KINDERÄRZTE.SCHWEIZ 1/2020

01 / 2020 FORTB I LDUNG K I N D E R Ä R Z T E . SCHWEIZ 35 Neun Arzneimittel decken alle Symptome ab. Deren Heilungswahrscheinlichkeit drückt sich in der Höhe der Polaritätsdifferenz und in der Abwesenheit von Kon- traindikationen (grau hinterlegte Mittel) aus. Calcium carbonicum (Calc) und Nitricum acidum (Nit-ac) sind demnach die beiden bestpassenden Arzneien. Die kon- stitutionellen Merkmale des Kindes (Blässe, Adipositas, Schwitzen und Schüchternheit) bestätigen die Mittel- wahl von Calcium carbonicum, das aus der Kalkschale der europäischen Auster hergestellt wird. Laura erhält eine Dosis des Mittels in der Potenz C 200. Damit heilt die aktuelle Tonsillitis innerhalb von zwei Tagen aus, und es kommt nicht, wie sonst immer, zu einer eitrigen Mit- telohrentzündung. Mit weiteren Dosen von Calcium carbonicum in potenzierter Form in monatlichen Ab- ständen bleibt sie symptomfrei und macht einen Ent- wicklungsschub durch. Beobachtungszeit: 1 Jahr. Diskussion In der Praxis hat sich die Homöopathie bei akuten wie auch bei chronischen Erkrankungen als wertvolle Therapiemethode erwiesen, die die Möglichkeiten ei- ner kurativen Behandlung deutlich erweitert. Da jeder Krankheitsfall individuell, sozusagen massgeschneidert behandelt wird, ist die kinderärztliche Tätigkeit nicht mehr nur Routine, sondern oft spannend und ab- wechslungsreich. Natürlich muss der homöopathische Arzt auch genau wissen, wo die Grenzen seiner Metho- de sind. Eine bakterielle Meningitis wird sicher immer antibiotisch, eine Appendizitis chirurgisch behandelt. Viele Eltern verlangen nach einer integrativen Pädiatrie, bei der neben der konventionellen Medizin nach Mög- lichkeit auch komplementär, insbesondere mit Homöo- pathie, behandelt wird. Das Abstimmungsresultat der Initiative zur Förderung der Komplementärmedizin er- gab 2009 in der Schweiz eine Zustimmung von zwei Dritteln der Bevölkerung. Eine Umfrage in Deutschland zeigte 2019 ein ähnliches Ergebnis [7]. Trotzdem, oder vielleicht gerade deshalb, ist in den Me- dien, der Politik und Wissenschaft in den letzten Jah- ren eine heftige Kontroverse gegen die Homöopathie entbrannt, die einen kampagnenartigen Charakter hat. Oft wird ohne jegliche Kenntnisse der Materie aufgrund von Vorurteilen argumentiert, und die Wissenschaftlich- keit der Methode angezweifelt. Es gibt heute viele Stu- dien zur Homöopathie; deren Wirkung kann in lege artis durchgeführten Metaanalysen nachgewiesen wer- den. 8 Von einigen Autoren wurden auch Metaanalysen präsentiert, die zu einem negativen Ergebnis kamen. Robert Hahn, ein angesehener Anästhesist und Leiter der Forschungsabteilung der Universität Linköping so- wie Mitglied des Karolinska Instituts in Schweden, hat 2013 alle vorliegenden Arbeiten einer kritischen Evalua- tion unterzogen. Er schreibt: Um den Schluss ziehen zu können, dass Homöopathie einer klinischen Wirkung entbehrt, müssten 90% der vorhandenen klinischen Studien ausser Acht gelassen werden. 9 Sollte Homöo- pathie, wie einige Medien behaupten, wirklich eine Pla- cebo-Behandlung sein, so bedeutet die Tatsache, dass Heiner Frei in seiner Praxis 80% der Patienten erfolg- reich homöopathisch behandeln kann, dass Kollegin- nen und Kollegen, die keine Homöopathie anwenden, 80% ihrer Patienten überbehandeln und unnötig po- tenziell gefährlichen Nebenwirkungen aussetzen. Das gäbe doch ziemlich zu denken, oder nicht? Weiterbildung zum Fähigkeitsausweis Homöopathie SVHA Die SVHA ACADEMY bietet eine modular aufgebaute, kompetenzbasierte Weiterbildung zum Fähigkeitsaus- weis Homöopathie (SVHA) für Ärzte, Apotheker und Ve- terinärmediziner sowie Studenten dieser Fachrichtungen an. Im Ausbildungsjahr 1 und 2 werden in 4 Modulen die propädeutischen Grundlagen vermittelt. Direkt an- schliessend (oder auch später) kann die Grundlagenprü- fung absolviert werden. Im 3. und 4. Jahr werden ver- schiedene Kurse zur Vertiefung der Theorie und v. a. der praktischen Anwendung durchgeführt. Diese sind im Veranstaltungskalender zu finden und für alle anderen Kolleginnen und Kollegen mit bestandener Grundlagen- prüfung offen. Zusätzliche Weiter- und Fortbildungsan- gebote stehen bei der ESRHU in der französischspra- chigen Schweiz zur Verfügung. Kontakt via Webseite www.svha.ch resp. E-Mail: sekretariat@svha.ch. ■ LITERATUR 1. Hahnemann S, Organon der Heilkunst, Hrsg. Schmidt JM, Standard- ausgabe der 6. Auflage, Haug-Verlag, Stuttgart, 2002. 2. Hahnemann S, Reine Arzneimittellehre, Band 1–6, Arnoldische Buchhandlung, Dresden und Leipzig, 1825–1833. Nachdruck Haug-Verlag, Heidelberg, 1979. 3. Hahnemann S, Die chronischen Krankheiten, Band 1–5, Arnoldi- sche Buchhandlung, Dresden und Leipzig, 1835–1839. Nachdruck Haug-Verlag Heidelberg, 1979. 4. Bönninghausen Cv, Therapeutisches Taschenbuch, Coppenrath’sche Buchhandlung, Münster, 1846. Nachdruck Narayana-Verlag, Kan- dern 2007. 5. Frei H., Die Polaritätsanalyse in der Homöopathie, ein präziser Weg zum homöopathischen Arzneimittel. Narayana-Verlag, Kandern, 2014. 6. Frei H, Hubele J, Polarity-Analysis Software, Austin TX, 2017. 7. Forsa Umfrage im Auftrag des DZVhÄ, 2019 8. Kruse Sigrid, Homöopathie bei Kindern, Monatsschr Kinderheilkd 2019, 167:778–787. 9. Hahn R, Homeopathy: Meta-Analyses of Pooled Clinical Data. Forsch Komplementmed 2013; 20:376–381.

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