Zenit Nr. 2, Juni 2020

10 Pro Senectute Kanton Luzern 2 | 20 In über 150 Fitnessstudios wird das nach ihm benannte Kieser Training praktiziert. Werner Kieser, Pionier des Krafttrainings, wird dieses Jahr 80 Jahre alt. Der erfolg- reiche Unternehmer studierte mit über 60 Philosophie und führt ein geregeltes, aber spannendes Leben. Foto: Kieser Training AG/Michael Ingenweyen VON ROBERT BOSSART «Endlich habe ich Zeit, all die Bücher zu lesen, die sich über die Jahre ge- stapelt haben.» Werner Kieser kann auch der Coronakrise Positives abge- winnen. Er ist einer, der das Leben und das, was es bietet, als Chance sieht. «Unser Leben wird von Zufällen bestimmt. Entscheidend ist, was wir damit anfangen.»Werner Kieser hat so einiges aus seinen «Zufällen» gemacht. Aus dem ehemaligen Schreinerlehr- ling ist ein Krafttrainings-Pionier und erfolgreicher Unternehmer geworden. Er hat viel bewegt und bewirkt in seinem Leben – und ist nie davor zurückgeschreckt, wenn es darum ging, scheinbar unverrückbare Berge zu versetzen. «Mich reizen schwere oder gar un- möglich scheinende Aufgaben. Wenn alle sagen, das geht nicht, dann habe ich stets weitergemacht.» So war es auch, als er sich 1959 kurz vor den Schweizer Meisterschaften im Boxen eine Rippenfellquetschung zuzog und es hiess, er solle pausieren. Das ärgerte ihn. Schliesslich hörte er, dass Kraft- training die Heilung beschleunigen würde. Sein Umfeld inklusive sein Arzt schüttelten den Kopf, aber Wer- ner Kieser liess sich nicht beirren. Und so richtete er in der Wasch- küche seiner Mutter einen Kraftraum ein, baute sich aus Metallteilen seine erste Maschine zusammen. Mitte der Sechzigerjahre stiess er damit gröss- «Unmögliche Aufgaben tenteils auf Unverständnis. «Manche sagten mir, das sei Schrott. Eigentlich hatten sie ja recht damit, denn ich holte die einzelnen Komponenten tatsächlich vom Schrottplatz.» Die Kritiker begannen zu verstummen, als Anfang der Siebzigerjahre die Fitnesswelle kam. «Plötzlich galt ich als Pionier.» Wäre Fitness nicht zu einer Mode- erscheinung geworden, wäre alles an- ders gekommen, gibt Werner Kieser rückblickend zu bedenken. Was mit einer verrückten Idee begann, ent- wickelte sich zu einem erfolgreichen Geschäftsmodell. Er übernahm die Vertretung für die amerikanischen Nautilus-Geräte in Europa, ab 1980 expandierte er mit seinen Fitness- studios in der Schweiz auf Franchise- basis, später kamen weitere Studios in Deutschland und Österreich hinzu. Zudem schrieb er verschiedene Bücher. Sein wohl bekanntestes Werk trägt den Titel «Ein starker Körper kennt keine Schmerzen». Mit Kreativität zum Erfolg Der grosse Erfolg von Werner Kieser erstaunt umso mehr, wenn man bedenkt, dass er eigentlich ein Self- made-Unternehmer war, der keine be- triebswirtschaftliche Ausbildung im Rucksack hatte. Der 79-Jährige lächelt. Ein Erfolgsgeheimnis sei, so verrät er, dass er stets aus Fehlern gelernt habe. Und er hat die Fähigkeit, die passen- den Mentoren zu finden, von denen er in seinem Leben immer wieder profitieren konnte. Damals war es Gustav Grossmann, ein Erfinder und Rationalisierungsfachmann. «Er lehrte mich, Fehler methodisch zu verwerten, statt sie unter den Teppich zu kehren.» So hat er sich als junger Unter- nehmer mit Mängeln befasst, diese analysiert und sich gefragt, wie man diese beheben könnte. Diese Denk- und Vorgehensweise eignete er sich mittels Fernkursen an und lernte so, wie man ein Unternehmen erfolgreich führt. «Das hat meine Kreativität ge- fördert. Diese besteht nicht aus wilden Gedanken, sondern aus einemMangel und der Frage, wie man diesen ins Gegenteil verwandeln kann.» Werner Kieser: « Kraftraining beschleunigt den Aufbau des Körpers auf Kosten des Abbaus.»

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