B e r u f s v e r b a n d K i n d e r - u n d J u g e n d ä r z t e i n d e r P r a x i s KINDERÄRZTE.SCHWEIZ NEWS 02/2019 www.kinderaerzteschweiz.ch info@kinderaerzteschweiz.ch 4-Länder Treffen der Praxispädiater in Wien 25 Jahre Stiftung Theodora Verordnung für Ergotherapie bei Kindern Themenheft Kinderbücher Jahrestagung 2019 GenerationX, Y, Z – ticken wir Ärzte im Takt? Donnerstag, 5. September 2019 im Campus Sursee Das Programm zur Jahrestagung 2019 liegt dieser Ausgabe bei. MPA Plätze ausverkauft.
In der Druckausgabe befindet sich auf dieser Seite ein Hinweis für medizinische Fachpersonen.
K I N D E R Ä R Z T E. SCHWEIZ 3 02 / 2019 INHALT/IMPRESSUM ■ HABEN SIE ANREGUNGEN, KRITIK ODER LOB? Dann schicken Sie uns eine E-Mail an: info@kinderaerzteschweiz.ch Wir freuen uns. IMPRESSUM REDAKTIONSTEAM: Dr. med. Matthias Furter, Winterthur; Dr. med. Stefanie Gissler Wyss, Neuendorf; Dr. med. Raffael Guggenheim, Zürich (Leitung); Dr. med. Cyril Lüdin, Muttenz; Dr. med. Nadia Sauter Oes, Winterthur; Dr. med. Jürg C. Streuli, Uznach; Dr. med. Kerstin Walter, Bern; Dr. Daniel Brandl, PhD, Geschäftsführer HERAUSGEBERIN: Verlag Praxispädiatrie GmbH, Badenerstrasse 21, 8004 Zürich ABO: 4 Ausgaben/Jahr: Fr. 48.– inkl. Porto (für Mitglieder inklusive) Spezialpreis für Mütter- und Väterberatungsstellen sowie Nonprofit-Organisationen im Bereich Kinder- und Jugendgesundheit: Fr. 32.– inkl. Porto BILDER/ILLUSTRATIONEN: Shutterstock, Blanche Hodler, Kinderärzte Schweiz, Annette Boutellier, Universitäts- Kinderspital Zürich, Jan Cahlik, Daniela Karall, BVKJ, AFPA, ÖGKJ, Ricardo Götz, Pierre-Yves Massot, Stiftung Bibliomedia Schweiz, Rita Mühlebach, Initiative «JA zum Schutz der Kinder und Jugendlichen vor Tabakwerbung», Beltz & Gelberg, Peter Hammer Verlag, Klett Kinderbuch, Moritz, Raffael Guggenheim, Carlsen Verlag, Paramon, Creathera, Kerstin Walter, Michael Bischofberger, Mercedes Ogal, Schulthess Klinik, Kilian Imahorn. KORRESPONDENZ: Kinderärzte Schweiz Badenerstrasse 21, 8004 Zürich Telefon 044 520 27 17 info@kinderaerzteschweiz.ch, www.kinderaerzteschweiz.ch INSERATE: Dr. med. Cyril Lüdin, cyril@luedin.eu GRAFIK, SATZ UND DRUCK: Vogt-Schild Druck AG, CH-4552 Derendingen Auflage: 1300 Expl. Nächste Ausgabe: 03/2019 Redaktionsschluss: 14. Juni 2019 neutral Drucksache No. 01-19-312158 – www.myclimate.org ©myclimate – TheClimate Protection Partnership PERFORMANCE EDI TOR IAL 5 Bilderbücher – eine generationsübergreifende Schatztruhe VERBANDSZ I ELE 7 4-Länder Treffen (Frankreich, Deutschland, Schweiz, Österreich) der Pädiater BERUFSPOL I T I K 9 Kurzmeldungen aus Vorstand und Arbeitsgruppen 10 Ein Jubiläumsjahr voller Glücksmomente 10 Eigentlich sollten wir alle Traumdoktoren sein… 12 Interview mit André Poulie 13 «Buchstart»: Mit Babysteps in die Zukunft 14 Verordnung für Ergotherapie bei Kindern 17 mfe 18 Positive Tendenzen im Bereich Organspende 18 Brauchen Kinder Organtransplantationen? 21 Projekt Miapas: Empfehlungen «Förderung der psychischen Gesundheit in der frühen Kindheit» DI E MPA SE I TE 22 Workshop Beratung am Telefon für Kinder- und Jugendnotfälle. Thema: Atemwege /Atmung (in der E-Paper Ausgabe dieses Heftes) FORTB I LDUNG 26 Gute Geschichten – starke Kinder 28 Bilderbücher als kleine Helfer in der kinderärztlichen Praxis 34 Umfangreiche Liste mit sorgfältig ausgewählten Bilderbüchern zu wichtigen Themen für den Umgang mit Kindern zu Hause oder in der Praxis (in der E-Paper Ausgabe dieses Heftes) 38 Lorenz Pauli: «Schriftsteller, Schausteller, Salatteller» 40 «Weil du mir so fehlst» – Das Kinderbuch in der Trauerarbeit 41 Die Nuggi-Jahreszeiten – ein Buch zur Nuggi-Entwöhnung 42 «Alles Okay?!» – das Buch zur Vorsorgeuntersuchung 44 Das Kinderbuch in der Vorsorgeuntersuchung – und wieso ich den Gorilla so liebe (in der E-Paper Ausgabe dieses Heftes) KURSE /WORKSHOPS / FORTB I LDUNGEN 47 Veranstaltungskalender 47 Die gute Fortbildung 48 Kurse KIS ERFAHRUNGSBER I CHTE 49 Zum kreativen Gebrauch von Bilderbüchern in der Praxis 50 Wichtige Nephrologische Themen in der Kinderarztpraxis 51 Bericht Grundlagenworkshop 2 medizinische Hypnose 52 Zehn Jahre «Kinderorthopädie für die Praxis» an der Schulthess Klinik 53 Sehprobleme frühzeitig erkennen P. S. Sie finden im E-Paper dieser Ausgabe weitere wichtige Seiten. Siehe www.kinderaerzteschweiz.ch im Kapitel «Verbandszeitschrift» unter «Bisher erschienen».
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K I N D E R Ä R Z T E. SCHWEIZ 5 02 / 2019 EDI TOR IAL Bilderbücher haben uns seit unserer frühesten Kindheit fasziniert und wir können nicht alt genug werden, um uns nicht auch im Erwachsenenalter immer wieder von ihnen verzaubern zu lassen! Wenn wir Bücher öffnen, öffnen wir auch eine Tür in ein Reich der Fantasie, welche uns in unserem zunehmend durchgetakteten Berufsalltag immer öfter verschlossen bleibt. Legen wir das Buch dann weg und spinnen gemeinsam mit dem Kind den Faden weiter, so hat – frei nach Janusz Korczak – das gute Kinderbuch seinen Zweck vollends erfüllt. Mit grosser Freude möchten wir euch deshalb mit dieser Ausgabe einen frischen Einblick in eine Welt der Kinderbücher eröffnen: Den Anfang macht Barbara Jakob vom Schweizerischen Institut für Kinder- und Jugendmedien mit viel Erfahrung und einer fachkundigen Übersicht zu Qualitätsmerkmalen von Kinderbüchern in der ärztlichen Praxis. Für die anschliessende Reise von der Theorie in die Praxis schenkt uns Sabine Zehnder eine Schatzkarte, welche uns zu drei prall gefüllten Schatzkisten mit auserlesenem Inhalt führt. Mit den Bücherboxen sowie einer zusätzlichen umfangreichen Liste mit sorgfältig ausgewählten Bilderbüchern gibt uns Sabine Zehnder nicht nur einen grossartigen Einblick in ihre Arbeit mit Kinderbüchern, sondern hat für uns in aufwendiger Arbeit die Voraussetzung geschaffen, ein Kinderbuch zu fast allen wichtigen Themen in unserer Praxis einfach zur Hand zu haben. (Sämtliche Bücher in den vorgestellten Boxen sind übrigens via die KIS Website beim Chinderbuechlade Bern bestellbar.) Danach springt der berühmte Kinderbuchautor Lorenz Pauli höchstpersönlich aus der Bücherkiste und erzählt uns aus seinem Leben und Wirken, erlaubt einen persönlichen Einblick in die Bedeutung und den Zauber des Kinderbuchs und gibt uns Kinderärzten noch ein paar Tipps von Profi zu Profi. Praxisorientiert geht es dann auch weiter mit Experten/-innen aus unserer Mitte, welche selber in Eigeninitiative ein Buch zu den Vorsorgeuntersuchungen in der Praxis («Alles Okay?! Was ich bei der Kinderärztin erleben kann…» von Lea Abenhaim und Sabine Zehnder) resp. zur Nuggientwöhnung («Die NuggiJahreszeiten» von Fabienne Schär) geschrieben und illustriert haben bzw. die exemplarische Verwendung von Kinderbüchern aufzeigen (Raffael Guggenheim sowie Michèle Widler undRosanna Abbruzzese). Schliesslich darf aber auch ein Hinweis auf den«Buchstart» nicht fehlen; eine Initiative, welche seit über zehn Jahren zur Verbreitung des Bilderbuchs über die Grenzen sozialer Schichten hinaus beiträgt. Über den Themenheftteil hinaus gibt es weitere spannende Artikel aus dem Vorstand: über die Traumdoktoren von Theodora, welche kranken Kindern in Spitälern seit über 25 Jahren wichtige Glücksmomente schenken; neue Empfehlungen zur «Förderung der psychischen Gesundheit in der frühen Kindheit» (Projekt Miapas); Hinweise und Tipps zur Verordnung für Ergotherapie bei Kindern; ein Rückblick mit Ausblick von Swisstransplant; spannende Kursberichte und – last but not least – als Beilage das Programm unserer wahrhaft generationenübergreifenden Jahrestagung 2019. Wir danken allen beteiligten Autorinnen und Helfern sehr für ihre Mitarbeit an diesem Heft und wünschen euch viel Musse und Freude beim Entdecken! Die Co-Editoren Blanche Hodler und Jürg Streuli DR. MED. BLANCHE HODLER, CO-EDITORIN, FACHÄRZTIN FÜR KINDER- UND JUGENDMEDIZIN, BOLLIGEN Korrespondenzadresse: blanche.hodler@hin.ch DR. MED. JÜRG STREULI, CO-EDITOR UND MITGLIED REDAKTIONSKOMMISSION, FACHARZT FÜR KINDER- UND JUGENDMEDIZIN, UZNACH UND ZÜRICH Korrespondenzadresse: juerg.streuli@kispi.uzh.ch Die Themen der folgenden Hefte sind: News 03/2019: Sportmedizin News 04/2019: Jahrestagung News 01/2020: Integrative Medizin News 02/2020: Neuerungen Hüftsonografie und bildgebende Methoden/SVUPP Bilderbücher – eine generations- übergreifende Schatztruhe
K I N D E R Ä R Z T E. SCHWEIZ 6 VERBANDSZ I ELE 02 / 2019 Erstmals im Jahr 2017 fand in Zürich ein Treffen deutschsprachiger Pädiater in Niederlassung statt. Seither haben mit dem Ziel des gegenseitigen Austausches über die jeweiligen nationalen Gegebenheiten in der Praxis und der Planung länderübergreifenden Vorgehens bei standespolitischen Themen weitere derartige Treffen stattgefunden: im Mai 2018 in München (Gastgeber: Thomas Fischbach, Köln), im September 2018 in Linz (Gastgeber: Wilhelm Sedlak, Wien) und aktuell am 6. April 2019 in Wien (Gastgeber: Wilhelm Sedlak, Wien) (Abb. 1). Im herrschaftlichen Rahmen des Parkhotels Schönbrunn, das Kaiser Franz Josef für seine internationalen Gäste erbauen und betreiben liess, tauschten sich 40 Pädiater aus vier Ländern aus. Das Programm beinhaltete verschiedene Schwerpunkte: Den Beginn machte Peter Voitl (Wien, A) mit einem Bericht über die «Zukunft der Gemeinschaftspraxis», in dem er die möglichen Modelle der Zusammenarbeit in Österreich vorstellte (Ambulatorium, Gemeinschaftspraxis, Praxisgemeinschaft, Primäre Versorgungseinheit) (siehe Abb. 2). Bernd Jochum (Bludenz, Vorarlberg, A) folgte mit einer Vorstellung seiner Gemeinschaftspraxis, die seit 2011 eine vom Land Vorarlberg finanzierte LehrpraxisStelle innehat, die durchgehend besetzt war. Jeweils für 9 Monate waren seit Beginn 4 Pädiater und 7 Allgemeinmediziner in Ausbildung darüber angestellt. Zwei sind inzwischen in einer eigenen Praxis. Holger Förster (Salzburg, A) erläuterte die unterschiedlichen Voraussetzungen für eine sportmedizinische Betreuung von Kindern und Jugendlichen in den deutschsprachigen Ländern (siehe auch Gesellschaft für 4-Länder Treffen (Frankreich, Deutschland, Schweiz, Österreich) der Pädiater in Niederlassung in Wien am 6. April 2019 AO. UNIV.-PROF. DR. DANIELA KARALL, PRÄSIDENTIN ÖSTERREICHISCHE GESELLSCHAFT FÜR KINDER- UND JUGENDHEILKUNDE (ÖGKJ), A-INNSBRUCK Korrespondenzadresse: Daniela.Karall@i-med.ac.at Ja, berufspolitische Genussmomente sind möglich! So haben Jan Cahlik und ich es in Wien erleben dürfen. Gut genutzte Zeit. Erstmals hat ein solches Ländertreffen der Praxispädiater 2017 auf unsere Initiative hin – in kleinem Kreis – damals nur mit den deutschen Kollegen im Rahmen unserer Januartagung in Zürich mit KIS als Gastgeber stattgefunden. Zwischenzeitlich hat sich der Kreis der Teilnehmenden erweitert und die freundschaftlichen Beziehungen über die Grenzen gefestigt. Das Präsidium unseres kleinen Verbandes war bereit, die Zeit aufzuwerfen und auf eigene Kosten für unseren Verband gemeinsam nach Wien zu reisen. Wilhelm Sedlak (ÖGKJ: Österreichische Gesellschaft für Kinder- und Jugendheilkunde) hat das Treffen als Gastgeber hervorragend organisiert und zu unserer Überraschung sogar unsere Kosten mit übernommen. Doppelten Dank an ihn an dieser Stelle! Die Kombination aus Diskussion berufspolitischer Aspekte, Fortbildung und freundschaftlichem, persönlichem Austausch bei feinem Essen hat uns beflügelt, sodass wir Eindrücke und neue Inputs für unseren Verband im Gepäck mit nach Hause gebracht haben. 4-Länder Treffen–Berufspolitische Genussmomente DR. MED. HEIDI ZINGGELER-FUHRER, PRÄSIDENTIN KINDERÄRZTE SCHWEIZ, CHUR Korrespondenzadresse: h.zinggeler@mez-chur.ch – Staunen über die verschiedenen Rechtsformen der Praxen und Vorschriften in Österreich. => Wir tun gut daran, die uns möglichen Freiheiten zu bewahren. – Praktische Hilfsmittel in der Praxis kann jeder von uns brauchen. Neu kennengelernt haben wir dank den österreichischen Kollegen solche im Bereich der Sportmedizin. => Hier könnt ihr insbesondere die Belastungsprofile zu verschiedenen Sportarten selber entdecken: https://www.kindersportmedizin.org/ download/belastungsprofile – Durchimpfungsraten in Frankreich sind regierungsbedingt massiv schlechter als bei uns. => Ob KIS den nicht einfachen Weg in die EKIF zur noch praxisfreundlicheren Mitgestaltung der Impfempfehlungen finden wird? – Die französische Praxispädiatergesellschaft bietet Eltern unentgeltlich die schriftliche Beantwortung von 10 Fachfragen am Tag an. => KIS bietet Eltern derzeit keine Dienstleistungen an. Und in Zukunft? – Unser Anliegen, den sehr guten, in Deutschland bereits bestehenden Leitfaden für MPAs gemeinsam herauszugeben wurde wohlwollend entgegengenommen. => Hoffen wir, dass wir es realisieren können. Dann können sich unsere Mitglieder und MPAs freuen! Wir bleiben dran! Es macht Freude und lohnt sich! ■ Dieser Artikel wurde erstmals in der «Monatsschrift Kinderheilkunde» 2019 (167) publiziert. https://doi.org/10.1007/s00112-019-0709-1. Wir reproduzieren den Text mit freundlicher Genehmigung der Springer Medizin Verlags GmbH.
K I N D E R Ä R Z T E. SCHWEIZ 7 Pädiatrische Sportmedizin, GPS, www.kindersportmedizin.org). Er stellte die sportmedizinische Versorgung in seiner Praxis vor, die einem Untersuchungsalgorithmus folgt, für den Peter Schober vor vielen Jahren ein Formblatt für die Österreichische Gesellschaft für Sportmedizin, ÖGSMP, erstellt hat. Holger Förster, der derzeitige Vertreter der Pädiater in der ÖGSM, hat dieses Formblatt adaptiert, es ist österreichweit Grundlage für die pädiatrische sportmedizinische Unter- suchung. Der zweite Teil des Vormittages war zwei wissenschaftlichen Vorträgen gewidmet: Georg Singer, Kinderchirurg aus Graz, A, sprach über «Probiotika und Immunsystem» und Daniel Tiefengraber (Wien, A), Institut für Spezifische Prophylaxe und Tropenmedizin, Medizinische Universität Wien, über «Die europäische Mobilität und unterschiedliche Impfempfehlungen bei Kindern und Jugendlichen». Anschliessend berichtete Andreas Werner, Mitglied der Association Française de Pédiatrie Ambulatoire (AFPA), über die Entwicklungen und Erfahrungen nach einem Jahr Impfpflicht in Frankreich, die zusammenfassend doch eine merkliche Zunahme der mit den Grundimpfungen geimpften Kindern und eine Imageverbessung von Impfungen im Allgemeinen in Frankreich zeigt. Der Nachmittagsblock war ländervergleichendem und standespolitischem Austausch und Abgleich gewidmet. Trotz des eher trocken anmutenden Titels war es ein sehr informativer und spannender Abschnitt, dem ein reger Austausch folgte (siehe Abb. 3und Abb. 4). 02 / 2019 VERBANDSZ I ELE Abb. 1, Gruppenfoto: Vier-Ländertreffen in Wien (Parkhotel Schönbrunn) – v.l.n.r. obere Reihe: Cem Kirecci (Wien, A), Bernd Jochum (Bludenz, A), Thomas Fischbach (Solingen, D), Heidi Zinggeler Fuhrer (Chur, CH), Wilhelm Sedlak (Wien, A), Daniela Karall (Innsbruck, A), Roland Ulmer (Nürnberg, D), Christine Magendie (Huningue, F), Andreas Plate (Köln, D); v.l.n.r. kniend: Robert Weinzettel (Waidhofen, A), Tilman Käthner (Bremen, D), Andreas Werner (Avignon, F), Karin Geitmann (Hagen, D), Holger Förster (Salzburg, A), Jan Cahlik (Zürich, CH). (© Jan Cahlik)BeimAmbulatoriumhandelt es sich um eine nicht bettenführende Krankenanstalt in der Rechtsform einer GmbH, deren Errichtung einer aufwändigen Bewilligung im Rahmen einer Bedarfsprüfung bedarf. Die Anstellung von Ärzten ist unbegrenzt möglich, allerdings erfolgt die Abrechnung über einen Einzelvertrag mit den Sozialversicherungsträgern, wodurch keine dauerhafte Sicherheit gewährleistet ist. Eine Gruppenpraxis wird durch den Zusammenschluss von zwei oder mehr fachgleichen Ärzten in der Rechtsform einer Organisationsgemeinschaft (OG) gegründet. Die Gruppenpraxis ist in Rahmen des Gesamtvertrages und des Stellenplans tätig, wodurch eine große Rechtssicherheit gegeben ist. Es gibt keine Bedarfsprüfung, jedoch ist der Gesellschaftsvertrag ausgesprochen aufwendig, und die Frage der konfliktfreien Auflösung einer Gruppenpraxis ist noch nicht endgültig geklärt. Im Rahmen einer Praxisgemeinschaft nutzen mehrere Ärzte unterschiedlicher Fachrichtungen gemeinsam Räumlichkeiten, Personal oder Geräte. Es gibt keine gemeinsame Rechtsform, die Einzelordinationen bleiben als solche mit dem damit verbundenen unternehmerischen Risiko bestehen. Dauervertretung: Kollegen können regelmässig in Ordinationen den Ordinationsinhaber vertreten und damit im Rahmen ihres Berufsbildes arbeiten, ohne die Administration einer Ordination übernehmen zu müssen. Dieses Modell bietet für beide Seiten keinerlei Absicherung, es gibt keinen Kündigungsschutz. Eine Primäre Versorgungseinheit (PVE) soll den niederschwelligen Zugang der Patienten im Sinne einer ersten Anlaufstelle sicherstellen. Im Prinzip handelt es sich dabei um eine erweiterte Gruppenpraxis, bei der auch andere Gesundheitsberufe im Rahmen des Kassenvertrages tätig werden können. In der derzeitigen gesetzlichen Beschlussfassung ist dieses Modell den Allgemeinmedizinern vorbehalten. Pädiater können nur optional eine Primärversorgungseinheit führen. Diesbezüglich sind die Verträge mit den Sozialversicherungsträgern abzuwarten. Abb. 2: Definition der möglichen Formen der Zusammenarbeit in Österreich.
K I N D E R Ä R Z T E. SCHWEIZ VERBANDSZ I ELE 02 / 2019 8 Abb. 3, Diskutanten: v.l.n.r.:Thomas Fischbach (Solingen, D), Präsident des Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte BVKJ e.V.; Roland Ulmer (Nürnberg, D),Andreas Plate (Köln, D), Geschäftsführer des BVKJ; Wilhelm Sedlak (Wien, A). (© Daniela Karall) Abb. 4, Diskutanten: v.l.n.r.: Heidi Zinggeler Fuhrer (Chur, CH), Präsidentin des Schweizer Berufsverbandes Kinderärzte Schweiz und Vize-Präsidentin des mfe, dem Verband Haus- und Kinderärzte Schweiz; Jan Cahlik (Zürich, CH), Vize-Präsident des Berufsverbandes Kinderärzte-Schweiz; Andreas Werner (Avignon, F), Mitglied der Association Française de Pédiatrie Ambulatoire (AFPA). (© Daniela Karall) Den Beginn machte Thomas Fischbach (Solingen, D), Präsident des Deutschen Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte (www.bvkj.de): ■ Pädiatrische Patientenversorgung im Licht der aktuellen Gesetzgebung (Termin-Service-Versorgungsgesetz, TSVG; Pflegeberufereformgesetz; Regelung der Versorgungs-/Bedarfsplanung; Regelung des ärztlichen Bereitschaftsdienstes) ■Adipositas und Ernährung (Forderung von Minimalstandards für die Kindergarten- und Schulverpflegung sowie Einschränkung der Bewerbung von Nahrungsmitteln für die Zielgruppe Kinder und Jugendliche, Einführung einer Lebensmittelkennzeichnung wie z. B. des Nutriscores) ■ Pädiatrische Forschung in der Praxis Unter Moderation von Jan Cahlik (Zürich, CH), Vize-Präsident des Schweizer Verbandes Kinderärzte-Schweiz, www.kinderaerzteschweiz.ch, fand schliesslich der letzte, aber nicht weniger spannende Teil des Tages statt. Er widmete sich dem Ländervergleich der Berufsverbände bzw. Gesellschaften (s. Abb. 5) und erarbeitete einen Ausblick für die zukünftige Zusammenarbeit und die gemeinsamen Ziele (Abb. 6). Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte BVKJ e.V., www.bvkj.de, Mitglieder 11600, davon nieder- gelassen 6100 Kinderärzte Schweiz (KIS), Berufsverband Kinder- und Jugendärzte in der Praxis, www.kinderaerzteschweiz.ch, Mitglieder 760, davon 600 in der Praxis Association Française de Pédiatrie Ambulatoire (AFPA), www.afpa.org, Mitglieder ca. 1500 ambulante Kinderärzte Österreichische Gesellschaft für Kinder- und Jugendheilkunde (ÖGKJ), www.paediatrie.at, Mitglieder 1810, davon 700 in Niederlassung Abb. 5: Berufsverbände der deutschsprachigen Kinder- und Jugendärzte. Bei einem gemeinsamen Abendessen fand der letzte Austausch statt. Alle Beteiligten betonten, wie wertvoll diese gemeinsamen Treffen sind und dass die Erarbeitung von gemeinsamen Agenden weiter stattfinden soll! Die Einbindung weiterer Verbände mit deutschsprachigen Kollegen wird angestrebt, z. B. Luxemburg, Südtirol, Tschechien, Slowakei…). Das nächste Treffen wird von den französischen Kollegen in Frankreich organisiert. Der Termin hierfür wurde für den 1. bis 3. Mai 2020 vorgeschlagen. ■ ■ Erstellung eines gemeinsamen Konzepts darüber, welche Punkte bearbeitet werden sollen ■Auflistung der dzt. Situation in den einzelnen Ländern nach einem vorgegebenen Raster ■Gemeinsame Verwendung des Telefonleitfadens für medizinische Fachangestellte in der Kinder- und Jugendarztpraxis zur Unterstützung bei der täglichen Arbeit des deutschen Berufsverbandes (https://www.bvkj-shop.de/telefonleitfaden-wiekann-ich-ihnen-helfen.html) ■ Praxis- und Versorgungsforschung ■ Epidemiologische Forschung zu Impfungen ■ Epidemiologische Forschung zu Patientensteuerung Abb. 6: Mögliche und geplante Kooperationen.
Neue pädiatrische Delegierte in FMH Ärztekammer Durch ihre Funktion als Vizepräsidentin von mfe Haus- und Kinderärzte Schweiz wurde KIS Präsidentin Heidi Zinggeler Fuhrer sowohl in die Ärztekammer wie auch in die Delegiertenversammlung der FMH gewählt. Eine gute Gelegenheit dort neben hausärztlichen auch kinderärztliche Interessen zu vertreten. Wir gratulieren und wünschen Heidi viel Erfolg in diesen neuen Aufgaben! Vernetzung: SF-MVB und Stillförderung Schweiz Sowohl der Schweizerische Fachverband Mütter- und Väterberatung SF-MVB als auch Stillförderung Schweiz haben neue Präsidentinnen gewählt: Flavia Wasserfallen agiert als Präsidentin des SF-MVB und Yvonne Feri hat das Amt der Präsidentin von Stillförderung Schweiz übernommen. Wir wünschen beiden Präsidentinnen viel Erfolg und Erfüllung in ihren Ämtern. Zugang zur Verhütung für Jugendliche gewährleisten Nationalrat Mathias Reynard forderte den Bundesrat in einer Motion auf, den Zugang zur Verhütung für Jugendliche zu gewährleisten. Für junge Leute unter 25 Jahren sollen Verhütungsmittel und damit verbundene gynäkologische Untersuchungen unentgeltlich sein. Weitere Informationen auf https://www.sante-sexuelle. ch/news/medienmitteilung-zugang-zu-verhuetung-fuerjugendliche-gewaehrleisten/ Kurzmeldungen aus Vorstand und Arbeitsgruppen Vernetzung/Nachwuchsförderung: JHaS Ein weiterer Meilenstein unserer Vernetzungsarbeit der letzten Jahre ist erreicht: Unser Vorstandsmitglied Nora Rufener wurde als Vertreterin der Praxispädiater in den Vorstand der Jungen Hausärztinnen und -ärzte Schweiz JHaS gewählt. Wir gratulieren! Arbeitsgruppe Kurswesen Wegen beruflicher Neuorientierung wird Carmen Brändle in den nächsten Monaten die Arbeitsgruppe Kurswesen als MPA Vertreterin verlassen. Zunächst möchten wir uns für ihre bisherige Mitarbeit herzlich bedanken. Das Einbringen von MPA Anliegen ist ein wichtiger Bestandteil des Kurswesens. Gleichzeitig nutzen wir diese Gelegenheit, um neue Mitarbeiterinnen zu suchen. Bei Interesse kann man bei Beatrice Kivanc auf der Geschäftsstelle weitere Informationen erhalten: Tel. 044 520 27 17/ info@kinderaerzteschweiz.ch Haus- (und kinder)ärztlicher Nachwuchs – auf gutem Weg, aber noch nicht am Ziel Bereits zum dritten Mal führten die Jungen Hausärztinnen und –ärzte Schweiz (welche sich auch als Verband der jungen Praxispädiater/innen verstehen) gemeinsam mit dem Berner Institut für Hausarztmedizin BIHAM eine Studie durch. Die wichtigsten Erkenntnisse der Studie sind: • 73% arbeiten in einer kleinen bis mittleren Praxis mit 2–5 Ärzten • Junge wollen nicht nur in der Stadt, sondern auch in der Agglomeration und auf dem Land arbeiten • Praxisassistenzprogramme zahlen sich aus! 42% steigen dort in die Praxis ein, wo sie vorher eine Praxisassistenz gemacht haben Interessiert an den weiteren Ergebnissen der Studie? Diese können bei info@jhas.ch bestellt werden. Info-Feed Newsletter «Frühe Kindheit» Das Netzwerk Kinderbetreuung Schweiz stellt auf seinem Info-Feed Newsletterbeiträge und Veranstaltungshinweise zu den Themen Gesundheit, Integration und Armuts- bekämpfung in der frühen Kindheit zur Verfügung: www.netzwerk-kinderbetreuung.ch/feed Jahrestagung 2019 Am Donnerstag, 5. September 2019 findet im Campus Sursee die 24. Jahrestagung von Kinderärzte Schweiz statt. Zum Tagungsthema «Generation X, Y, Z – ticken wir Ärzte im Takt?» erwartet Sie ein spannendes Hauptreferat des deutschen Sozial-, Bildungs- und Gesundheitswissenschaftlers Professor Klaus Hurrelmann. Am Nachmittag offerieren wir Ihnen eine grosse Auswahl von erstklassigen, praxisorientierten Workshops. Neu werden mehrere Vorprogramme sowie ein «Supplément» angeboten, so dass sich die Bilanz der Fortbildungscredits SGP auf 7 Credits erhöhen kann. Das Programm finden Sie als Beilage in diesem Heft oder auf www.jahrestagung.ch. Anmeldungen nehmen wir gerne online entgegen. Kinderdosierungen.ch ade – PEDeDose willkommen! Die Webseite www.kinderdosierungen.ch wurde Ende April 2019 abgestellt und durch die neue Seite PEDeDose www.pededose.ch ersetzt. Ob das neue System am Erfolg des Vorgängers anschliessen kann wird sich zeigen. Leider bleibt nicht alles Gute gratis, aber in jedem Fall bleibt uns das wichtige online Nachschlagewerk erhalten! Volksinitiative «Organspende fördern – Leben retten» Ziel der im März 2019 eingereichten Initiative ist eine Verfassungsänderung, die jeden Erwachsenen im Todesfall zum potenziellen Organspender macht – es sei denn, er hat seinen Widerspruch zu Lebzeiten in ein offizielles Register eintragen lassen. Diese Initiative soll dazu beitragen, die Anzahl potenzieller Spender zu erhöhen, damit – unter Wahrung der Wahlfreiheit jedes Einzelnen – so viele Leben wie möglich gerettet werden können. Weitere Informationen zur Initiative auf www.organspende- initiative.ch
BERUFSPOL I T I K 02 / 2019 K I N D E R Ä R Z T E. SCHWEIZ 10 Alles begann mit einem Unfall: Im Alter von zehn Jahren lag André Poulie monatelang im Spital. Seine Mutter Theodora besuchte ihn jeden Tag, erzählte ihm und den anderen kleinen Patienten Geschichten und heiWer von euch kennt den Film «Patch Adams» aus dem Jahre 1998, mit Robin Williams in der Hauptrolle? Für mich persönlich war dieser Film sehr wichtig. Die Traumdoktoren (für Einige ist der Begriff der Spital-«Clowns» wegen den «Scary-Clowns» nicht mehr positiv besetzt) machen wunderbare Arbeit und sind aus den modernen Kinderspitälern nicht mehr wegzudenken. Vor einiger Zeit habe ich gelesen, dass sogar in einer Einsatzgruppe bei einer Erdbeben-Katastrophenhilfe neben den Notfallärzten auch zwei Spitalclowns mitreisten! Ich hatte in den letzten Jahren die Möglichkeit, einige Traumdoktoren bei ihrer Arbeit zu begleiten, um sie zu entwicklungspädiatrischen Fragen zu supervidieren. Ich habe viele Szenen miterlebt, die mich zutiefst berührten: Ihr Umgang mit schwerstkranken Kindern, wie die terte ihren Alltag auf. Ihre unverwechselbare Mimik, die ansteckende Fröhlichkeit und ihr ausgeprägter Sinn für Humor liessen Schmerz und Angst für eine Weile in den Hintergrund rücken. Als Theodora verstarb, gründeten André und sein Bruder Jan im Andenken an ihre Mutter am 9. September 1993 eine Stiftung: Theodora. Eine Freude schenkende Mission Wie seinerzeit Theodora sind von da an «Doktoren» der ganz besonderen Art im Auftrag der Stiftung für die Kinder da: Mit viel Humor, Heiterkeit und Einfühlungsvermögen lassen sie die kleinen Patienten dem Spitalalltag für einen Moment entfliehen und in ihre Welt der Farben, der Fantasie und des Lachens zurückfinden. Die beiden ersten Traumdoktoren im Universitätsspital Lausanne (CHUV) weckten Begeisterung und der Gewinn eines internationalen Preises im Juni 1994 verhalf der Stiftung Theodora zu wachsen. In den darauffolgenden Jahren besuchten immer mehr Traumdoktoren, allesamt professionelle Künstler, die Kinder in immer mehr Spitälern der Schweiz und bescherten ihnen, ihren Eltern, Geschwistern und auch dem Pflegepersonal tausende magische Momente. gesunden Lebensgeister wachgerufen und ein Lächeln auf die erschöpften Gesichter gezaubert wurde. Oder die Begegnungen durch die Scheibe der Knochenmarks- transplantationsstation, wo die Kinder offensichtlich vergassen, dass sie isoliert waren. Das Frohe, Lebensbejahende schwappt dabei nicht nur auf die Kinder über, es integriert auch Eltern, Pflegpersonal und uns Ärztinnen und Ärzte. Dabei werde ich etwas nachdenklich… warum brauchen wir die Traumdoktoren? Wenn wir selber ganz gut mit dem Kind in uns in Kontakt blieben; wenn wir uns die Zeit nehmen könnten und würden; wenn wir konsequent dem Prinzip der gesunden Anteile beim kranken Kind das Augenmerk geben würden, dann wäre das Spital – oder die Praxis – voller Personal mit positiver Ausstrahlung, mit und ohne Verkleidung! Eigentlich sollten wir alle Traumdoktoren sein… KD DR. MED. SEPP HOLTZ, FACHARZT FÜR KINDER- UND JUGENDMEDIZIN FMH, PRAXISPÄDIATER IN ZÜRICH Korrespondenzadresse: holtz@cybermail.ch Letztes Jahr feierte die Stiftung Theodora ihren 25. Geburtstag. Die gemeinnützige Organisation verfolgt seit 1993 das Ziel, den Alltag von Kindern im Spital und in spezialisierten Institutionen mit Freude und Lachen aufzuheitern. Heute besuchen 62 Profi- Künstler – sogenannte Traumdoktoren – Kinder in 35 Spitälern und 29 spezialisierten Institutionen schweizweit. Jährlich schenken diese zauberhaften Figuren auf rund 100000 Kinderbesuchen wertvolle Momente der Unbeschwertheit. Ein Jubiläumsjahr voller Glücksmomente Dr. Chapeau und Pönk, Inselspital Bern. Foto Annette Boutellier
02 / 2019 BERUFSPOL I T I K K I N D E R Ä R Z T E. SCHWEIZ 11 5 Programme für die Kinder 1996 waren es bereits 20 Spitäler, die regelmässig von den Theodora-Traumdoktoren besucht wurden. 1998 entstand das Programm «Herr und Frau Traum» für Kinder mit Behinderung. Da dieses grossen Anklang fand, wurde 2012 – ebenfalls für Kinder mit Behinderung – zusätzlich das «Kleine Orchester der Sinne» ins Leben gerufen. Für Kinder mit Übergewicht entstand 2013 in Zusammenarbeit mit dem Schweizerischen Fachverband Adipositas im Kindes- und Jugendalter (AJK) das Programm «Die kleinen Champs». Besonders begrüsst wurde das 2014 eingeführte Operationsbegleitungsprogramm: Mit viel Einfühlungsvermögen verwandeln die Traumdoktoren den Operationsprozess in eine gemeinsame Reise, auf der sich die Kinder und ihre Eltern entspannen können. Runder Geburtstag 2018 feierte die Stiftung Theodora ihren 25. Geburtstag und blickt dabei auf 1555180 Kinderbesuche zurück. Während insgesamt 282760 Stunden haben die Theodora-Traumdoktoren seit 1993 Kinder besucht. Heute sind jede Woche 65 Traumdoktoren in 35 Spitälern und 29 spezialisierten Institutionen in der Schweiz unterwegs und schenken Kindern in jährlich über 100000 Besuchs- stunden unzählige Augenblicke der Freude und des Lachens. Und wie sieht die Zukunft aus? «Es ist uns enorm wichtig, dass immer mehr Kinder in schwierigen Situ- ationen und ihre Angehörigen von den Besuchen der Traumdoktoren profitieren können», meint Präsident und Stiftungsgründer André Poulie. Die Stiftung Theodora investiert darum vermehrt in die intensive Zusammenarbeit mit den Spitälern und spezialisierten Institu- tionen. Ausserdem ist die Stiftung stets darum bemüht, die Qualität ihrer Arbeit zu verbessern; beispielsweise mittels reichem Weiterbildungsangebot für die Künstler. Kinderlachen schenken – auch in diesem Jahr Dieses Jahr möchte die Stiftung Theodora noch mehr Kinder mit den Besuchen ihrer Künstler erfreuen und unzählige Glücksmomente schenken können. Deshalb startete die Stiftung Theodora im Herbst 2018 die Rekrutierung zu einer neuen Ausbildungsrunde. Im Januar 2019 begann die 13. Ausbildung zum Traumdoktor (siehe Interview). Nach einem Jahr werden die frischgebackenen Traumdoktoren im persönlichen Kittel und mit eigenem Namen selbstständig Lachen und Magie in der Landschaft der Schweizer Spitäler und spezialisierten Institutionen verbreiten. Ganz im Sinne und zur Freude von André Poulie: «Unser grosser Traum ist es, tagtäglich möglichst vielen Kindern in Not ein Lachen zurückzugeben – und das noch während unzähligen Jahren!» ■ Die Stiftung Theodora verfolgt seit 1993 das Ziel, den Alltag von Kindern im Spital und in spezialisierten Institutionen mit Freude und Lachen aufzuheitern. Heute organisiert und finanziert die Stiftung jede Woche den Besuch von 62 Profi-Künstlern – den Traumdoktoren – in 35 Spitälern und 29 Institutionen für Kinder mit Behinderung in der Schweiz. Im Jahr 2018 schenkten diese lustigen, zauberhaften Figuren auf über 100000 Kinderbesuchen Lachen und Momente des Glücks. Die als gemeinnützig anerkannte Stiftung ersucht um keinerlei staatliche Subventionen. Die Finanzierung der wöchentlichen Künstlerbesuche beruht vollständig auf der Unterstützung von Spendern und Partnern. Weitere Informationen finden Sie auf: www.theodora.org Dr. Kiko, Spital Chur. Foto Ricardo Götz Dr. Didou, Sonderschule «Les Perce-Neige» in La Chaux-de-Fonds. Foto Pierre-Yves Massot
BERUFSPOL I T I K 02 / 2019 K I N D E R Ä R Z T E. SCHWEIZ 12 Wie entstand die Idee für die Stiftung Theodora? Im Alter von zehn Jahren verunfallte ich mit einem Rasenmäher und musste für viele Monate ins Spital. Mein Fuss wurde 14 Mal operiert; Schmerzen waren mein ständiger Begleiter. Es fiel mir nicht leicht, so lange im Spital zu sein, getrennt von Familie und Freunden. Meine Mutter Theodora besuchte mich jeden Tag, brachte mich und die anderen kleinen Patienten zum Lachen und sang uns Kinderlieder vor. Theodora war für mich wie eine Insel der Gelassenheit in einem Ozean der Schmerzen, Ängste und Sorgen. Viele Jahre später waren es diese Erinnerungen, die meinen Bruder Jan und mich zur Gründung der Stiftung, die ihren Namen trägt, veranlassten. Unser Wunsch war es, die Lebensfreude unserer Mutter fortleben zu lassen und Zehntausenden von Kindern zu helfen, indem wir ihnen Glück und Lachen schenken. Sie haben die Künstler, welche die Kinder in den Spitälern besuchen, Traumdoktoren genannt. Warum gerade dieser Name? Glauben Sie an die Macht der Träume? Wir haben diesen Namen gewählt, weil er die Essenz unserer Mission darstellt. Die Besuche der Traumdoktoren ermöglichen es den kleinen Patienten, dem Spitalalltag für einen Augenblick zu entfliehen und in ihre kindliche Welt der Farben, der Fantasie und des Lachens zurückzufinden. Mehr als an Träume glaube ich an die Kraft der Fantasie und an die positive Energie, die bei diesen Besuchen entsteht; besonders für Kinder mit gesundheitlichen Problemen. Wie werden die Traumdoktoren ausgebildet? Der mehrmonatige, berufsbegleitende Lehrgang ist ein abgestimmtes Zusammenspiel von Theorie und Praxis und wird in enger Zusammenarbeit mit Spezialisten aus diversen Fachgebieten realisiert. Der theoretische Teil beinhaltet diverse künstlerische Workshops und institutionelle Lehrgänge. Die Künstler eignen sich wichtige Kenntnisse über die Themen Spital, Psychologie und Behinderung an. Diese Vorbereitung sensibilisiert sie sowohl für die Abläufe im Spital als auch für das Erleben der Kinder und ihren Familien in schwierigen Situationen. Im praktischen Teil besuchen die angehenden Traumdoktoren bereits regelmässig die Kinder in den Spitälern und spezialisierten Institutionen. Wie finanziert sich die Stiftung Theodora? Die Stiftung Theodora finanziert sich mittels Privatspenden und der Unterstützung von Unternehmenspartnern. Sie ist als gemeinnützig anerkannt und übt ihre Tätigkeit in Spitälern und spezialisierten Institutionen für die Beteiligten kostenlos aus. Die Stiftung erhält keinerlei Subventionen seitens der öffentlichen Hand. Dank Unternehmenspartnern können administrative Kosten gedeckt und die privaten Spenden optimal verwendet werden, d. h. direkt in die Traumdoktorbesuche bei den Kindern fliessen. Warum sind die Besuche der Theodora-Traumdoktoren so wertvoll? Weil Lachen hilft. Ob für Kinder im Spital, mit Behinderung oder mit Übergewicht: Jeder Besuch der Theodora-Künstler ist wie ein Hauch frischer Luft, der die Kinder ablenkt und sie neu auftanken und in ihre so vertraute Welt der Fantasie zurückfinden lässt. Was braucht es als Traumdoktor, um die emotionale Tätigkeit im Spital durchführen zu können? Für die Arbeit der Traumdoktoren wird auf jeden Fall eine hohe Belastbarkeit vorausgesetzt. Vor allem müssen sie in der Lage sein, nach den Kinderbesuchen nicht nur das Kostüm, sondern auch das Erlebte, sofern es belastend war, abzulegen. Bei dieser Aufgabe hilft den Theodora-Künstlern ihre professionelle Ausbildung. Ferner tauschen sie sich mit ihren KollegInnen über ihre persönlichen Erlebnisse aus. Für besonders belastende Situationen steht auch ein psychologischer Dienst (die sogenannte Supervision) zur Ver- fügung. Wie kann man die Stiftung Theodora unterstützen? Es gibt nebst der klassischen Spende viele weitere, sehr willkommene Möglichkeiten: Es kann beispielsweise selbst eine Spendenaktion organisiert oder im Rahmen einer Feierlichkeit – wie Hochzeit oder Geburtstag – gespendet werden. Andere Möglichkeiten sind, ehrenamtliche Mitarbeit zu leisten oder ein Vermächtnis zu machen. Für Firmen gibt es die Option, Unternehmenspartner der Stiftung zu werden. ■ Interview mit André Poulie André Poulie, Präsident und Mitbegründer der Stiftung Theodora, spricht im Interview über Sinn und Zweck der Stiftung Theodora sowie über seine persönliche Motivation und prägende Erlebnisse in der Stiftungsgeschichte. André Poulie Foto Pierre-Yves Massot
02 / 2019 BERUFSPOL I T I K K I N D E R Ä R Z T E. SCHWEIZ 13 Eine aktuelle Vorlesestudie aus Deutschland hält fest, dass das Erzählen von Bilderbüchern und Geschichten für die Allerkleinsten in vielen Familien heute nicht selbstverständlich ist. Die Zuwendung zu Bild und Sprache wird oft den elektronischen Geräten überlassen, das kleine Kind wird dabei oft sich selbst überlassen und soll alleine mit den Tönen und Bildern zurechtkommen. Die Sprachförderung weiss jedoch, dass gerade das Reden über das, was man sieht, erkennt, wiedererkennt, versteht oder nicht versteht, von grosser Bedeutung für die sprachliche und allgemein kognitive Entwicklung des Kindes ist. Die Zeit für diese gemeinsamen Entdeckungsreisen in die Welt der Sprache gibt es in vielen Familien heute nicht, und es steht zu befürchten, dass viele Erwachsene gar nicht mehr wissen, wie sich das anfühlt: Zeit haben für die kleinen Dinge des Alltags. Ein Angebot für alle Familien «Buchstart» ist insofern von ungebremster Aktualität. Das Buchgeschenk ist auch ein Zeitgeschenk und es fördert neben der sprachlichen Entwicklung auch den Beziehungsaspekt: Erzählzeit ist eine Rückzugsmöglichkeit für Eltern und ihre Kinder. Es ist Zeit, die ihnen gemeinsam gehört. «Buchstart» erreicht heute jedes dritte neugeborene Kind in der Schweiz. Es darf vermutet werden, dass insbesondere Kinder, deren Familien aus welchen Gründen auch immer stärker belastet sind, von der «Buchstart»- Bewegung noch nicht erfasst werden. Deshalb hat sich «Buchstart» zum Ziel gesetzt, die Durchdringung der Zielgruppe in kleinen Schritten weiter zu verbessern. In Grossbritannien hat nämlich eine Langzeitstudie nachgewiesen, dass sich Präventionsmassnahmen auch im Bereich der sprachlichen Frühförderung auszahlen – durchaus vergleichbar mit der Kariesprophylaxe. Der «social return on investment» ist beträchtlich: Für jedes Pfund Sterling, das in «Bookstart» investiert wurde, konnten später £23 gespart werden. Ein ähnlicher Faktor würde vermutlich auch für die Schweiz gelten. Auch eine Frage des Vertrauens Die Bedeutung der Kinderärzte für den Erstkontakt mit den Familien der Neugeborenen ist hoch. Insbesondere bei Familien, die über die Angebote der Bibliotheken nicht erreicht werden, ist der Besuch beim Arzt/bei der Ärztin die sicherste Gelegenheit, mit «Buchstart» in Kontakt zu kommen. Entscheidend ist der Moment der Übergabe des Buchgeschenks: «Buchstart» soll von einer Person überreicht werden, die das Vertrauen der Familie geniesst, weil sie sie – wie z. B. die Kinderärztin und der Kinderarzt – auch in anderen Fragen berät. Denn «Buchstart» ist nicht einfach ein Werbegeschenk, wie junge Eltern es häufig erhalten. «Buchstart» ist der Anfang einer gemeinsamen Geschichte. Das «Buchstart»-Netzwerk, das die Geschichte in Gang setzt, besteht aus Kinderärzten/-innen, Mütter- und Väterberaterinnen und weiteren Fachpersonen der frühen Kindheit. Ihr Engagement ist entscheidend! Eine Fortsetzung kann die Geschichte dann z. B. in der Bibliothek finden, wo alle – auch Menschen mit anderen Muttersprachen – willkommen sind und wo es zahlreiche Veranstaltungen für Familien mit kleinen und grösseren Kindern gibt. ■ Das «Buchstart»-Paket, «Buchstart»-Flyer und -Plakate bestellen: Stiftung Bibliomedia Schweiz Rosenweg 2, 4500 Solothurn, Tel. 032 624 90 20 buchstart@bibliomedia.ch «Buchstart»: Mit Babysteps in die Zukunft FRANZISKA BAETCKE, DIREKTORIN STIFTUNG BIBLIOMEDIA SCHWEIZ, SOLOTHURN Korrespondenzadresse: buchstart@bibliomedia.ch 250000 Buchgeschenke wurden in den ersten zehn Jahren «Buchstart» an Familien mit Neugeborenen in der Schweiz verteilt. Ein «Buchstart»-Netzwerk wurde aufgebaut, viele Bibliotheken haben sich für Kleinkinder und ihre Bezugspersonen geöffnet, und das Thema «frühe Kindheit» hat auch auf politischer Ebene an Bedeutung gewonnen. Und immer noch bleibt viel zu tun, damit allen Kindern ein guter Start in die Welt der Sprache gelingt. MEHR ÜBER «BUCHSTART» ERFAHREN: WWW.BUCHSTART.CH WWW.NEPOURLIRE.CH WWW.NATIPERLEGGERE.CH «Buchstart» enthält zwei Pappbilderbücher und eine mehrsprachige Broschüre zur Information für die Eltern. «Buchstart» wird von Bibliomedia und SIKJM kostenlos allen Familien mit Neugeborenen in der Schweiz zur Verfügung gestellt. Beide Organisationen werden massgeblich vom Bundesamt für Kultur subventioniert.
BERUFSPOL I T I K 02 / 2019 K I N D E R Ä R Z T E. SCHWEIZ 14 In den meisten pädiatrischen Ergotherapiepraxen werden viele Kinder im Kindergarten- und Primarschulalter angemeldet. In der Ergotherapie erfahren wir von den Eltern, dass ihnen schon seit Jahren spezielle Verhaltensweisen des Kindes aufgefallen sind. Das Kind beschäftigte sich beispielsweise nie gerne mit Basteln oder Konstruktionsspielen. Auf dem Spielplatz erkundet es nicht spontan Klettergeräte. Ein deutlicher Leidensdruck entsteht erst dann, wenn die KindergärtnerIn oder LehrerIn grosse Abweichungen zu andern Kindern fest stellt und dies den Eltern mitteilt. Ausschlaggebend ist häufig eine sehr auffällige Grafomotorik und Stifthaltung. Die Grafomotorik ist die Spitze des Eisbergs und kann ein Indiz für schlechte feinmotorische Koordination sein. Denn die Schreibfähigkeit verlangt differenzierte Bewegungen der gesamten Schulter-, Arm- und Handmuskulatur bei gleichzeitiger Stabilisierung des Rumpfes. Die Ursachen für die Schwierigkeiten sind vielseitig. Koordinativ schlecht abgestimmte Bewegungen können auf undifferenzierte Wahrnehmungen zurückgeführt werden. Die sensorischen Rückmeldungen werden wenig spezifisch aufgenommen. Dies führt zu ungenauen und inadäquaten Bewegungsausführungen. Durch viele Misserfolge entsteht ein Teufelskreis von Vermeidungsverhalten, fehlender Übung und Erfahrung und immer grösserer Diskrepanz zu gleichaltrigen Kinder. Diese Kinder fallen unter UEMF (Umschriebene Entwicklungsstörungen motorischer Funktionen) oder nach ICD – 10: F 82. Dazu kommen Kinder mit einem beobachtbaren, gesellschaftsbedingten veränderten Spielverhalten. Sie beschäftigen sich mit Tablets und Smartphones und seltener im Sandkasten, mit malen und zeichnen und mit konstruktiven Spielen. Auch bei diesen Kindern sind Auffälligkeiten der Grafomotorik sichtbar. Eine klare Unterscheidung der beiden Gruppen ist nicht auf den ersten Blick zu erkennen. Der Überweisungsgrund für die Ergotherapie muss nicht zwingend eine ICD-Diagnose sein. Wenn die Symptomatik zu wenig eindeutig ist oder eine Diagnose lediglich vermutet wird, können die Auswirkungen als Überweisungsgrund beschrieben werden. Zum Beispiel Wahrnehmungsstörung, Feinmotorische Probleme, Entwicklungsrückstand, Auffälligkeiten im Spiel- und Sozialverhalten. Nach der Überweisung schickt die ErgotherapeutIn eine Anfrage für Kostengutsprache an die Krankenkasse. In vielen Fällen wird von den Krankenkassen ohne Umstände eine Kostengutsprache erteilt. Es kann aber auch sein, dass nun ein langes und kompliziertes Procedere beginnt, bis eine Kostengutsprache zustande kommt. Unter Umständen werden viele Rückfragen von den Krankenkassen an Sie gestellt. Verordnung für Ergotherapie bei Kindern Wie verbessern wir die administrativen Abläufe mit den Kostenträgern? RITA MÜHLEBACH, MITGLIED ZENTRALVORSTAND EVS (PORTFOLIO BERUFSPOLITIK), MITINHABERIN EINER ERGOTHERAPIEPRAXIS FÜR KINDER IN LAUFEN BL Korrespondenzadresse: rita.muehlebach@ ergotherapie.ch Definition Ergotherapie Ergotherapeutinnen und Ergotherapeuten unterstützen und begleiten Menschen jeden Alters, die in ihrer Handlungsfähigkeit beeinträchtigt oder von Einschränkungen bedroht sind. Dies kann z. B. in Folge eines Unfalls, einer Krankheit, einer Entwicklungsstörung oder aus psychischen Gründen der Fall sein. Durch gezieltes Training werden Einschränkungen vermindert und / oder Strategien zur Bewältigung der Alltagsanforderungen vermittelt. Balance
02 / 2019 BERUFSPOL I T I K K I N D E R Ä R Z T E. SCHWEIZ 15 Auf der Website www.ergotherapie.ch gibt es neu eine Ärzteseite. Folgende Dokumente sind dort zu finden: ■ Indikationsliste für Ergotherapie Pädiatrie – Musterbrief an KK bei falsch verlangtem Scoreblatt – neues Verordnungsformular, gültig ab 1.3.2019 – Berichteraster des EVS zur Verlängerung von Kostengutsprachen Die Kassen überprüfen den Krankheitswert und ihre Leistungspflicht sehr genau. Sie lehnen die Kostenübernahme ab, sobald mit Schulschwierigkeiten argumentiert wird. In der Ergotherapie werden jedoch keine schulischen Inhalte gelernt. Im Zentrum steht die Verbesserung von Basisfähigkeiten wie Wahrnehmung, Koordination der Motorik wie auch Konzentration, Strukturierungsfähigkeit, Ausdauer und die Bereitschaft, sich auf unbekannte und neue Tätigkeiten einzulassen. Gerade Letzteres ist vielen Kindern wegen negativen Erfahrungen und diffusen Ängsten schlecht möglich. Bei den Kindern mit der Diagnose F 82 einigte man sich 2004 (Bestätigung 2015) in einer Konsenskonferenz für ein Verfahren mit Scoreblatt. Dies ermöglicht den Kindern Ergotherapie in 3 möglichen Blöcken zu erhalten (erst 3 Serien à 9 Behandlungen, dann 2×9 und allenfalls nochmals 1×9). Das Scoreblatt wird bei der Erstüberweisung (U1) und allenfalls später noch zweimal ausgefüllt (U2, U3). Die Werte sind subjektiv und beruhen auf der Erfahrung und dem Einschätzen des Kinderarztes. Das Verfahren mit dem Scoreblatt ist einzig und allein bei Kindern mit der Diagnose F82 (UEMF) anzuwenden. Es bestehen Leitlinien zu UEMF im deutschsprachigen Raum (www.awmf.org/leitlinien) Bei allen andern Diagnosen und auch, wenn die Diagnosestellung nicht ganz eindeutig ist, muss kein Scoreblatt ausgefüllt werden. Die Krankenkassen sollten die Ergotherapie mit insgesamt 4×9 Einheiten übernehmen (KLV Art. 6). Leider kommt es oft vor, dass Krankenkassen bei verschiedenen andern Diagnosen (ADS, Autismus, Minimale CP etc.) von Ihnen ein ausgefülltes Scoreblatt verlangen. Deshalb folgen unten Antworten bei häufigen Missverständnissen: ■ nur Kinder mit F82-ICD10 können in die Ergotherapie überwiesen werden. Richtigstellung: Bei vielen weiteren Diagnosen ist eine ergotherapeutische Behandlung ebenfalls indiziert (Indikationsliste auf Website). ■ Bei allenKindern, die in die Ergotherapie überwiesen werden, sei das Ausfüllen des Scoreblattes notwen- dig. Richtigstellung: nur bei Kindern mit F 82. ■Die KK verlangt unter Umständen Scoreblatt bei Kindern unter 4½ Jahren. Richtigstellung: Das Scoreblatt ist erst bei Kindern über 4½ anwendbar (Standardbrief auf Website). ■Die KK fragt nach den bisher erreichten Ergebnissen, bevor überhaupt eine Therapie begonnen wurde (Leider ein unspezifischer Standardbrief). Richtigstellung: Vor Beginn einer Therapie können natürlich keine Ergebnisse aufgezeigt werden. Deshalb ist eine erste Kostengutsprache von 9 Behandlungen unbedingt sinnvoll. Danach können erste Ergebnisse kommuniziert werden. ■ Eine Verordnung für Ergotherapie bei AD(H)S kann nur von einem kinderpsychiatrischen Dienst oder einer KinderpsychiaterIn ausgestellt werden. Richtigstellung: Nach KLV ist dies korrekt. Die meisten KK machen hier jedoch eine Ausnahme und akzeptieren eine Verordnung eines Kinderarztes (die Wartezeiten für die Kinderpsychiatrischen Dienste sind vielerorts sehr lang). Vorgehen des EVS bei Schwierigkeiten mit Krankenkassen Wir vom ErgotherapeutInnen-Verband Schweiz (EVS) sind mit verschiedenen Leistungscentern von Krankenkassen in direktem Gespräch. Am runden Tisch konnten schon einige male die Abläufe geklärt und gute, einvernehmliche Lösungen gefunden werden. Falls es bei Ihnen häufig sehr umständlich oder sogar unmöglich ist, eine Kostengutsprache für Ergotherapie bei Kindern zu erhalten, teilen Sie es uns mit. Wir sind sehr an Ihren Informationen und Erfahrungen interessiert. Nehmen Sie gerne mit uns Kontakt auf info@ergotherapie.ch. Im gemeinsamen Bestreben, unsere jungen Klienten bestmöglich zu unterstützen, hoffen wir, dass Ihnen diese Zeilen weiterhelfen und verbleiben in weiterhin guter Zusammenarbeit mit Ihnen. ■ Binden
In der Druckausgabe befindet sich auf dieser Seite ein Hinweis für medizinische Fachpersonen.
02 / 2019 BERUFSPOL I T I K K I N D E R Ä R Z T E. SCHWEIZ 17 Ein grosser Schritt Zweifellos das wichtigste Ereignis seit Langem ist die Verabschiedung des zukünftigen ambulanten Tarifs TARDOC durch die Delegiertenversammlung und die Ärztekammer FMH. Mit überwältigendem Mehr. Es liegt nun ein Tarif vor, welcher von der Ärzteschaft als korrekt beurteilt wird. Der Tarif wurde mit den im Dachverband curafutura zusammengeschlossenen Krankenkassen sowie mit den Unfall-, Invaliden- und Militärversicherungen verhandelt und vom Verwaltungsrat der Tarifpartnerschaft gutgeheissen. Allerdings ist die definitive Zustimmung der Versicherer aktuell noch ausstehend. Auf Seiten der Leistungserbringer ist der Spitalverband H+ in letzter Minute aus den Verhandlungen ausgestiegen. Der andere Krankenkassenverband santésuisse hat sich bekannterweise nie an den Verhandlungen beteiligt. Ein grosser Erfolg Die Tarifkommission mfe hat sich seit vielen Jahren mit sehr grossem Aufwand für die Tarifrevision eingesetzt, immer mit dem Ziel, die Arbeit der Haus- und Kinderärzte korrekt abzubilden und ihnen die gleichen Möglichkeiten wie anderen Fachärzten verschaffen zu können. Viele Ziele sind erreicht worden: die Schaffung eines eigenen Kapitels für hausärztliche Leistungen, die Ausweitung des Kinderzuschlags bis Alter 12 Jahre, die Anwendbarkeit des Kinderzuschlags bei den Vorsorgepositionen, die Abrechenbarkeit von Gehörscreening (Audiometrie) und Visus-Screening (Refraktometrie), die Neuschaffung einer Dringlichkeitsinkonvenienzpauschale während der Sprechstundenzeit, die Beibehaltung der Besuchsinkonvenienzpauschale, die Abschaffung der diskriminierenden Quantitativen Dignität und vieles mehr. Es ist uns nicht gelungen, die medizinisch nicht gerechtfertigten Limitationen aus dem Tarif zu verbannen. Die Versicherer blieben uneinsichtig. Immerhin war es möglich, die Limitationen punktuell zu erhöhen, sodass in Zukunft weniger Patienten Leistungen vorenthalten werden müssen. Die weiteren Schritte Vorausgesetzt die Krankenkassen von curafutura stimmen TARDOC ebenfalls zu, kann der revidierte Tarif dem Bundesrat zur Prüfung vorgelegt werden. Dann wird der Tanz um die Preise losgehen. Während wir von einer bedeutenden Kostensteigerung von zirka 20% ausgehen (im Vergleich zu den im Tarmed hinterlegten Preisen von zirka 1995), pochen die Versicherer auf eine kostenneutrale Einführung des Tarifs. TARDOC wird frü- hestens 2021 eingeführt werden, nach der Überarbeitung durch den Bundesrat, der den zukünftigen Tarif nach eigenem Ermessen gestalten und verordnen kann. Parlament Verschiedene Vorschläge zur Erhöhung der Franchise wurden diskutiert, aber alle wieder begraben. Wohl wollte keine Partei ihre Wähler kurz vor den Wahlen vergraulen. Der Pflegeinitiative soll ein Gegenvorschlag entgegen gestellt werden, der die Pflege mit 500 Mio. Franken unterstützen soll. Die Apotheker haben in der vorberatenden Kommission eine Motion durchgebracht, ohne Gegenstimmen, die ihnen erlauben soll, Beratungsleistungen zu Lasten des KVG zu erbringen. Sammeln Die SP sammelt für eine Umverteilung der Prämienlast in den Steuertopf. Die CVP sammelt für eine Begrenzung des Prämienanstiegs. Die Psychologen sammelten für den Ersatz der Delegationsmodells durch ein Anordnungsmodell. Auch die Apotheker sammeln für ihren Berufsstand unter dem Motto «Und wer kümmert sich morgen um Ihre Gesundheit?». Es ist einfacher für handfeste Interessen zu sammeln als für hehre Ziele wie den Schutz der Kinder und Jugendlichen vor den Verführungen der Tabakwerbung. Unsere Initiative braucht immer noch Unterschriften. Die Sammlung läuft noch bis im September. Die Kinderärzte haben sich die Gesundheit der Kinder und Jugendlichen auf die Fahne geschrieben. Die Initiative ist ein gutes Instrument, etwas für die Gesundheit unserer Bevölkerung zu tun und das Parlament zum Handeln zu bewegen. 50 Unterschriften pro Praxis ist doch ein realisierbares Ziel. Erfolg in der Politik erfordert Einsatz, personelles Engagement und finanzielle Ressourcen. ■ mfe ist eine Erfolgsgeschichte, seit 10 Jahren. Eine Erfolgsgeschichte, an der viele Haus- und Kinderärzte beteiligt sind, eine Erfolgsgeschichte, von der alle Haus- und Kinderärzte profitieren. DR. MED. ROLF TEMPERLI, VORSTANDSMITGLIED MFE, BERN Korrespondenzadresse: temperli-rossini@bluewin.ch Erfolg in der Politik erfordert Einsatz, personelles Engagement und finanzielle Ressourcen.
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