicutes und Actinobacte- ria sowie den gramnegativen Proteobacteria und Bacteroidetes. [5] Dabei variiert deren Dichte und Zusammen- setzung in den einzelnen Abschnitten des Gastrointestinaltraktes – beein usst durch pH-Wert, gastrointestinale Sekrete (Säure, Enzyme, Schleim), Nahrung und gastrointes- tinaler Motilität – erheblich. Vom Magen bis rend der Schwangerschaft Stressoren ausge- setzt waren, signi kant niedrigere Konzentra- tionen an Bi dobakterien und Laktobazillen im Stuhl. [8] Auch die perinatale Gabe von Antibiotika führt zu einer verspäteten Kolo- nisierung mit diesen Mikroben, denen güns- tige Eigenschaften zugeschriebenwerden. [9] Eine deutliche Zunahme an Bi dobakterien beim Neugeborenen konnte hingegen durch die Gabe eines Probiotikums (Lactobacillus rhamnosus) in der späten Schwangerschaft erreicht werden. [10] Kinder von Müttern, die in der Schwangerschaft rauchten, haben ein erhöhtes Risiko ein Reizdarmsyndrom zu ent- wickeln. Dies wird unter anderem mit einer nikotinbedingten Änderung der Mikrobi- ota beim Neugeborenen in Zusammenhang gebracht. [11] Auch die Schwangerschafts- dauer dürfte einen Ein uss auf die mikrobi- elle Besiedelung beim Neugeborenen haben. Es konnte gezeigt werden, dass diese bei Frühgeborenen langsamer abläuft und eine geringere Diversität als bei Reifgeborenen aufweist. Zusätzlich führen auch eine ver- zögerte enterale Ernährung, die aseptische Umgebung sowie häu ge Antibiotika-Gaben zu einer verzögerten oder gestörten bakteri- ellen Besiedelung bei Frühgeborenen. Verän- derte Diversität, Unreife des Immunsystems und eine instabile Darmbarriere begünstigen die Invasion von pathogenen Keimen, wes- halb eine anormale Mikrobiota unter ande- rem mit dem Auftreten einer Neugebore- nensepsis und gastrointestinalen Störungen, einschließlich einer Nekrotisierenden Ente- rokolitis (NEC), in Zusammenhang gebracht wird. [12] Die Beobachtung, dass die Anzahl an Prote- obakterien im Zeitraum von 1 bis 2 Wochen vor dem Auftreten einer NEC bzw. einer Late- onset Sepsis im Vergleich zu gesunden Kon- trollen erniedrigt ist, erö net ein Fenster für mögliche therapeutische Intervention. [13] Peri- bzw. postnatale Ein üsse auf die Darmmikrobiota Während und unmittelbar nach der Geburt wird der Organismus des Kindes mit Mikro- ben vonMutter und Umwelt konfrontiert und ein neues komplexes mikrobielles Ökosystem beginnt sich im Darm zu entwickeln. Bereits vier Stunden nach der Geburt können Bak- terien im Mekonium nachgewiesen werden. [3] Diese initiale Besiedlung des Darms des Neugeborenen resultiert aus dem direkten Kontakt mit umgebendenMikroben undwird zum Dickdarm nimmt die bakterielle Besied- lungsdichte bei steigendem pH-Wert und entsprechend den Verdauungsfunktionen stets zu. Im Kolon beispielsweise ndet sich eine hohe Dichte und Diversität an Bakterien, um unverdaute Nahrung zu fermentieren. Mikrobielle Besiedelung des Darms – Ein uss zahlreicher Faktoren Es gibt zunehmend Hinweise darauf, dass der Prozess der mikrobiellen Besiedelung und die Entwicklung einer optimalen Wirt- Mikroben-Symbiose während der frühen Kindheit einen starken Ein uss auf physio- logische Prozesse, Sto wechselfunktio- nen und die Entwicklung des Immunsys- tems haben und somit von entscheidender Bedeutung für Gesundheit und Krankheit im weiteren Leben sind. Neben demWirt-Geno- typ kommt Umweltfaktoren eine wesentli- che Bedeutung zu, was dadurch verdeutlicht wird, dass sich die Spezies bei eineiigen Zwil- lingen nur in 50-80 % gleichen. [6] Pränatale Ein üsse auf die Darmmikrobiota Lange Zeit wurde der intrauterine Bereich samt Fetus als steril angesehen. Dieser Ansicht widersprechen die Ergebnisse einiger Studien, die diverse kommensale Bakterien in Nabelschnurblut, Amnion üssigkeit, Pla- zenta und Mekonium nachweisen konnten. [7] Neben dieser „pränatalen Flora“, deren genaue Bedeutung noch zu klären ist, dürften bei der mikrobiellen Darm-Besiedelung von Neugeborenen auch verschiedene externe Faktoren eine Rolle spielen. So haben z.B. Nachkommen von A enmüttern, die wäh-

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