Zenit Nr. 4, Dezember 2018

Von Urs Manser* Die Menschen werden immer älter, die Ehe hat, anders als noch zu Beginn des vormaligen Jahrhunderts, ihre Vorrang- stellung bezüglich der Wahl des Partnerschaftsmodells ver- loren. Zweit- oder gar Drittbeziehungen in Folge mit oder ohne Kinder, mit oder ohne Trauschein sind an der Tages- ordnung. Aus diesem Grund schlägt der Bundesrat vor, das Erbrecht den heutigen Lebensformen und Familienstrukturen anzupassen, und plant eine Änderung des Erbrechts. Im Zentrum der Revision steht die grössere Verfügungs- freiheit des Erblassers und damit einhergehend die Senkung der Pflichtteile für die Nachkommen. Die Pflichtteile für die Eltern hingegen sollen ganz entfallen. Der Bundesrat begrün- det diesen Schritt mit der Abnahme des Solidaritätsgedankens innerhalb der Familie und der Generationen (ein Argument, dem sich der Schreibende nicht anschliessen kann), aber auch damit, den nicht mit dem Erblasser verheiratet gewese- nen Lebenspartner besser begünstigen zu können. Meines Erachtens kann für denWegfall des Pflichtteils der Eltern aber auch argumentiert werden, dass die Eltern auf- grund der Sozialwerke der ersten und zweiten Säule, die es zu Beginn des letzten Jahrhunderts noch nicht gegeben hat, heute vielfach nicht mehr auf diesen Pflichtteilsanspruch an- gewiesen sind. Lebenspartner können stärker begünstigt werden Die Reduktion der Pflichtteile um ein Viertel auf die Hälfte des gesetzlichen Erbanspruchs soll die Nachfolgeregelung bei Familienunternehmen begünstigen. Inwiefern das wegfal- lende Viertel vom Pflichtteilsrecht der Nachkommen aber dazu einen massgeblichen Beitrag leisten soll, hängt von der Höhe des Nachlassvermögens ab, eine Erleichterung ist es jedoch allemal. Der Pflichtteilsanspruch des Ehegatten wird nicht reduziert. Dieser bleibt bei der Hälfte des gesetzlichen Erbanspruchs. Durch die freiere Verfügbarkeit können Erblasser ihre Lebenspartner stärker begünstigen. Für diese soll laut Bun- desrat sogar ein Unterstützungsanspruch eingeführt werden. Der Anspruch ist gedacht für Lebenspartnerinnen und Pro Senectute Kanton Luzern 4 | 18 39 Lebenspartner, die beim Tod des Erblassers mindestens seit fünf Jahren mit diesem zusammengelebt haben, sofern sie nach dem Tod des Partners in finanzielle Not geraten wür- den. Wäre der Lebenspartner nach dem Tod des Erblassers auf Sozialhilfe angewiesen, obschon der Nachlass genügend Vermögen umfasst, soll der Lebenspartner aus dem Nachlass eine Rente beziehen können. Allerdings handelt es sich dabei um einen beschränkten Betrag zulasten der Erbschaft, mit dem das Existenzminimum des Lebenspartners gedeckt werden soll. So darf unter anderem die Rente ein Viertel des Nettovermögens des Erblassers imZeitpunkt des Todes nicht überschreiten. Nach heutigem Recht gehen unverheiratete Lebenspartner leer aus, wenn der Erblasser keine Regelung getroffen hat. Ob die Revision des Erbrechts in dieser Weise umgesetzt werden wird, steht derzeit noch in den Sternen. Der Bundes- rat hat seine Arbeit gemacht, der Gesetzesentwurf und auch die entsprechende Botschaft zu diesem Gesetzesentwurf lie- gen vor. Was bedeutet dies im Moment für bestehende oder neu abzuschliessende letztwillige Verfügungen? Solange die letzt- willigenVerfügungen sich nicht konkret zur Höhe des Pflicht- teils und zur Höhe des verfügbaren Teils äussern, sollte es keine Probleme geben. Der Pflichtteil ist unabhängig davon, wie ihn das Gesetz definiert, als Begriff klar und bleibt Pflicht- teil, auch wenn er von ¾ gemäss heutiger Regeln auf ½ bei den Nachkommen gesenkt wird. Einzig Verfügungen, in denen mit konkreten Zahlen gearbeitet wird, sollten zumin- dest überprüft werden. Aber auch das erst, sobald die Geset- zesvorlage von National- und Ständerat angenommen wurde. Das geltende Schweizerische Erbrecht stammt noch aus den Anfängen des letzten Jahrhunderts. Seither hat es sich kaum verändert. Die Gesellschaft hingegen hat sich entwickelt. Ob der National- und Ständerat eine Revision des Erbrechts befürworten, ist aber noch unklar. Rechtsauskunft Erbrecht imWandel * Urs Manser ist Rechtsanwalt und Notar in Luzern. Er ist regelmässig ehrenamtlich für die unentgeltliche Rechtsauskunft von Pro Senectute Kanton Luzern tätig.

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