Zenit Nr. 1, März 2020

Pro Senectute Kanton Luzern 1 | 20 11 Wie gelingt im Sinne von Lebenskunst ein zufriedenes und erfülltes Leben? Der Facharzt Dr. med. Martin Schwarzin aus Luzern zeigt auf, was wir selber dazu beitragen können. LEBENSKRAFT Fotos:Peter Lauth Was heisst für Sie Lebenskunst ? Kunst kommt von Können. So ist für mich Lebenskunst der Einsatz von mentalen Fähigkeiten, die es demMenschen er- lauben, sein Leben gemäss seinen Werten und Zielen so zu führen, dass er zufrieden ist. Wir können also selber viel zu einem zufriedenen Leben beitragen? O ja, doch ist das nicht immer einfach. Im Leben treffen wir auf verschiedene Schwierigkeiten.Wir können diese in Pro- bleme und Einschränkungen einteilen. Diese Unterschei- dung ist sehr wichtig, um den richtigen Umgang zu finden. Denn Probleme können wir lösen, Einschränkungen nicht. Wie meinen Sie das? Können Sie das etwas ausführen? Wenn uns zum Beispiel ein zu grosses Haus oder die Pflege von Angehörigen rund um die Uhr stark belastet, ist das ein Problem, das grundsätzlich lösbar ist. Es braucht natürlich Mut, um die Situation anzugehen und zu ändern. Ein- schränkungen dagegen sind grundsätzlich nicht lösbar.Wir werden unzufrieden, wenn wir dies versuchen. Im Alter sind wir zunehmend mit Einschränkungen konfrontiert. Diese betreffen etwa die Bewegungsfähigkeit oder die kör- perliche Leistungsfähigkeit. Die Akzeptanz von Einschrän- kungen kann sehr schwierig und mühsam sein. Aber je bes- ser wir Einschränkungen akzeptieren, umso zufriedener sind wir. «Jeder Tag ist ein neuer Anfang» Kann Akzeptanz auch zur Versöhnung führen? Akzeptanz und Versöhnung sind nicht dasselbe. Akzeptanz heisst, anzuerkennen, dass ich etwas nicht ändern oder kontrollieren kann. Ich muss es nicht gut finden, mich nicht damit versöhnen. Akzeptanz bedeutet, ich kämpfe nicht mehr gegen etwas, das ich doch nicht ändern kann. Ich be- schäftige mich nicht mehr mit einem Kampf, der meine Hände bindet und meine Energie raubt. Ich habe dann die Hände frei für ein wertegeleitetes Leben nach meinen Vor- stellungen. Versöhnung ist vielleicht etwas mehr als Akzep- tanz, die aber die Voraussetzung für Versöhnung darstellt: Ich verzichte auf den Schuldvorwurf und befreie mich aus meiner Opferrolle. Menschen müssen im Alter nicht nur mit körperlichen Einschränkungen fertig werden. Manche sind unzufrie- den mit dem Leben. Sie werden mit einem Schicksals- schlag nicht fertig oder meinen, sie hätten vieles verpasst ... Ich begegne vielen Menschen, die negative Erfahrungen auslöschen möchten oder mit einem Schicksalsschlag nicht fertig werden. Ihre Gedanken, Gefühle und Empfindungen kreisen um das Geschehene, ziehen sie immer tiefer hinab und münden vielleicht in einer Depression. Ähnlich geht es mit dem scheinbar verpassten Leben. Sie können es nicht mehr ändern, aber auch nicht akzeptieren. Es ist ganz wich- tig, nicht dauernd in die Vergangenheit zurückzugehen und

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