Zenit Nr. 4, Dezember 2018

Über den Glauben zu reden, ist heute vielerorts tabu. Trotzdem pflegen die Menschen nach wie vor ihre spirituellen Befürfnisse.Theologin Silvia Huber zeigt in ihrem Essay, wie wichtig es dabei ist, zur Ruhe zu kommen und der Alltagshektik zu entfliehen. Fotos: Thomas Studhalter Lebenssinn Pro Senectute Kanton Luzern 4 | 18 13 In meiner Kindheit hat niemand von Spiritualität gespro- chen. Aber wir gingen regelmässig sonntags zur Kirche, das Tischgebet gehörte zum Alltag wie das Kreuzzeichen auf die Stirn, wenn ich zur Schule ging. Meine Mutter liebte ihren Garten und lehrte uns das Staunen: Wie köst- lich waren die ganz kleinen frischen Rüebli direkt aus dem Gemüsebeet, wie herrlich schmeckten die ersten Kartof- feln, die wir mit ihr zusammen mit blossen Fingern aus dem Boden holen durften! Es war der gelebte Glaube jener Zeit, den ich als Kind kennengelernt habe. Vielleicht hätte man dies theologisch gesprochen Frömmigkeit genannt. Seit meiner Kindheit vor 50 Jahren hat sich die Welt gewaltig verändert. Mit ihr auch die Welt des Religiösen. Nur noch wenige Menschen in der katholisch geprägten Unterwegs zu Lebenssinn und Lebensfülle Innerschweiz pflegen ihren Glauben so, wie ich ihn als Kind kennengelernt hatte. Über den Glauben zu reden, ist sogar tabu. Aber man weiss aus der pastoral-sozio- logischen Forschung, dass die Menschen nach wie vor spirituelle Bedürfnisse haben und Spiritualität pflegen. Religionslos heisst nicht «ohne Spiritualität» Spiritualität wird als Begriff sehr vielfältig verwendet, längst nicht nur im religiösen oder explizit christlichen Zusam- menhang. Nehmen wir ein paar Zahlen des Bundesamtes für Statistik: Im Jahr 2016 bezeichneten sich rund 25 Pro- zent der Menschen in der Schweiz als konfessionslos. Unter ihnen betrachten sich 32 Prozent als atheistisch; 3 Prozent glauben an eine höhere Macht, 25 Prozent sind agnostisch, Silvia Huber: «Sich im Wochenrhythmus für eine Stunde ausklinken und nichts leisten zu müssen, ist eine Wohltat.»

RkJQdWJsaXNoZXIy MjYwNzMx