Zenit Nr. 4, Dezember 2019

Pro Senectute Kanton Luzern 4 | 19 5 im Zenit Fotos: Peter Lauth Von Robert Bossart Gratwanderungen, in verschiedenenWelten leben, Brücken schlagen: Das kennt Gardi Hutter gut. Sie habe viel Mut gebraucht, das Leben so zu leben, wie sie es bisher getan hat, sagt sie irgendwann im Gespräch. Wir sitzen in ihrem Haus im Tessin, das mitten im idyllischen, historischen Dorfkern von Arzo liegt und wo sie seit mittlerweile dreissig Jahren lebt. Ihr Italienisch ist akzentfrei. Es ist ein spätsommerlicher Nachmittag Ende Septem- ber. Wir sitzen drinnen, weil es draussen zu warm ist. Nein, korrigiert sie nach kurzem Überlegen, es sei nicht der Mut, es sei die Überwindung der Angst. «Dadurch hatte und habe ich ein erfülltes Leben. Und deshalb habe ich keine Angst vor dem Tod und vor dem Alter.» Zudem sterbe sie ja dauernd auf der Bühne, nur schon deswegen treibe ihr das Thema keinen Angstschweiss ins Gesicht, versichert sie. Wir kommen später am Nachmittag nochmals auf ihr Alter zu sprechen. Zuerst geht es um das, was ist. Und um das, was war. Zwischen Bühne und Kindern Und da war so einiges im Leben der bekanntesten Clown- frau weit und breit. 3700 Mal ist sie mittlerweile in ihrer fast 40-jährigen Karriere aufgetreten. In 35 Ländern spielte sie ihre Figur, sowohl in renommierten Häusern, aber auch in Armenvierteln in Brasilien. Fachleute preisen sie als «komisches Phänomen» und vergleichen sie mit Grössen wie Buster Keaton und Charles Chaplin. Ein Spagat war für sie vor allem die Zeit, in der sie nicht nur eine international gefragte Künstlerin, sondern auch noch Mutter zweier Kinder war. Wenn sie auf Tournee war – und das war und ist Gardi Hutter oft –, hatte sie ihren Sohn und ihre Tochter stets mit dabei. «Wir verbrachten damals viel Zeit in Hotels, Parks, Schwimmbädern, Museen und erkundeten die Städte, in denen ich engagiert war.» Zwei Stunden vor der Vorstellung übergab sie die Kinder. Mal war es eine Person aus der Technik, die den Job als Betreuerin übernahm, mal hatte sie eine Kinderhüterin mit dabei, die während der Tournee diese Arbeit erledigte. Kaum war die Vorstellung vorbei, übernahm sie ihre Kinder wieder. Aus dieser Zeit geblieben ist ihre Effizienz. «Heute merke ich, dass ich wieder lernen muss, dieses Übereffi- ziente zu vermeiden.» Stets sei sie getrieben, alles durch- zuorganisieren und im Voraus zu planen. «Meine erwach- senen Kinder sagen mir heute, ich solle nicht dauernd rumstressen. Aber ich bin halt immer noch in diesem Modus, alles unter einen Hut bringen zu müssen.» In der Zeit, als ihre Kinder heranwuchsen, war dieses Verhalten jedoch überlebensnotwendig. Aber, so betont sie, es sei eine schöne, eine bereichernde Lebensphase gewesen. «Ich switche gerne zwischen verschiedenen Welten hin und her. Die Vorstellung, mich für Beruf oder Familie entschei- den zu müssen, finde ich katastrophal.» Als Mutter und Künstlerin unterwegs zu sein und auf verschiedenen Ebenen gefordert zu werden, habe ihr stets gefallen. «Klar, während der Tourneen war ich oft sehr müde. Etwa, wenn lauben»

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