Zenit Nr. 1, März 2019

Aufgewachsen auf einem Bauernhof im Freiamt, trug sie früh den Gedanken ans Kloster in sich. Mit zwanzig Jahren trat Imelda Abbt (71)in das geschlossene Kloster der Domi- nikanerinnen in Weesen ein. Mit diesem radikalen Schritt wollte sie «der Welt absterben, um ganz für Gott da zu sein». Das Klosterleben war ganz der Gemeinschaft unterge- ordnet. Es gab keinen Kontakt mit der Aussenwelt, kein Privatleben, keine Individualität. Alles war genau vorge- schrieben. «Wir beteten für die Welt draussen. Ich putzte, lernte Latein, studierte Theologie. Ich war enorm glücklich, es gab für mich nichts Schöneres.» Bald traten aber erste Zweifel am mittelalterlichen Gottes- und Glaubensbild auf. Diese wurden immer stärker. Nach zehn Jahren wusste sie: «Wenn ich mir selber treu bleiben will, muss ich gehen.» Sie hatte weder Geld noch Kleider, schlief in einem Zim- mer auf dem Boden. Mit einem Lehrauftrag in Lebens- kunde an der Kunstgewerbeschule in Zürich hielt sie sich über Wasser. «Es machte mir nichts aus. Ich war glücklich, dass ich lesen und studieren konnte.» Als erste Frau absol- vierte sie das Studium der Theologie an der Hochschule in Chur. Nach dem Lizenziat leitete sie ein paar Jahre die Schule für Heimerziehung in Luzern. Für das Doktorat und das Studium der philosophischen Anthropologie in Paris ver- zichtet sie erneut auf finanzielle Sicherheit. Nach ihrer Rück- kehr wurde sie Bildungsbeauftragte des Schweizerischen Heimverbandes, danach bis zur Pensionierung Leiterin des Bildungszentrums der Propstei Wislikofen. «Ich war glück- lich, noch mehr Zeit zum Lesen und Studieren zu haben.» Unzählige Menschen profitierten bei ihren Vorträgen und Seminarien von ihrem reichen Wissen. Ihre Philoso- phieseminare an der Seniorenuniversität in Luzern waren stets ausgebucht. Die Teilnehmenden schätzten das gemein- same Nachdenken über grundlegende Lebensthemen ver- bunden mit deren Bedeutung für das persönliche Leben. Nach zwanzig Jahren wagte Imelda Abbt noch einmal etwas Neues. «Was bewegt uns Christen heute?» heisst der Titel des Dialog-Seminars, das sie seit dem letzten Jahr leitet. «Der Glaube ist etwas Grundlegendes, das jeder Pro Senectute Kanton Luzern 1 | 19 35 Mensch in sich trägt und davon lebt. Doch ist das mittel- alterliche Kirchen- und Glaubensbild definitiv vorbei. Die Botschaft des Evangeliums ist eine Botschaft der Liebe.» Doch was heisst glauben in unserer materialis- tischen Zeit mit ihren enormen Brüchen? Was trägt einen Menschen als Christin, als Christ? Was heisst das für die Umsetzung ins Leben? Diesen Fragen möchte sie im Ge- spräch nachgehen. «Es geht um den Standpunkt, von dem aus wir dem Leben eine bestimmte Richtung geben.» Seit 30 Jahren lebt Imelda Abbt in einer grosszügigen Wohnung im Obergütsch. Ihre Zufriedenheit und Ruhe führt sie auf die Gewissheit zurück, wo sie sich letztlich zu Hause fühlt: im Ewigen und Absoluten. Dies spürt sie, wenn sie ganz in sich hineingeht. Das Alter als letzte Lebensphase findet sie zunehmend spannender und in- tensiver. «Es sollte mit allem, was es mit sich bringt, selbstverständlich werden, sind wir doch Teil der Natur. So sollten wir nicht trauern, sondern glücklich sein über die vielen Möglichkeiten, das Alter selber zu gestalten. Ich möchte gut ‹ableben› in dem Sinne, dass in jedem Tag bis zum Tod noch Leidenschaft wäre.» Obwohl nach wie vor neugierig, macht sie nicht mehr alles mit. Sie sortiert aus, was für sie noch wichtig ist, was sie trägt, beglückt und er- freut. «So erfahre ich immer wieder Glücksmomente beim Lesen, bei Spaziergängen, einem guten Essen und Gesprächen mit Menschen.» Monika Fischer Das Interesse am Menschen und seinen Grundfragen beschäftigt Imelda Abbt zeitlebens. Die Theologin und Philosophin folgte auch in schwierigen Situationen immer mutig ihrer inneren Stimme. Was macht eigentlich …? Ein Leben für die Bildung Foto: Peter Lauth

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