KINDERÄRZTE.SCHWEIZ
01 / 2017 FORTB I LDUNG K I N D E R Ä R Z T E . SCHWEIZ 17 Vegane Ernährung Eine vegane Ernährung von Säuglingen ohne spezielle Nährstoff- supplementierung ist mit einem hohen Risiko für Nährstoffdefizite verbunden, insbesondere dem Risiko eines Vitamin-B12-Mangels mit schweren irreversibler neurologischer Schädigung. Deshalb ist eine vegane Ernährung für Säuglinge nicht geeignet und es wird von dieser Ernährungsform abgeraten. Besteht der Wunsch der El- tern, ihren Säugling vegan zu ernähren, sollte dies unter regelmäs- siger ärztlicher Kontrolle und unter Einbezug einer Ernährungsbera- tung erfolgen. Mütter welche sich während der Schwangerschaft, aber auch in der Stillzeit, vegan ernähren, müssen auf eine genü- gende Versorgung mit Vitamin B12, B2, A und D achten. Beim Säugling wird eine Supplementierung mit Vitamin B12 (0,4 µg/Tag ab Geburt, 0,5 µg/Tag ab dem 6. Lebensmonat) empfohlen. Zudem ist auf eine genügende Versorgung mit Vitamin D, Eisen, Zink, Fol- säure, Omega-3-Fettsäuren (DHA), Eiweiss und Calcium zu achten. Laut Empfehlungen der ESPGHAN sollen nicht gestillte Säuglinge eine sojabasierte Säuglingsformula erhalten [2]. Übergang zur Familienkost Ab dem Ende des ersten Lebensjahres kann schrittweise Familien- kost angeboten werden, die zu einer ausgewogenen Familiener- nährung mit 3 Haupt- und 2 Zwischenmahlzeiten führen soll. Dabei ist zu beachten, dass mit abnehmendem relativem Energiebedarf (pro kg Körpergewicht) der Appetit der Kinder abnimmt und die Abneigung gegenüber neuen Lebensmitteln (food neophobia) und die Neigung zu einer wählerischen Lebensmittelauswahl (picky ea- ters) zunimmt. Das vorübergehende Phänomen von Neophobie und wählerischem Essen im Kleinkindesalter scheint die Versorgung der Kinder nicht zu gefährden, sollte bei Persistieren aber abgeklärt werden. Für Kinder nach dem 1. Lebensjahr wird in der Schweiz eine ab- wechslungsreiche Mischkost empfohlen, ebenso wie bei Erwachse- nen. Die Empfehlungen zum genussvollen Essen und Trinken gibt die Ernährungsscheibe der Schweizerischen Gesellschaft für Ernäh- rung (SGE) für Kinder und das Konzept der optimierten Mischkost Forschungsinstitut für Kinderernährung (FKE) wieder, mit den zen- tralen 5 Botschaften: 5 Botschaften: 1. reichlich: energiefreie Getränke und pflanzliche Lebensmittel 2. mässig: tierische Lebensmittel 3. sparsam: fett- und zuckerreiche Lebensmittel 4. regelmässig essen 5. beim Essen Bildschirm aus Ein fundiertes Wissen über die Ernährung in der frühen Phase des Lebens, das Erkennen von Fehlernährung und fehlgeleiteten Ernäh- rungstrends und die Vermittlung der wichtigen Grundlagen einer altersangepassten, ausgewogenen Säuglings- und Kinderernährung gehört in den kinderärztlichen Alltag. Freude und Lust am Essen, das neugierige Entdecken und Probie- ren einer Vielfalt von Nahrungsmitteln und das Erlebnis der gemein- samen Familienmahlzeiten sind die besten Voraussetzungen für gu- tes Gedeihen und gesunde Entwicklung des Kindes. Anhang Aktuelles aus den Medien: Gesundheitsrisiko durch 3-MCPD in Säuglingsnahrungen: Verschiedene Berichte in den Medien haben im Zusammenhang mit toxischen 3-Monochlorpropandiol (3-MCPD) oder 2-Monochlorpro- pandiol (2-MCPD) Konzentrationen in der Säuglingsnahrung zu er- heblicher Verunsicherung geführt. 3-MCPD, 2-MCPD und deren Fettsäureester sowie Glycidyl-Fettsäureester sind prozessbedingte Kontaminanten in Lebensmitteln. Sie entstehen vor allem während der Raffination von pflanzlichen Ölen und Speisefetten und die höchs- ten Gehalte an diesen Verbindungen wurden in raffinierten Palmölen und -fetten gefunden, d.h. Lebensmitteln, die auf Basis von raffinier- ten pflanzlichen Speiseölen und -fetten hergestellt werden wie Mar- garine, Backwaren aber auch Säuglingsanfangs- und Folgenahrung. Eine aktuelle Beurteilung der Europäischen Behörde für Lebensmittel- sicherheit (EFSA 2012) [12] kommt zum Schluss, dass einzelne Säug- lingsmilchen Konzentrationen an 3-MCPD aufweisen können, wel- che die tägliche tolerierbare Aufnahmemenge (TDI) bei Säuglingen um bis das Fünffache überschreiten. Auch wenn keine unmittelbaren gesundheitlich negativen Folgen für Säuglinge zu erwarten sind, ist eine Überschreitung des TDI nicht akzeptabel. Empfehlungen des BLV (Bundesamt für Lebensmittelsicherheit) Das BLV empfiehlt Eltern nachdrücklich, ihre Säuglinge bei Bedarf wie bisher mit den speziell für sie hergestellten Produkten zu ernähren. Diese Produkte enthalten für den Säugling lebenswichtige Nährstof- fe in der richtigen Zusammensetzung und sind auf ihre Bedürfnisse abgestimmt. Ein Umsteigen auf andere Produkte wie beispielsweise Kuh- oder Sojamilch ist zu vermeiden, da diese für Säuglinge nicht geeignet sind und zu Mangelerscheinungen und Unverträglichkeiten führen können. Die Hersteller von Säuglingsmilchnahrung weisen da- rauf hin, dass intensive Bemühungen bestehen, in absehbarer Zeit die geforderten Grenzwerte einzuhalten. ■ LITERATURVERZEICHNIS [1] https://www.eek.admin.ch/eek/de/home/pub/ernaehrung-in-den-ersten-1000- lebenstagen-.html [2] Fewtrell M, Bronsky J, Campoy C, Domellöf M, Embleton N, Mis NF, et al. Comple- mentary Feeding: A Position Paper by the European Society for Paediatric Gastro- enterology, Hepatology, and Nutrition (ESPGHAN) Committee on Nutrition. J Pedi- atr Gastroenterol Nutr 2017:64;119–132. [3] Agostoni C, Braegger C, Decsi T, Kolacek S, Koletzko B, Michaelsen KF, et al. Breast-feeding: A commentary by the ESPGHAN Committee on Nutrition. J Pediatr Gastroenterol Nutr 2009;49(1):112–25.
[4] WHO. The optimal duration of exclusive breastfeeding: report of an expert consul- tation. 2002. [5] Baehler P, Baenziger O, Belli D, Braegger C, Deleze G, Furlano R, et al. Empfehlun- gen für die Säuglingsernährung 2009. Paediatrica 2009;20(5):13–18.
[6] http://www.stillfoerderung.ch/logicio/client/stillen/file/aktuell/SWIFS_Schlussbericht1 .pdf [7] Koleltzko B et al. Empfehlungen zu Prä- und Probiotika in Säuglingsanfangsnahrun- gen. Monatsschr Kinderheilkd 2009;157:267–270. [8] Ziegler EE. Milk and formulas for older infants. J Pediatr 1990;117:S76–9. [9] AKC Leung, RS Sauve. Whole cow’s milk in infancy. Paediatr Child Health 2003; 8(7):419–421. [10] Coulthard H, Harris G, Emmett P: Delayed introduction of lumpy foods to children during the complementary feeding period affects child’s food acceptance and feed- ing at 7 years of age. Matern Child Nutr 2009;5: 75–85.
[11] Hilbig A, Alexy U, Kersting M. Beikost: Breimahlzeiten oder Finger Food? Monatsschr Kinderheilkd 2014 · 162:616–622. [12] https://www.efsa.europa.eu/en/efsajournal/pub/4426 KORRESPONDENZADRESSE Dr. med. J. Spalinger, Pädiatrische Gastroenterologie und Ernährung Kinderspital Luzern, 6000 Luzern 16, E-Mail: johannes.spalinger@luks.ch
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