Zenit Nr. 2, Juni 2018

10 Pro Senectute Kanton Luzern 2 | 18 Ich erinnere mich noch genau, als ich mich zum ersten Mal mit der Thematik «Alter und Umziehen» beschäftigte. Wir waren am Anfang der Familienphase, hatten drei kleine Kinder, und ich war beruflich für eine Frauenorga- nisation tätig. Eine der Vorstandsfrauen erzählte, dass sie im Begriff sei, vom grossen Haus in eine Wohnung zu zie- hen: «Wir haben es bald geschafft, und ich bin glücklich darüber.» Ich war überrascht, die Frau war um die sechzig. Auf meine Nachfrage meinte sie: «Es war uns wichtig, diesen Schritt zu machen, solange wir ihn noch selbststän- dig tun können. Wir möchten nicht von Dritten dazu genötigt werden.» Diese Aussage nistete sich tief in mein Gedächtnis ein. Die Schwester räumte das Haus Meine Eltern hatten das Glück, mit den sieben Kindern in einem kleinen Haus zu wohnen. Es war ihr ganzer Stolz, und sie machten nie einen Hehl daraus, dass sie dort bis zu ihrem Tod wohnen wollten. Sie waren über achtzig, als meine Mutter imWohnzimmer über Vaters Stock stolperte, ihre Schulter verletzte und nie mehr in ihr Haus zurück- kehrte. Meine Schwester fand für Vater und Mutter ein Heim in ihrer Nähe. Zurück blieb ein Haus, das geräumt werden musste. Eine Riesenarbeit wartete auf uns, und nie- mand hatte weder Zeit noch Lust, diese zu übernehmen. Schliesslich war es die alleinstehende und auch berufstätige Schwester, die das Haus räumte. Sie investierte ihre Ferien und viele Wochenenden. Sie machte es uns leicht, Im Alter noch einmal zügeln gehört zu den schwierigen Unterfangen im Leben. Umziehen und Aufräumen sind emotionale und physische Knochenarbeit. Die Journalistin Bernadette Kurmann* erzählt, wie sie damit umgeht. Aufräumen heisst loslassen * Bernadette Kurmann, geboren am 25.3.1950, wohnhaft in Ebikon, hat drei erwachsene Töchter und ist seit Kurzem Grossmutter. Sie ist seit 40 Jahren Journalistin, von Haus aus lic. phil. I mit Germanistik und Kunstgeschichte. Zuvor hat sie eine Lehre als Krankenschwester gemacht. Bernadette Kurmann war beim damaligen «Vaterland», in den Anfängen bei Radio Pilatus, danach Chefredaktorin der Zeitschrift «Frau und Familie» und lange Jahre beim Kanton in der Kommunikation. argumentierte: «Es ist eine Möglichkeit für mich, Abschied zu nehmen.» Damals entschied ich, es einmal besser zumachen.Mein Mann und ich beschlossen, das Thema «Verkleinerung des Wohnraums» mit sechzig aufzunehmen. Dann befanden wir uns beide mitten im Arbeitsprozess, und eines der Kinder lebte noch daheim. Im Estrich gab es Berge von gesammeltem Material. Uns schien es unmöglich, jetzt einen Umzug zu organisieren. Wir verschoben den Termin. Fünf Jahre später wohnten die Kinder phasenweise immer noch zu Hause, der Estrich war nicht leerer geworden, und unsere Pensionierung zog sich in die Länge. Dann kam eine Krankheit, die uns zwei Jahre stilllegte. In zwei Jahren werde ich siebzig. Die Kinder sind defini- tiv ausgezogen, der Estrich ist etwas weniger voll ... Zeit, sich umzuschauen, denn wir finden es problematisch, zu zweit in einem Haus zu wohnen. Wir studieren Zeitungsinserate. Wo wollen wir in Zukunft wohnen? Welche Wohnung soll es sein? Die Wohnung kaufen oder mieten? Wir stellten Kriterien für eine Alterswohnung auf: nahe von Bus, Bahn und Einkauf, mit Lift und rollstuhlgängig, nicht zu gross, aber auch nicht zu klein – und: Mein Mann wünschte sich etwas Aussicht. Wir schauten uns wunderbare Wohnungen an, doch jede hat einen Mangel: zu teuer, keine Aussicht, in der falschen Gemeinde, kein Lift oder Bus in der Nähe usw. Vermieten statt einziehen Einmal besuchten wir eine moderne, bezahlbare Wohnung in der Nachbargemeinde. Wir stellten fest, dass wir die Gemeinde, wo wir unsere Freunde und Bekannten haben, nicht verlassen möchten. Endlich ein gemeinsamer Nenner. Dann sahen wir in der Zeitung ein Angebot: eine schöne Wohnung zu einem – höre und staune – moderaten Preis. Unsere Kriterien waren erfüllt, bis auf eines: Noch gab es zwar eine Aussicht auf den Hausberg, doch der Bebauungs- plan zeigte, dass die Sicht in Zukunft verbaut werden könnte. Mein Mann hatte Bedenken. Ich sagte: «Keine

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