Zenit Nr. 4, Dezember 2020

4 Pro Senectute Kanton Luzern 4 | 20 Neben erfolgreichen Karrieren als Skirenn- fahrer, Kommentator am Fernsehen und Pistenbauer hat der glückliche Grossvater Bernhard Russi auch die Schattenseiten des Lebens kennengelernt. Älterwerden ist für ihn ein natürlicher Prozess, den er mit allem, was dazugehört, akzeptiert. «Ich freue mich auf Fotos: Raphael Hünerfauth Ein stahlblauer Himmel spannte sich über die Berge mit besten Schneeverhältnissen. Wir waren mutterseelenallein. Die einzigen Spuren an den Hängen zeugten von unseren Touren.» Nur viermal kehrte das Paar zurück ins Tal. Mit frischem Gemüse, Salat und Brot, die Tochter Jenny in die Garage gestellt hatte, stiegen sie die vier Stunden mit den Fellen wieder zu ihrem Rückzugsort auf. «Es wäre das abso- lute Paradies gewesen ohne die Hölle gleich um die Ecke», meint Bernhard Russi mit Hinweis auf die vielen Men- schen, die in der gleichen Zeit krank waren, unter der Situa- tion gelitten und heute noch grosse Probleme wegen der Coronakrise haben. Gleichzeitig lobt er die Verantwort- lichen: «Sie haben einen guten Job gemacht, obwohl der Lockdown im Kanton Uri hart war. Wir durften ja nicht einmal das Haus verlassen. Allerdings waren wir nicht mehr Bernhard Russi ist immer noch ein gefragter Mann, macht aber heute nur noch so viel, wie er selber will. VON MONIKA FISCHER Die Fahrt von Luzern hinauf nach Andermatt ist immer wieder eindrücklich. Am Herbstmorgen ist das enge Reuss- tal noch dunkel. Die Schöllenen mit der Teufelsbrücke erin- nert an die Zeit, als die steilen Felswände unbezwingbar schienen. Wie anders erscheint da das Hochtal von Ander- matt mit den grünen, von Bergen umrandeten Feldern und Wiesen! Das ist die Landschaft, die Bernhard Russi geformt hat, wo er sich zu Hause fühlt. «Ich könnte überall leben. Doch bin ich ein Bergler geblieben», meint er und präzi- siert, «ein liebender Bergler.» Eins mit der Bergwelt hat er die ersten Wochen des Lockdown zusammen mit seiner Frau Mari erfahren. «Wir lebten in unserer Hütte auf 2300 Metern und hatten alles, was wir zum Leben brauchten: genug zu essen, Wein und Bier – und mit dem Schnee ums Haus auch genug Wasser. im Haus, als dies entschieden wurde, und bekamen die Massnahme gar nicht mit.» Und doch müsse er beichten: «Mea culpa, mea culpa.» Ganz korrekt sei ihr Verhalten wegen des Restrisikos eines Unfalls nicht gewesen. Diese Gefährdung ist beim meisterhaften Skifahrer allerdings schwer vorstellbar. Bilder aus den Rennzeiten oder wie er elegant mit der Kamera die steilen Pisten hin- unterfährt, hinterlassen den Eindruck, er sei allen Gegeben- heiten undVerhältnissen gewachsen.Weitere Erinnerungen tauchen auf. Zum Beispiel an jenen 15. Februar vor genau fünfzig Jahren, als er am letzten Tag der Weltmeisterschaft auf der Saslong überraschend die Abfahrts-Goldmedaille gewann. Wie hat er es geschafft, dass eine Karriere nahtlos die andere ablöste, er nie abgehoben wirkte und bis heute als

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