Zenit Nr. 2, Juni 2018

Pro Senectute Kanton Luzern 2 | 18 17 Interview Pro Senectute baut ihre Kompetenzen zum Thema «Wohnen im Alter» weiter aus. Das bereits heute umfassende Angebot soll unter anderem mit zusätzlichen frei- willigen Wohncoaches und mit externen Experten im Sinne einer Kooperation arbeiten. Ruedi Fahrni, Geschäftsleiter von Pro Senectute Kanton Luzern, erläutert bestehende Dienstleistungen und zu meisternde Herausforderungen. «Steigende Mieten sind ein grosses Problem» Fotos: Peter Lauth Im Bereich Wohnen im Alter gibt es viel zu tun. Wurde die Thematik bislang vernachlässigt? Ruedi Fahrni: Wir müssen unterscheiden zwischen Perso- nen, die sichWohnen imAlter nach ihrenWünschen leisten können, und jenen, die es nicht können. Für besser Begüterte hat sich viel getan. Für sie gibt es verschiedenste alternative Wohnformen – beispielsweise Altersresidenzen mit Dienstleistungen von Catering bis hin zur Pedicure. Die Privatwirtschaft hat erkannt: Pensionierte stellen ein interessantes Marktpotenzial dar. Wohlhabende Pensio- nierte notabene. Und die weniger Begüterten? Hier wurde die Entwicklung unterschätzt. Die Mietzinsen sind seit der letzten Anpassung der Ergänzungsleistungen (EL) zur AHV/IV 2001 deutlich gestiegen. Die Folgen dar- aus erkennt man daran, dass die Anzahl EL-Berechtigte zuletzt stärker gestiegen ist als die Gesamtzahl der AHV- Rentnerinnen und -Rentner. Mittlerweile benötigt jede achte pensionierte Person EL-Beiträge. Erschwerend kommt hinzu, dass die EL vieler Pensionierten die Mietzinsen nicht mehr decken können, mit der Folge, dass die Betroffenen sich die Miete vom Lebensbedarf absparen müssen. Sie ziehen sich zurück, schieben medizinische Behandlungen auf, sparen am Essen. Wir stehen also vor gewaltigen Her- ausforderungen. Dies auch aufgrund der demografischen Entwicklung und der wachsenden Lebenserwartung. Unsere Sozialarbeitenden spüren die Betroffenheit und manchmal auch Verzweiflung der armutsbetroffenen Seniorinnen und Senioren sehr direkt. Nur dank gross- zügigen Spenden, Legaten, Stiftungsgeldern und Beiträgen aus dem AHV-Fonds können wir die wirtschaftlichen Nöte etwas mindern. In welchemWohnmodell möchten Sie selber dieses Alter erreichen? Das Angebot ist in den letzten Jahren deutlich reichhaltiger geworden. Es ist eine sehr individuelle Entscheidung, wie man imAlter lebt. Die einen wünschen sich, in die Gesellschaft eingebun- den zu werden. Andere sind lieber allein. Persönlich kann ich mir einen gemeinschaftlichen Kontext innerhalb eines Quartiers vorstellen. Selbstständigkeit und Individualis- mus sind mir wichtig. Gleichzeitig spüre ich bei diesem Modell die Sicherheit, dass ich innerhalb des Quartiers Unterstützung erhalte, wenn ich sie brauche, genauso wie ich sie selbst gegenüber der Gemeinschaft leiste. Das finde ich sympathisch. Mit Blick auf die demografische Entwick- lung erscheint es mir unumgänglich, dass man innerhalb der Gesellschaft zueinander schaut. Egal, ob im Quartier oder imWohnhaus. Ist das realistisch? Heute sind doch alle sich selber am nächsten. Das ist realistisch. Ein schönes Beispiel für die gegenseitige Selbsthilfe ist das Projekt «Vicino» in der Stadt Luzern. Es beweist: Die gegenseitige Unterstützung innerhalb eines Quartiers funktioniert. Auch auf dem Land kann ich mir solche Formen vorstellen. Zumal es hier noch vermehrt zur Tagesordnung gehört, dass Nachbarn füreinander da sind. Ruedi Fahrni: «Die EL decken oftmals die Mietzinsen nicht mehr.»

RkJQdWJsaXNoZXIy MjYwNzMx