KINDERÄRZTE.SCHWEIZ
FORTB I LDUNG 01 / 2017 K I N D E R Ä R Z T E . SCHWEIZ 16 Auswahl der Lebensmittel Die Auswahl der Lebensmittel für die Beikost wird durch individu- elle, traditionelle, regionale und saisonale Faktoren beeinflusst. Die Empfehlungen für die optimale Einführung der Beikost basieren auf dem Ernährungsplan, welche von der Schweiz. Gesellschaft für Er- nährung und der Schweiz. Gesellschaft für Pädiatrie 2011 erarbei- tet wurde [4]. Eisenzufuhr Im Alter von etwa 6 Monaten sind die Eisenreserven aufgebraucht und der Säugling ist auf eine genügende Eisenzufuhr über die Nah- rung angewiesen. Geeignet sind sowohl Eisen aus pflanzlichen, aus tierischen Quellen oder eisenangereicherten Nahrungsmitteln (Bsp. Cerealien). Flüssigkeit / Getränke: Muttermilch (beziehungsweise Säuglingsmilch) ist die ideale Flüssig- keitszufuhr und bleibt ein wichtiger Bestandteil der Nahrung zum Zeitpunkt der Beikosteinführung und während der Steigerung der Beikostmengen. Ab dem 10. Monat beziehungsweise nach Einfüh- rung der dritten Breimahlzeit pro Tag, braucht der Säugling zusätz- liche Flüssigkeit. Die Flüssigkeitsmenge ist individuell unterschied- lich, von der Jahreszeit und dem Zustand des Kindes abhängig. Die Flüssigkeit kann aus Muttermilch, Säuglingsmilch oder anderen Ge- tränken stammen. Zusätzliche Flüssigkeit soll idealerweise im Be- cher oder aus einer Tasse in Form von Wasser (Leitungswasser) oder ungesüsstem Kräuter- oder Früchtetee angeboten werden. Sirup, gesüsster Tee, Fruchtsaft und Fruchtnektar insbesondere aus dem Nuggelfläschli sind wegen des hohen Zuckergehaltes und der dro- henden Zahnschäden zu vermeiden. Geschmacksentwicklung Eine grosse Geschmacksvariation in der Beikost kann die Gewöh- nung an eine gemischte Kost im Kindesalter erleichtern. Mit der Ein- führung der Beikost soll der Säugling schrittweise mit verschiedenen Geschmacksrichtungen und einer Vielzahl verschiedener Aromen und Textureigenschaften von Lebensmitteln vertraut gemacht wer- den. Damit ein Säugling ein neues Nahrungsmittel akzeptiert, ist ein wiederholtes Anbieten bis zu 10–15 Mal notwendig [10]. Baby Led Weaning Als Baby Led Weaning (BLW) bezeichnet man eine besondere Form der Beikosteinführung, bei der auf das Füttern von Brei verzichtet wird. Stattdessen soll das Kind aus eigenem Interesse und eigener Initiative heraus Lebensmittel kennenlernen und selbst essen. Wer- den die Empfehlungen von Gill Rapley, der Begründerin dieser Idee umgesetzt, fallen sowohl Abweichungen als auch Überschneidun- gen mit den Empfehlungen der Fachgesellschaften zur Beikostein- führung auf. In einer systematischen Übersichtsarbeit [11] wurde jedoch da- rauf hingewiesen, dass die BLW mit einer verzögerten Beikostein- führung einhergeht und mit möglichen Nachteilen für Nährstoff- versorgung und Allergieprävention mit einhergeht. Ausserdem wird auf die Aspirationsgefahr bei harten Lebensmitteln (Wurzelgemüse, harte Brotrinde, Nüsse) hingewiesen. Kommentar: Da Beikost als Fingerfood und die traditionelle Breieinführung einander nicht ausschliessen und Mütter oft den pragmatischen Weg der Kombination beider Fütterungsmethoden wählen, sind zur abschliessenden Beurteilung dieser Ernährungs- form weitere Studien abzuwarten, welche die Vor- und Nachteile dieser Ernährungsform untersuchen. Welche Nahrungsmittel sollen vermieden werden: Salz und Zucker sollten der Beikost nicht zugesetzt werden und auch in Getränken nur beschränkt angeboten werden. Honig kann hitzeresistente Clostridium-botulinum-Sporen ent- halten und soll daher im 1. Lebensjahr wegen eines möglichen kind- lichen Botulismus nicht angeboten werden. Um die Exposition mit Arsen zu reduzieren, soll Reismilch im Säuglings- und Kleinkindesalter nicht angeboten werden [2]. Fencheltee oder Fenchelöl wird wegen fehlender Sicherheits daten im Zusammenhang mit dem Inhaltsstoff Estragol bei Kindern unter 4 Jahren nicht empfohlen [2]. Kommentar: Fencheltee erfreut sich grosser Beliebtheit bei Be- handlung von Blähungen, Koliken und Unruhe im Säuglingsalter. Fenchel und v.a. Fenchelöl enthält den Inhaltstoff Estragol, wel- cher als «mutagen» klassiert wird. Die europäischen Empfehlun- gen 2017 [2] weisen darauf hin, dass der gelegentliche Konsum von Fenchelprodukten für Erwachsene kaum Anlass zur Sorge gibt, für Kinder unter 4 Jahren Fenchelöl oder Fencheltee jedoch nicht empfohlen werden kann, mangels genügender Sicherheitsdaten. Die FDA schätzt Fenchel als sicher ein («GRAS – generally recog- nized as safe») und erwähnt, dass selbst Spuren in der Muttermilch kaum eine schädigende Wirkung haben. Einzelne Quellen emp- fehlen die Behandlungsdauer auf 2 Wochen zu beschränken. Auf- grund dieser unterschiedlichen Einschätzungen kann Fencheltee daher im Säuglingsalter mit der nötigen Vorsicht und nur für eine beschränkte Zeit empfohlen werden. Gluteneinführung und Zöliakie Gluten kann mit der Einführung der Beikost zwischen >4 und 12 Monaten in die Nahrung eingeführt werden. In den ersten Wo- chen nach Einführung von Gluten soll sowohl beim Säugling wie auch beim Kleinkind der Konsum grosser Mengen an Gluten ver- mieden werden [2]. Besondere Ernährungsformen Vegetarische Ernährung Grundsätzlich ist ovo-lakto-vegetarische Ernährung bei Säuglingen möglich. Sie erfordert aber eine sorgfältige Lebensmittelauswahl und eine ärztliche Überwachung des Gedeihens und des Eisensta- tus. Mit einem fleischfreien Gemüse-Kartoffel-Getreide-Brei wird eine ähnliche Nährstoff- und Proteinzufuhr wie mit fleischhaltiger Nahrung erreicht, allerding besteht ein höheres Risiko für eine Un- terversorgung mit einzelnen Nährstoffen wie Eisen, Zink und DHA. Bei Säuglingen, welche eine vegetarische Beikost erhalten, sollte auf eine genügende tägliche Milchzufuhr (ca. 500 ml/d) in Form von Muttermilch oder Säuglingsanfangs- resp. Folgenahrung ge- achtet werden.
RkJQdWJsaXNoZXIy MjYwNzMx